Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Neues Projekt in der Anonymous-Szene: Nur ein weiterer Chat-Kanal?
> Ein neues Projekt in der „Anonymous“-Szene wird breit besprochen, aber
> offenbar kaum genutzt. Die Aktivisten sind sich unsicher, ob sie
> ausreichend vor Ermittlern geschützt sind.
Bild: Selbst Insider haben keine Ahnung wer dazugehört: Anonymous-Flagge bei e…
BERLIN taz | Wenn Gabriella Coleman etwas twittert, wird das im Hacker- und
Geekmilieu wahrgenommen. Und so geschah es auch als [1][die Forscherin von
der McGill University] im kanadischen Montreal twitterte vor einigen Tagen
über [2][eine „Constitution of Voxanon“]. Diese Website fasst die Absichten
und Ideale einiger Gruppen zusammen, die unter dem Logo „Anonymous“
arbeiten.
Gabriella Coleman, deren Tweet sich schnell verbreitete, ist eine Art
Völkerkundlerin der Netzkultur. Sie sieht ihre Aufgabe unter anderem darin,
neue Trends im Hacker-Milieu aufzuspüren und einzuordnen, vor allem aber
die Bruchstellen zwischen denen auszuloten, die sich im Internet jedwedem
Zugriff staatlicher Behörden entziehen können, und den „dümmsten
anzunehmenden Nutzern“, die nicht einmal ihre E-Mails für Unbefugte
unlesbar machen können. Sie gilt in der Szene als „die Einzige, der man
etwas Kompetenz zutrauen kann.“
Das neue Project Voxanon besteht aus einigen neuen Servern im [3][Internet
Relay Chat (IRC)]. IRC bietet gegenüber Chat-Foren auf Websites den
Vorteil, dass man Daten direkt von Computer zu Computer austauschen kann,
dass geschlossene, von außen „unsichtbare“ Foren möglich sind und dass IRC
unzensierbar und unkontrollierbar ist - wenn man sich damit auskennt.
Der Nachteil von IRC wiegt schwer: Man weiß nie, wer sich hinter den
Pseudonymen versteckt, es sei denn, man hat sich über andere Kanäle, etwa
verschlüsselte E-Mails, a priori vergewissert, mit wem man sich wo und wie
verabreden will.
## Pathetisch und nicht unbedingt neu
Das „Mission Statement“ von Voxanon klingt einfach, pathetisch und nicht
unbedingt neu: Wir sind eine Gemeinschaft. Wir sind eine Bewegung. Wir sind
eine Philosophie. „Wir sind eine Heimat für Heimatlose, eine
Schwarmintelligenz für Verlassene und ein Tempel für Ungläubige.“ Es fehlt
nur noch: Das Ende ist nahe.
Die Verfassung, über die Coleman twitterte, bekräftigt das Recht der
Nutzer, auch gegenüber dem Administrator der Rechner anonym bleiben zu
können: „Kein Betreiber darf eeinem privaten Kanal ohne Einladung
beitreten, es sei denn um einen direkten Angriff auf die Existenz des
Netzwerks abzuwehren.“ Trotzdem wird gleich gewarnt: Nutzer seien für ihrer
eigene Anonymität verantwortlich. „Benutzt Tor, ein VPN, oder etwas
anderes“. Das heißt: Wer auf einem der neuen Voxanon-Server chattet, hat
ohne zusätzlichen Schutz keine garantierte Anonymität. Erste Nutzer
meldeten bereits die Chat-Server von Voxanon seien „grottenleer“.
Das hat einen einfachen Grund: Die Hacker-Gruppe Anonymous ist im IRC
entstanden und nicht etwa im World Wide Web. Die Anti-Scientology-Bewegung
im Internet hieß 2008 Anonnet - nach ihrem IRC-Server. Wer sich auch beim
Chatten per IRC eine digitale Tarnkappe überstülpen will, kann seine Texte
zusätzlich verschlüsseln. Andere Methoden, über das I2P-Netz zu
kommunizieren, sind die „Höchststrafe“ für Strafverfolger – es ist
technisch nicht mehr möglich, auch nur die geringste Datenspur über die
Nutzer herauszufinden.
Voxanon kann daher technisch versierte Internet-Nutzer nicht sonderlich
beeindrucken. Das neue Projekt dokumentiert aber den erbitterten
Konkurrenzkampf der diversen Hacker-Gruppen untereinander um
Aufmerksamkeit. Zur Corporate Identity gehört, den Betrieb eines anonymen
IRC-Server feierlich zu zelebrieren wie das Richtfest eines Tempels, auch
wenn sich das so anhört, als behauptete jemand, das Rad neu erfunden zu
haben.
Und ebenso misstrauisch begegnet auch die Szene dem Projekt: Eine der
Firmen, von denen Voxanon Speicherplatz mietet, steht in San Diego,
Kalifornien – die Rechneradressen wurden sogar von Aktivisten aus dem
Umfeld der Hacker-Gruppe zeitweise wegen Spam-Bombardements [4][auf eine
schwarze Liste gesetzt].
Anderswo gab es eine typische Reaktion: Ein Hacker mit dem Pseudonym hrh23
behauptete in einem Chat-Forum des Anonymous-Netzes, der Nutzer
anon_central, der Colemans Kurznachricht weit verbreitet hatte, sei „ein
fed“ – das heißt ein Agent der Geheimdienste CIA oder NSA. Beweise dafür
gibt es natürlich nicht.
6 Mar 2012
## LINKS
[1] http://gabriellacoleman.org/
[2] http://www.voxanon.org/wiki/Constitution_of_Voxanon
[3] http://de.wikipedia.org/wiki/Internet_Relay_Chat
[4] http://www.forumpostersunion.com/showthread.php?t=20581
## AUTOREN
Burkhard Schröder
## ARTIKEL ZUM THEMA
Kommentar Anonymous: Die Schamanen des 21. Jahrhunderts
Hackern werden magische Fähigkeiten zugeschrieben, die Szene wird zu einer
politischen Bewegung überhöht. Schuld daran ist eine Generation, die
Computer nicht versteht.
Anonymous-Gruppe Lulzsec enttarnt: Die Enthauptung der Kopflosen
Das FBI feiert mit der Festnahme der Lulzsec-Hacker auch die Zerstörung der
Bewegung. Die hackt daraufhin demonstrativ die Homepage einer
Computerfirma.
Mitglieder von Hackergruppe enttarnt: Lulzsec ist nicht mehr Anonymous
Mit der Verhaftung mehrerer Aktivisten scheint die Anonymous-Gruppe
„Lulzsec“ am Ende. Aufgeflogen ist sie durch szeneinterne Feindschaften und
Illoyalitäten.
Cole Stryker über Anonymous: „Spaßmacher, die beschämen wollen“
Anonymous sorgt weltweit für Schlagzeilen. Die Ursprünge liegen in der
Website 4Chan.org. Der Autor Cole Stryker über Meme, „Hacktivisten“ und
epische Siege.
Razzien gegen Anonymous-Aktivisten: Fallende Masken
In Spanien und Chile hat die Polizei 25 mutmaßliche Anonymous-Aktivisten
festgenommen. Sie sollen die Infrastruktur von Anonymous verwaltet und
Regierungs-Websites lahmgelegt haben.
Aus "Le Monde diplomatique": Netzrebellen greifen an
Netzaktivisten stellen die Machenschaften von Konzernen, autoritären
Regimen oder übergriffigen Polizeidienern bloß. Wer ist und was will
Anonymous?
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.