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# taz.de -- Entscheidung des Bundesozialgerichts: Potenz bleibt Frage des Geldb…
> Krankenkassen müssen Behinderten keine Pillen wie Viagra finanzieren,
> sagt das Bundessozialgericht. Ein „erreichbares Höchstmaß an Gesundheit“
> sei nicht einklagbar.
Bild: Von der Kostenerstattung ausdrücklich ausgeschlossen: Mittel zur „Anre…
BRAUNSCHWEIG taz | Behinderte mit Erektionsstörungen haben keinen Anspruch
darauf, dass Kassen ihnen Arzneimittel wie Cialis oder Viagra finanzieren.
Das Bundessozialgericht (BSG) lehnte am Dienstag die Klage eines Mannes ab,
der an multipler Sklerose (MS) leidet. Auch völker- und
verfassungsrechtliche Bestimmungen zum Schutz von Behinderten konnten das
Gericht nicht umstimmen.
Der Kläger ist 1961 geboren und lebt in Schleswig-Holstein. Aufgrund seiner
MS-Erkrankung hat er Erektionsstörungen („erektile Dysfunktion“). Als
Gegenmittel kaufte er sich – zunächst auf eigene Kosten – das Medikament
Cialis, das ähnlich wirkt wie Viagra und bei sexueller Stimulation eine
Erektion ermöglicht. Die Kasse verweigerte die Bezahlung.
Aufgrund der Gesundheitsreform von 2004 werden Arzneimittel, „die
überwiegend zur Behandlung der erektilen Dysfunktion“ dienen, nicht mehr
bezahlt. Sie gelten laut Sozialgesetzbuch (SGB V) als Mittel, bei „denen
eine Erhöhung der Lebensqualität im Vordergrund steht“. Ausgeschlossen sind
von der Erstattung auch Arzneimittel zur „Anreizung sowie Steigerung der
sexuellen Potenz“, zur „Raucherentwöhnung“, „zur Abmagerung oder Züge…
des Appetits“ oder „zur Verbesserung des Haarwuchses“.
Das Bundessozialgericht hatte in einem Grundsatzurteil bereits 2006
entschieden, dass der Leistungsausschluss für so genannte
„Lifestyle“-Medikamente mit dem Grundgesetz vereinbar sei. Das Staat müsse
zwar das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit schützen. Es sei
aber nicht zu beanstanden, wenn er angesichts begrenzter Mittel der
Krankenversicherung solche Medikamente von der Erstattungspflicht ausnimmt,
die jenseits lebensbedrohlicher Zustände vor allem eine Steigerung der
Lebensqualität bezwecken.
## Kläger berief sich auf UN-Konvention
Der Mann aus Schleswig-Holstein berief sich nun aber auf seinen Status als
Behinderter, das Grundgesetz und die „UN-Konvention über die Rechte von
Menschen mit Behinderungen“. Er dürfe nicht diskriminiert werden.
Sozialrechtsexperten rechneten im Vorfeld mit großem Anpassungsbedarf für
den Gesetzgeber, falls die Klage erfolgreich gewesen wäre. Sie war es
jedoch nicht. Der gesetzliche Leistungsausschluss für Potenzmittel verstoße
nicht gegen höheres Recht.
Die Vorschrift der UN-Konvention, wonach Behinderte ein Recht auf das
„erreichbare Höchstmaß an Gesundheit“ haben, sei in Deutschland nicht
gerichtlich einklagbar, so das BSG. Sie sei nicht ausreichend bestimmt und
müsse vom Gesetzgeber erst noch konkretisiert werden. Das gleiche gelte für
den Anspruch auf Leistungen, durch „die weitere Behinderungen möglichst
gering gehalten oder vermieden werden sollen“, so die Richter.
Für unmittelbar einklagbar hielten die Richter aber das Konventionsverbot
zur Diskriminierung von Behinderten. Es gehe allerdings nicht weiter als
das ohnehin im Grundgesetz enthaltene Diskriminierungsverbot: „Niemand darf
wegen seiner Behinderung benachteiligt werden“.
Der Ausschluss von Potenzmitteln von der Kassenbezahlung knüpfe aber nicht
gezielt an die Behinderung an. Deshalb liege keine Diskriminierung von
Behinderten vor. Soweit auch Behinderte betroffen sind, liege dies noch im
„Gestaltungsspielraum“ des Gesetzgebers, entschied das Bundessozialgericht.
Der Spielraum sei bei der Behandlung von Medikamenten, die vor allem der
Steigerung der Lebensqualität dienen, sogar besonders groß, weil „der
Übergang zwischen krankhaften und nicht krankhaften Zuständen“ stark von
den subjektiven Gefühlen der Versicherten abhänge.
6 Mar 2012
## AUTOREN
Christian Rath
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