# taz.de -- Krankenkassen lassen Beiträge eintreiben: Wenn die Kasse den Zoll … | |
> Tausende Nichtzahler reißen ein Milliardenloch in die Finanzen der | |
> Krankenkassen – vor allem Selbständige können sich die Beiträge oft nicht | |
> leisten. Nun lassen die Kassen die Beiträge eintreiben. | |
Bild: Die Zahl der Nichtzahler steigt. | |
BERLIN dpa | Die gesetzlichen Krankenkassen lassen immer häufiger | |
ausstehende Beiträge eintreiben. Die Zahl entsprechender Fälle hat sich | |
2011 binnen eines Jahres deutlich erhöht. Für Verbraucherschützer sind die | |
Schulden vieler Versicherter bei ihren Krankenkassen ein soziales Problem. | |
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) fordert Erleichterungen für die | |
vielfach betroffenen Kleinselbstständigen. | |
Die bundesweit tätigen Krankenkassen haben 2011 nicht gezahlte Beiträge in | |
rund 1,6 Millionen Fällen zur Vollstreckung an die zuständigen | |
Hauptzollämter übermittelt, teilte das Bundesfinanzministerium mit. Im Jahr | |
2010 waren es noch 1,3 Millionen Fälle. | |
Der dem Finanzressort unterstehende Zoll ist als Inkassostelle des Bundes | |
und anderer öffentlich-rechtlicher Einrichtungen dafür zuständig. „Die | |
Zahlen lassen zumindest tendenziell den Schluss zu, dass die | |
bundesunmittelbaren Krankenkassen vermehrt rückständige Beiträge zur | |
Vollstreckung an die Hauptzollämter abgeben“, teilte ein | |
Ministeriumssprecher mit. | |
Die Expertin für Krankenversicherte in Finanznot der Verbraucherzentrale | |
Berlin, Dörte Elß, sagte: „Schulden von einigen tausend Euro kommen häufig | |
vor.“ Die Verschuldung bei der Krankenkasse könne auch Ursache für eine | |
Privatinsolvenz sein. „Wir brauchen bezahlbaren | |
Krankenversicherungsschutz“, forderte Elß. „Etwa bei Kleinselbstständigen | |
haben wir hier ein echtes gesellschaftliches Problem.“ | |
DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach sagte: „Selbstständige sollten, | |
wie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch, Beiträge nach ihren | |
tatsächlichen Einkünften zahlen.“ Heute gelten pauschale Mindestbeiträge | |
für Selbstständige, die freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung | |
(GKV) sind. | |
## „Zweigeteiltes“ Versicherungssystem | |
Für die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Birgitt | |
Bender, steckt hinter dem Problem ein grundsätzlicher Systemfehler der | |
Krankenversicherung in Deutschland. „Mindestbeiträge und | |
Zugangsbeschränkungen für Selbstständige in der GKV sind der Preis für die | |
Zweiteilung unseres Krankenversicherungssystems.“ | |
Würden sie abgeschafft, würden Selbstständige mit geringen Einkommen und | |
hohen Krankheitsrisiken sich durch die Bank für die GKV entscheiden, alle | |
anderen weiter für die private Krankenversicherung (PKV). Bender warb | |
dafür, alle Selbstständigen in die GKV einzubeziehen. | |
Bereits vor einer Woche war bekanntgeworden, dass Hunderttausende | |
Nichtzahler bei den Krankenkassen ein immer größeres Milliardenloch reißen. | |
In der GKV gibt es nach den jüngsten Zahlen vom Februar einen Rückstand von | |
1,53 Milliarden Euro. Seit dem Stand von 1,04 Milliarden Euro ein Jahr | |
zuvor war er kontinuierlich größer geworden. | |
Die Zahl der Nichtzahler war gestiegen, nachdem die Versicherungspflicht | |
eingeführt wurde – 2007 für die GKV, 2009 für die PKV. Zuvor hatte ein | |
Anstieg bei den Bürgern ohne jede Krankenversicherung die Politik in | |
Alarmstimmung versetzt. | |
23 Apr 2012 | |
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