# taz.de -- Biathlon-WM: Eiskalt am Abzug | |
> Das Einzelrennen gewinnt ein Kroate für Slowenien. Jakov Fak drückt mit | |
> einem Finger ab, der ihm wegen Erfrierungen beinahe hätte amputiert | |
> werden müssen. | |
Bild: Hat mit der Kälte ein persönliches Problem: Jakov Fak, Weltmeister übe… | |
RUHPOLDING taz | Bei Skitechnikern, Organisatoren und Athleten hat der | |
späte WM-Termin, den die Biathleten diesmal verpasst bekamen, schon für | |
reichlich Ärger gesorgt. Die Wachsspezialisten der Teams mussten wegen der | |
von der Spätwintersonne arg aufgeweichten Strecke Nachtschichten schieben – | |
und die Ruhpoldinger Gastgeber an den neuralgischen Stellen des WM-Kurses | |
säckeweise Brezn-Salz verstreuen, um den seifigen Untergrund zumindest | |
vorübergehend etwas fester zu machen. | |
Protagonisten wie Magdalena Neuner beklagten dazu das mühsame | |
„Tiefschneefahren“ – für Jakov Fak dagegen, den Weltmeister im Einzelren… | |
über 20 Kilometer vom Dienstag, sind die oberbayerischen Plusgrade eine | |
wahre Wohltat. Denn mit Kälte hat der Skijäger aus der kroatischen | |
Hafenstadt Rijeka ein persönliches Problem. Dabei hat Faks Frostphobie | |
weniger mit seiner Herkunft von der Mittelmeerküste zu tun als mit einem | |
berufsbedingten Ausflug in die Vereinigten Staaten im vergangenen Winter. | |
Auf der ständigen Suche ihres Weltverbands nach neuen Märkten, verschlug es | |
die Biathleten da an die Wettkampforte Presque Isle und Fort Kent im Osten | |
der USA. Und für Jakov Fak wurde der Trip in die Staaten zum Albtraum: Im | |
amerikanischen Februarfrost zog er sich an dem Finger, mit dem er | |
normalerweise abdrückt, Erfrierungen dritten Grades zu. | |
Der Olympia-Dritte im Sprint von 2010 musste nicht nur die WM im | |
sibirischen Khanty-Mansiysk sausen lassen, die Fortsetzung seiner ganzen | |
Karriere stand auf der Kippe. Faks Zeigefinger, der nach dem Drama in den | |
USA in einer speziellen Druckkammer im slowenischen Ljubljana Stück für | |
Stück wieder aufgetaut wurde, drohte die Amputation. | |
## Glück im Unglück | |
Doch der 24 Jahre alte Student, der in den Bergen östlich von Rijeka lebt, | |
hatte Glück im Unglück und konnte seinen Finger behalten. Doch seitdem ist | |
Fak extrem vorsichtig. In der zweiten Februarwoche ließ er den Weltcup in | |
Finnlands eisigem Kontiolahti aus. „Das Risiko ist mir dann zu groß“, sagt | |
Fak – denn: „Im letzten Jahr sah es nicht so gut aus. Ich dachte, das sei | |
das Ende meiner Karriere.“ | |
Aber er konnte weitermachen mit der Skijägerei, und am Dienstag hätte er | |
sich nun am liebsten seinen Zeigefinger vergolden lassen: 19 von 20 Schuss | |
setzte Fak beim Männer-Einzel ins Schwarze und stürmte die letzten 900 | |
Meter zudem in einem derart erstaunlichen Tempo dem Ziel entgegen, dass er | |
dabei 11,8 Sekunden auf den Franzosen Simon Fourcade wettmachte und völlig | |
unerwartet WM-Gold ergatterte. | |
Nach der Silbermedaille mit der slowenischen Mixed-Staffel zum Auftakt der | |
Weltmeisterschaften, wo er als Schlussläufer komplett fehlerfrei geblieben | |
war, packte Fak damit bereits sein zweites Edelmetall im Chiemgau ein – und | |
meinte nach vollbrachter Tat selbstverliebt: „Die beiden Rennen haben | |
gezeigt, dass ich ein bisschen Talent habe.“ | |
Dem slowenischen Verband war die Begabung des gebürtigen Kroaten nach den | |
Olympischen Spielen in Vancouver sogar eine – im Biathlon ansonsten | |
unübliche – Ablösesumme wert. Die Rede war von 100.000 Euro – und das | |
Theater zwischen Kroaten und Slowenen, für die Fak wegen der besseren | |
Bedingungen und der größeren Trainingsgruppe starten wollte, endete erst im | |
November des vorvergangenen Jahres. Seitdem darf Fak für das slowenische | |
Team starten. | |
## Perfektes Rennen im Ruhpoldinger Schnee | |
40.000 Euro sollen die Slowenen dem Nachbarverband am Ende überwiesen | |
haben, dazu wurden Vergünstigungen bei Trainingsmaßnahmen der kroatischen | |
Biathleten und kostenlose Aufenthalte am slowenischen Weltcup-Standort | |
Pokljuka vereinbart. Alle waren zufrieden, doch am glücklichsten war Jakov | |
Fak selbst – 16 Monate nach dem Deal. | |
Über seinen einen Fehler beim letzten Schießen im Einzel sei er zwar, | |
betonte der frühere Langläufer, „wirklich ärgerlich“ gewesen – wollte … | |
doch „ein perfektes Rennen“ in den Ruhpoldinger Schnee legen. | |
Zu WM-Gold kam der Mann, der seit seinem Einstieg in den Biathlonsport vor | |
zwölf Jahren zuvor kein einziges Weltcuprennen gewonnen hatte, aber auch | |
mit einem nicht ganz perfekten Auftritt. Der entscheidende Grund für seinen | |
Sieg? „Mein gutes Tempo über das ganze Rennen hinweg“, erklärte Jakov Fak, | |
der Weltmeister mit der Vorliebe für warmes Wetter. | |
7 Mar 2012 | |
## AUTOREN | |
Andreas Morbach | |
## TAGS | |
Biathlon | |
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