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# taz.de -- Atomkraft in Berlin: Reaktor wird wieder hochgefahren
> Es gebe keine Bedenken, den Forschungsreaktor am Wannsee wieder in
> Betrieb zu nehmen, so Staatssekretär Gaebler - dies geschieht nun
> womöglich noch diesen Monat.
Bild: Der Reaktor in Wannsee war auf Stand-by. Jetzt darf er wieder Atommüll p…
Der Forschungsreaktor in Wannsee steht kurz vor der Wiederinbetriebnahme.
Der Senat sehe sowohl aus atomrechtlicher Sicht als auch bezüglich der
Sicherheit keinen Grund, den Betrieb zu untersagen, so Staatssekretär
Christian Gaebler (SPD) gestern im Umweltausschuss des Abgeordnetenhauses.
Die Entscheidung über die Inbetriebnahme liegt nun allein beim Betreiber,
dem Helmholtz-Zentrum. Die Berliner Grünen halten das Wiederanschalten für
verfrüht und sprechen von einem Skandal.
## Stresstest für den Reaktor
Fast drei Stunden dauerte die Sitzung am Mittwoch, im Mittelpunkt stand der
Antrag der Grünen über eine Nachbesserung des Stresstests für den
Forschungsreaktor BER II. Die Anlage ist seit Oktober 2010 wegen
Umbaumaßnahmen außer Betrieb. Die Grünen halten es für problematisch, dass
der TÜV Rheinland im Auftrag der Senatsverwaltung den Stresstest
durchgeführt hat – er sei bereits an dessen Genehmigung beteiligt gewesen.
Sie fordern deshalb eine unabhängige Klärung der Risiken. Solange dies
dauere, solle BER II nicht wieder in Betrieb genommen werden. „Wir haben
hier zwar kein Atomkraftwerk, aber vom Forschungsreaktor geht trotzdem ein
Risiko aus“, warnte Felicitas Kubala, umweltpolitische Sprecherin der
Grünen: „Er befindet sich mitten in einem Wohngebiet.“
Unterstützt wurde die Forderung gleich von mehreren Experten, die zur
Sitzung geladen waren. So sagte etwa Alf Jarosch vom Anti-Atom-Bündnis
Berlin, dass im Falle einer Kernschmelze nach einem Unfall rund 10 Prozent
der Radioaktivität freigesetzt werden könnte, die vergangenes Jahr in
Fukushima anfiel.
## Kein Schutz vor Flugzeugen
Der Physiker Wolfgang Liebert von der Technischen Universität Darmstadt
hält das Schutzkonzept von BER II für veraltet. Der Reaktor, so Liebert,
wäre heute nicht mehr genehmigungsfähig. Zudem gebe es in Wannsee, anders
als etwa beim Forschungsreaktor Garching bei München, keinen Schutz vor
Flugzeugabstürzen. Eine Schließung des Forschungsreaktors in Wannsee, so
Wolfgang Liebert, bedeute nicht zwangsweise das Ende der Neutronenforschung
in Berlin, für die der Reaktor vor allem genutzt wird.
Für Experimente könnten Physiker auch Alternativstandorte wie Garching oder
Grenoble nutzen. Zudem werde derzeit im schwedischen Lund ein neuer
Standort errichtet, der auch vom Helmholtz-Zentrum unterstützt werde. Wenn
bei BER II doch etwas schiefgehe, könne dies dramatische Folgen sowohl für
die Bevölkerung als auch für die Wissenschaft haben: „Man könnte auch
fragen: Gibt es hier nicht eine strukturelle Verantwortungslosigkeit der
Physiker?“, fragte Liebert.
Das Helmholtz-Zentrum als Betreiber des Forschungsreaktors sieht die Dinge
anders. Geschäftsführerin Anke Kaysser-Pyzalla verwies auf die
Einzigartigkeit der Anlage, die jährlich von Wissenschaftlern aus der
ganzen Welt für Neutronenforschung genutzt werde. Zudem sei zuletzt viel
Geld in neue Instrumente investiert worden. „Die Wissenschaftler brennen
darauf, diese für ihre Experimente zu nutzen“, sagte Kaysser-Pyzalla.
Staatssekretär Gaebler sagte, die Entscheidung über die
Wiederinbetriebnahme „liegt nun beim Betreiber.“ Insofern kann nun alles
sehr schnell gehen. Ina Helms vom Helmholtz-Zentrum sagte der taz, dass die
Inbetriebnahme erfolgen werde, sobald die letzten Umbauten vom TÜV
abgenommen worden seien. Sie hoffe darauf, dass dies noch im Monat März
geschehe, sagte Helms.
Die umweltpolitische Sprecherin der Grünen, Felicitas Kubala, findet die
bevorstehende Inbetriebnahme „skandalös“: Die Senatsverwaltung warte noch
nicht einmal das Urteil der Reaktorsicherheitskommission (RSK) ab, die sich
im Auftrag der Bundesregierung auch mit den Risiken der drei deutschen
Forschungsreaktoren beschäftigt. Das Urteil wird in den kommenden Monaten
erwartet. Zudem kritisierte Kubala, dass es statt eines Flugverbotes nur
eine Flugbeschränkungszone geben werde. Auch Liebert zeigte sich erstaunt
über die Haltung des Senats. Er wisse zwar nicht, ob eine dauerhafte
Abschaltung von BER II nötig sei. Aber es wäre sinnvoll, zunächst die
Einschätzungen der RSK abzuwarten. „Aber die Haltung des Senats ist wohl
eher: Augen zu und durch.“
7 Mar 2012
## AUTOREN
Johannes Kulms
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