Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Lionel Messi gegen Leverkusen: Die Superlative gehen aus
> Der schüchterne Argentinier schreibt Fußballgeschichte: Fünf Tore sind
> Rekord in der Champions League. Die Mannschaft aus Leverkusen erlebte
> einen Albtraum.
Bild: Ein einfacher, schüchterner Junge außerhalb des Rasens, galaktisch auf …
BARCELONA taz | Schon während des Spiels waren Salven seines Namens durch
Camp Nou gehallt, wenn er wieder neuen Schabernack mit Ball und den
gegnerischen Slalomstangen veranstaltet hatte. Immer wieder waren Jauchzer
des Glücks zu hören, als sei die heilige Virgen del Futból mit blutenden
Tränen in der fünfstöckigen Fußballkathedrale erschienen.
Jetzt, nach dem Schlusspfiff, erhoben sich die gut 75.000 Menschen,
darunter auch manche der 4.000 Leverkusener Fußballtouristen. Sie
verneigten sich vor jenem kleinen Mann, der soeben sein nächstes Kapitel
Fußballgeschichte geschrieben hatte.
Lionel Messi, der Adressat der Huldigungen, ging derweil in aller
Seelenruhe zum Spielertunnel, das bekannt schüchterne Lächeln im Gesicht,
und tippte den Spielball vor sich her, als habe er noch eine wichtige
Verabredung mit ein paar Kumpels auf dem Bolzplatz. Sein Trikot behielt er
diesmal an, das bekam nicht mal Rudi Völler. Bayers Sportchef war nach dem
Hinspiel (1:3) so empört gewesen, weil sich seine Kicker um Messis Leibchen
gestritten hatten.
Lionel Messi hatte sogar eine Torchance vergeben. Zu Beginn war das, als
Leverkusens Bernd Leno noch ernsthaft seinem Beruf als Profitorwart
nachgegangen war. Messi waren sogar sechs fehlerhafte Pässe unterlaufen,
und einmal hatte er sich verdribbelt. Vielleicht ist der Viertelfinaleinzug
von Nikosia sportlich die größere Sensation als fünf Tore gegen Bayers
erbärmliche Thekenmannschaft, über die ganz Europa lacht.
Fünf Tore in einem Champions-League-Match sind Rekord. Das schaffte noch
keiner. Zwölfmal hat Messi in dieser Saison getroffen: eigene Bestmarke
eingestellt – aber wir stehen erst vor dem Viertelfinale. Und
wahrscheinlich hat noch kein Spieler in einem Spiel je ein Tor mit rechts
und links gelupft – und das jeweils fast aus dem Stand.
## Keine Anekdoten, keine Skandale
Sein Trainer Pep Guardiola versuchte ihn („Er ist ein Geschenk,
einzigartig“) mit Maradona, Pelé und anderen weltlich Altvorderen zu
vergleichen. Alles hinkt: Messi ist Messi. Robin Dutt, der Verantwortliche
für Bayers blutleere Performance, lächelte: „Zu Messi gibt es kaum noch
Worte.“ Er versuchte es mit: „wie aus einer anderen Galaxie“. Mundo
Deportivo fand den Begriff „estratosférico“ – stratosphärisch, und dank…
knackig: „Ave Messi“. Galaktisch war gestern, klingt außerdem zu sehr nach
Real Madrid.
Lionel Messi, 24, ist der einfache Junge aus einfachen Verhältnissen im
argentinischen Rosario, der nur das Spiel spielen will. Es gibt über die
169 Zentimeter Fußballgenialität keine Geschichten, keine Anekdoten,
Skandale erst recht nicht. Er sagt nur kurze freundliche Dinge wie „das war
schön“ oder „wir sind sehr glücklich“.
Am Mittwoch lauerte dem dreifachen Weltfußballer (2009–2011) eine TV-Kamera
auf: „Wichtig ist, wie wir es als Team gemacht haben“, meinte Messi und
entschwand. Der Fantast Antoni Gaudí hat in Barcelona den wahnsinnigsten
Kirchenbau der Welt begonnen, die „Sagrada Familia“. Messi scheint das
surreale Oeuvre auf dem Platz virtuell vollenden zu wollen, mit seinem
Instinkt, blitzschnell neue, nicht existente Räume aufzuspüren und ebenso
laserschnell wie gaudianisch verspielt zu nutzen.
## Lektion in Demut
Bayers Staffage-Ensemble erlebte „einen Albtraum“, so Kapitän Simon Rolfes.
Der gestrige Rudi Völler hätte sich gewünscht, an den 90 Minuten
ungefoulten Messi „mit mehr Schmackes ranzugehen“. Dabei hatten die
Wehrlosen vom Rhein durchaus gute Phasen, in der Halbzeit etwa, als sich
das Ersatzpersonal auf dem Platz den Ball zuspielte. Keine 20 Minuten
später stand es nach 2:0 schon 6:0.
Der Niemeister hatte lernen wollen in Camp Nou. Sie lernten: staunen,
hinterherhecheln, Schwindelgefühle aushalten, Vergeblichkeit. Solche
Sachen. Höchstes Glück: gefoult werden. Das bedeutete: Man hatte mal den
Ball. Ansonsten gab es vor allem Lektionen in Demut. Aber: Hatte nicht
dieses komische Lebberkusen, wie es im Spanischen klingt, neulich noch den
FC Bayern besiegt?
Gegen Mitternacht schloss sich Barças Kabinentrakt. Wo ist Leo, wie sie
hier ihren Lionel nennen, wollten alle wissen. „Längst zu Hause“, hieß es.
Hinterausgang. Wahrscheinlich war er mit den Balljungen aus dem Stadion
geschlendert und kuschelte sich schon in eine traumreiche Nacht. Nur, wovon
sollte der Stratosphärische eigentlich noch geträumt haben?
8 Mar 2012
## AUTOREN
Bernd Müllender
## TAGS
Gerd Müller
## ARTIKEL ZUM THEMA
Messi bricht Gerd Müllers Torrekord: „Auf, roll reini!“
Lionel Messi hat einen Rekord von Gerd Müller gebrochen. Egal. Das deutsche
Genie mit seinem kleinbürgerlichen Kunstsinn bleibt unerreichbar.
Robin Dutt in Leverkusen gefeuert: Das Alibi muss gehen
Bayer Leverkusen hat sich von Trainer Robin Dutt getrennt. Die Nachfolge
treten Ex-Profi Sami Hyypiä und U-19-Coach Sascha Lewandowski an.
Rekordspieler Lionel Messi: Die Schule des Genies
Lionel Messi ist seit Dienstag der erfolgreichste Torschütze in der
Geschichte des FC Barcelona. Dabei ist er noch lange nicht am Ende seiner
Karriere.
Champions League: Barca 7, Messi 5, Bayer 1
Mit einem brillanten Kantersieg hat Barcelona gegen Bayer Leverkusen 7:1
gewonnen. Lionel Messi alleine schoss in dem Champions-League-Spiel gleich
fünf Tore.
Champions League: Kein Wunder für Arsenal
Fast hätte es Arsenal geschafft, doch am Ende half auch der 3:0-Sieg gegen
AC Mailand nicht: Das Team flog im Achtelfinale aus der Champions League.
Leverkusen in der Champions League: In diesem Leben wohl nicht mehr
Im Prinzip war es gar nicht so schlimm. Doch nach der Niederlage gegen
Barcelona erklärt der Filigranpädagoge Robin Dutt seinen Spielern, wo sie
wirklich stehen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.