| # taz.de -- Ortstermin Wulffs Zapfenstreich: Ende Wut, alles gut | |
| > Am Ende war Christian Wulff wieder ein Präsident der Bürger. Zu seinem | |
| > Abschied kamen jedenfalls viele und gestalteten den Abend musikalisch | |
| > mit. | |
| Bild: Abgefackelt: Ex-Bundespräsident Christian Wulff nebst Kollegen in Amt un… | |
| Als der Soldat des Bundeswehr-Orchesters vor Beginn des großen | |
| Zapfenstreiches die Sesamstraßenmelodie trötete, um zu schauen, ob auch | |
| Töne aus seinem Instrument kommen, war die Welt vor Schloss Bellevue noch | |
| in Ordnung. Auf dem Plan stand für ihn und seine Kolleginnen und Kollegen | |
| mal wieder ein großer Zapfenstreich. Man ist mittlerweile geübt in der | |
| Zeremonie, so oft wechselten zuletzt Verteidigungsminister und | |
| Bundespräsidenten. | |
| Sesamstraße, es hätte das Motto werden können für einen Zapfenstreich, der | |
| einem Präsidenten Ehre erweisen konnte, die er verspielt hatte. Und dann | |
| wurde es doch ganz anders. Die Veranstaltung wurde skurril, manchmal | |
| erschien sie bedrückend. Und doch verlief sie am Ende ganz im Sinne des | |
| Bundespräsidenten Christian Wulff. | |
| Ein Zapfenstreich folgt einer klaren Anordnung, sie erinnert an ein | |
| Theater. Am Donnerstagabend war die Bühne ein kleines rotes Podest, auf dem | |
| der scheidende Christian Wulff zusammen mit seinem Vertreter Horst | |
| Seehofer, Verteidiungsminister Thomas de Maizière und | |
| Bundeswehrgeneralinspekteur Volker Wieker seinen Platz fand – beleuchtet | |
| von einem mächtigen nordwärts ausgerichteten Strahler. Links vor der Bühne | |
| waren die zweihundert Plätze im Parkett zu finden, in denen sich unter | |
| anderem Wulffs Frau Bettina und die geladenen Gäste niederließen. | |
| Dahinter, schon mit schlechterer Sicht, auf dem Seitenrang: die | |
| Medienvertreter. Der einzige Logenplatz war mühevoll montiert, er gehörte | |
| dem live übertragenden Fernsehen. Stehplätze mit guter Sicht, zwischen Loge | |
| und Parkett, hatten die ehemaligen Mitarbeiter Wulffs aus dem | |
| Bundespräsidialamt. Schließlich das perfekte Bühnenbild: Dunkelblauer | |
| Himmel über einem orange erleuchteten Schloss. | |
| ## Pfeifen und Trällern | |
| Der Einlass folgte einer strengen Hierarchie: Zunächst der Seitenrang und | |
| die Stehplätze, am Ende das Parkett, dann die Darsteller. Dass gerade Peter | |
| Hintze, Christian Wulffs letzter Verteidiger, als erster aus dem Schloss | |
| nach draußen trat, hatte eine gewisse Symbolkraft. Hintze suchte seinen | |
| Platz in der ersten Reihe, fand ihn aber nicht. Er nahm später einige | |
| Reihen weiter hinten seinen Platz ein. Zu diesem Zeitpunkt war noch nicht | |
| abzusehen, dass die eigentlich eher mäßigen Plätze auf dem Seitenrang bald | |
| mitten ins Geschehen rücken würden. | |
| Denn das vor der Veranstaltung leise zu hörende Pfeifen und Trällern wurde | |
| mit dem Erscheinen der ersten Fackeln lauter, es übertönte später die | |
| Kommandos, selbst die Musik war zum Teil schwer zu hören. In Sichtweite | |
| hatten sich Protestierende versammelt, an der Spree patroullierten | |
| Polizisten, leuchteten die Szenerie aus. | |
| Das Bild war kurios: Auf der einen Seite das Theaterschauspiel. Ein | |
| Orchester, das spielte; bürgerliches Publikum, das im Parkett lauschte. Auf | |
| der anderen Seite das nicht ins Schloss eingelassene Volk, das gegen das | |
| Schauspiel protestierte und so Teil des ganzen wurde. Als die deutsche | |
| Nationalhymne spielte, riefen die draußen stehenden: „Schande, schande, | |
| schande.“ | |
| Natürlich wäre dies entwürdigend für jeden gewesen, der auf der Bühne | |
| gestanden hatte. Aber die Proteste hatten eine gute Seite. Im Internet | |
| hatte sich der Protest über die sozialen Netzwerke zusammen gefunden. Es | |
| war ein Flashmob, aber er war ein politisch und engagiert. Da protestierten | |
| Bürgerinnen und Bürger mit Vuvuzelas und Pfeifen nicht nur gegen die Person | |
| Christian Wulff. Sondern eben auch gegen verstaubte Staatsstrukturen, gegen | |
| die Verschwendung von Steuergeldern und letztlich auch für eine sauberere | |
| Politik. | |
| Bevor Christian Wulff an diesem Abend nach draußen trat, hielt er zu seinem | |
| Abschied vor den geladenen Gästen bei einen Empfang eine kurze Rede. „Mein | |
| erster Dank“, sagte Wulff „gilt allen Bürgerinnen und Bürgern in unserer … | |
| aktiven Bürgergesellschaft“. Die Bürgergesellschaft hat sich an diesem | |
| Abend bewiesen. Friedlich, mit Tröten. Es war ein versöhnliches Ende der | |
| nicht ohne Grund kürzesten Amtszeit eines deutschen Bundespräsidenten. | |
| 9 Mar 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Gordon Repinski | |
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