# taz.de -- Hertha-Manager Michael Preetz: Berliner auf Bewährung | |
> In zweieinhalb Jahren hat Michael Preetz vier Trainer verschlissen. | |
> Steigt der Klub im Sommer ab, wird auch der 44-Jährige gehen müssen. | |
Bild: Erster im Jubeln: Michael Preetz (r.). | |
Auf den ersten Blick ist es nur eine Momentaufnahme. Ein Foto, das nach dem | |
Heimsieg gegen Werder Bremen die Freude auf der Bank von Hertha BSC | |
festhält: Unmittelbar nach dem Schlusspfiff schnellt Manager Michael Preetz | |
in die Luft, beide Fäuste hochgereckt, den Mund weit aufgerissen für den | |
Jubelschrei – während die nicht minder erfreuten Assistenztrainer Ante | |
Covic und René Tretschok noch nicht einmal ganz aufgestanden sind. Und | |
Trainer Otto Rehhagel? Der sitzt da seelenruhig mit geschlossenen Augen, | |
als wäre nichts Besonderes passiert. | |
Die Aufnahme ist weit mehr als nur das Abbild eines Augenblicks. Sie | |
veranschaulicht eine abstrakte Größe – sie zeigt, wie immens der Druck ist, | |
unter dem der 44-Jährige steht. Der Manager agiert auf Bewährung, die Frist | |
dauert noch drei Monate. Es gilt als ausgemacht, dass Preetz’ | |
Arbeitsverhältnis bei Hertha im Falle eines zweiten Abstiegs nach 2010 | |
aufgelöst wird. | |
Viel Spott musste Preetz in den vergangenen Wochen über sich ergehen | |
lassen, nachdem er den erst im Winter verpflichteten Trainer Michael Skibbe | |
nach sechs Niederlagen entließ. Die Sport-Bild kürte ihn zum schlechtesten | |
Manager der Bundesliga; der Grüne Jürgen Trittin fühlte sich bemüßigt, | |
Herthas Management als „suizidal veranlagt“ zu charakterisieren. | |
## Glaubhafte Beteuerungen | |
Es hat eine gewisse Tragik, dass der Mann, der bei seinem Amtsantritt vor | |
gut zweieinhalb Jahren damit geworben hat, für Kontinuität stehen zu | |
wollen, bereits vier Trainer verschlissen hat. Zumal man Preetz seine | |
Beteuerungen, dem Verein mehr Bodenständigkeit und Konstanz verleihen zu | |
wollen, durchaus abnahm. Aufregende Zeiten versprach sich keiner von dem | |
langjährigen Hertha-Stürmer, der sich sechs Jahre lang im Schatten seines | |
autokratischen Vorgängers Dieter Hoeneß still verhielt. Assistent der | |
Geschäftsführung nannte man ihn damals. Dass es diesen Posten heute bei | |
Hertha nicht mehr gibt, spricht für sich: Er war angestellt, um zu warten. | |
Weil er sich dem Verein, für den er zuvor sieben Jahre erfolgreich stürmte, | |
bei dem er Torschützenkönig und Nationalspieler wurde, derart verbunden | |
fühlte, dass er Jobangebote als Manager anderer Vereine ausschlug. | |
Als er Skibbe kürzlich nach nur sechswöchiger Amtszeit entließ, wurde | |
Preetz nach seiner Bereitschaft zu persönlichen Konsequenzen gefragt. Seine | |
Antwort: „Ich bin a) ein Kämpfer, der b) nicht wegläuft. Und c) macht es | |
auch nicht jeder, Fehler einzuräumen.“ Das mag etwas ungelenk klingen, aber | |
Preetz strukturiert seine Statements gerne so. Wenn er sich eine solche | |
Gliederung zurechtgelegt hat, bringt er sie gleich in mehreren Interviews | |
zur Anwendung. Preetz bemüht sich immer um Rationalität, Emotionen versucht | |
er zu verbergen – erst recht, wenn es eng wird. | |
Leicht fällt ihm das nicht. In seinem ersten Managerjahr, als er gleich | |
Herthas Abstieg mitzuverantworten hatte, zog er sich nach Niederlagen gern | |
zurück. In den vergangenen Wochen war er nach Tiefschlägen zwar präsenter, | |
aber auch sehr dünnhäutig. Seine gereizten Reaktionen häuften sich. Mit der | |
Verpflichtung des 73-jährigen Otto Rehhagel, der bis Saisonende aus dem | |
Ruhestand reaktiviert wurde, um mit Charisma und Erfahrung den Abstieg | |
abzuwenden, hat sich Preetz aus der Schusslinie genommen – vorerst. | |
Genau genommen ist der gelernte Stürmer in einer ständigen | |
Verteidigungsposition, seit er mit Hilfe von Präsident Werner Gegenbauer | |
die sportliche Führung bei Hertha übernahm. Nachdem Hertha unter Hoeneß und | |
dem damaligen Trainer Lucien Favre 2009 bis kurz vor Saisonende um die | |
Meisterschaft mitspielte, musste Preetz hernach einen rigiden Sparkurs | |
umsetzen. Ursächlich dafür war auch das jahrelange finanzielle | |
Missmanagement von Hoeneß. Es folgte der Abstieg in Liga zwei. | |
Zum sofortigen Wiederaufstieg gab es dann aus finanzieller Sicht keine | |
Alternative, wie Preetz wusste. Erst als der im vergangenen Jahr gelang, | |
durfte der Leidgeprüfte für kurze Zeit die Sonnenseite des Geschäfts | |
genießen. Den großen Publikumszuspruch in der Zweiten Liga führte man auf | |
das zum Positiven gewendete Image des Vereins zurück, und das wiederum | |
wurde maßgeblich Preetz als Verdienst angerechnet. Die gute Stimmung hielt | |
bis in den Herbst hinein, Hertha schlug sich auch in der Bundesliga | |
passabel. Dann ramponierte Preetz das positive Image gemeinsam mit Markus | |
Babbel. Gegenseitig bezichtigten sie sich der Lüge – eine Schlammschlacht, | |
der noch vor der Winterpause die Trennung folgte. | |
Dennoch ist es überzogen, Preetz wenige Monate nach dem guten Erstligastart | |
generell die Tauglichkeit für das Bundesliga-Geschäft abzusprechen. Stabil | |
war das kleine Fundament, das er aufgebaut hat, indes nie, eine Linie | |
selten erkennbar. Die FAZ stellte vor einiger Zeit zu Recht fest, dass | |
Fußballtrainer kaum unterschiedlicher sein können als der von Preetz | |
entlassene Lucien Favre und die von ihm erst verpflichteten, dann in die | |
Wüste geschickten Friedhelm Funkel, Markus Babbel und Michael Skibbe. Mit | |
Otto Rehhagel ist nun ein Unikat hinzugekommen. | |
Auch wenn sich Rehhagel als richtige Wahl entpuppt und Hertha der | |
Klassenerhalt gelingt: Preetz wird weiter aus der Defensive agieren. Schon | |
jetzt muss er seinen sechsten Trainer suchen, mit dem er ab Sommer endlich | |
für Kontinuität bei Hertha sorgen will. Dann muss es passen. Kredit für | |
einen weiteren Fehlschuss hat der Manager nicht mehr. | |
10 Mar 2012 | |
## AUTOREN | |
Johannes Kopp | |
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