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# taz.de -- Bundesligaspiel Berlin-Wolfsburg: Hertha scheitert an sich selbst
> Die Mannschaft erarbeitet sich gegen Wolfsburg hochkarätige Chancen,
> verliert aber am Ende 1:4 - und bleibt auf dem vorletzten Tabellenplatz
Bild: War's das schon?
Aus der Ostkurve flogen den Hertha-Profis zwei Bierbecher samt Inhalt
entgegen. So entschlossen sich die Spieler kurzerhand, Abstand zu ihren
eigenen Fans zu halten: Sie klatschten ihnen aus der Ferne zu, während die
Beklatschten wiederum giftig zurückpfiffen.
Was nach der 1:4 Niederlage der Berliner gegen den VfL Wolfsburg nach einer
unversöhnlichen Beziehung aussah, war bis zur 77. Minute der Begegnung noch
eine harmonische Schicksalsgemeinschaft gewesen. So viele hochkarätige
Chancen wie an diesem Samstagabend hatten sich die Berliner wohl in noch
keinem Heimspiel dieser Bundesligasaison herausgespielt. Und auch nach dem
1:2-Pausenrückstand drängte das Team von Otto Rehhagel so vehement und
aussichtsreich auf das gegnerische Tor, dass die Fans eifrig ihre
Unterstützung verstärkten. Die Identifikation mit dem Team schien zu diesem
Zeitpunkt Jahreshöchstwerte zu erreichen.
## Schonungsloser Treffer
Doch als auf der Gegenseite der Kroate Mario Mandzukic schonungslos das
Manko der Hertha-Bemühungen vor Augen führte, indem er selbst aus einer
schwierigeren Position einen Treffer erzielte, schlug die Stimmung um. Für
einige hundert Zuschauer war es das Aufbruchsignal: Die
Schlussviertelstunde des Tabellenvorletzten wollten sie sich nicht mehr mit
ansehen. Bei den Verbliebenen hingegen stieg der Frust – die Niederlage
sowie das Verbleiben auf dem vorletzten Tabellenrang waren besiegelt.
Mandzukics Tor war der Knackpunkt – ein Moment, den man möglicherweise nach
dem letzten Spieltag als den einflussreichsten der Saison bezeichnen wird.
Mühelos war der Wolfsburger Stürmer dem Ersatzverteidiger Sebastian Neumann
enteilt und ließ mit einem präzisen Schuss aus spitzem Winkel Torwart
Thomas Kraft schlecht aussehen. Von da an ging nichts mehr. Nach dem
Schlusspfiff schüttelte Mandzukic mit geradezu mitfühlender Geste etliche
Hände der Herthaner, als wolle er sich bei jedem persönlich entschuldigen
für diese – nach Torchancen gerechnete – Ungerechtigkeit. Und weil
Wolfsburgs Patrick Helmes auch noch ein zweites Mal getroffen hatte, kam es
zu diesem kuriosen, aber zutreffenden Satz von Gästetrainer Felix Magath:
„Das 4:1 ist glücklich zustande gekommen.“
Die Berliner sagten hingegen erstmals in dieser Saison gar nichts mehr.
Wortlos trotteten sie an den Journalisten vorbei. Mandzukics Treffer hatte
sowohl einen Bruch in der Beziehung zu den Fans herbeigeführt als auch das
Selbstvertrauen der Hertha-Profis nachhaltig erschüttert. Manch gewaltigen
Tiefschlag hatten sie in der Vergangenheit bereits weggesteckt: Jüngst
ließen sie dem 0:6-Heimdebakel gegen Bayern München einen 3:1-Triumph in
Mainz folgen. Und nach der frühen Führung durch Levan Kobiashvili (13.)
gegen Wolfsburg hatte man den Eindruck, als ob dieses Mal das frisch
gewonnene Selbstvertrauen länger als für eine Partie vorhalten könnte. Ein
unglückliches Eigentor durch Christoph Janker leitete die Trendwende jedoch
wieder ein. Der auf der linken Seite von Ashkan Dejagah zum Narren
gehaltene Felix Bastians hatte großen Anteil daran und musste deshalb zur
Pause draußen bleiben.
Die Botschaft dieses Spiels war eine besonders bittere: Auch wenn es nach
vorne gut läuft und der Gegner den Berliner obendrein noch in die Karten
spielt, indem er durch eine permanent hochstehende Abwehr die dynamischen
Angreifer Adrian Ramos und Pierre-Michel Lasogga zu Großchancen verhilft,
ist das Team mental so labil, dass jederzeit eine schmerzhafte Niederlage
droht. Diese Erkenntnis dürfte noch schwerer verdaulich sein als die Pleite
gegen die Bayern. Warum Ramos im Alleingang auf das Tor den Ball bereits
hastig aus der Distanz versemmelte, bleibt genauso ein Rätsel wie der
Fehlschuss des freistehenden Lasogga nur wenige Meter vor dem Tor. Der
Entlastungsversuch von Otto Rehhagel („Er hat es ja nicht mit Absicht
gemacht“) wirkte dabei recht hilflos. Ebenso seine Empfehlung: „Wir dürfen
jetzt keine Schuldzuweisungen machen. Es geht ja weiter. Wir sind alle
aufeinander angewiesen.“
## Trauma-Arbeit
Bei Hertha steht in den nächsten Tagen wohl weniger der Fußball als die
Trauma-Arbeit im Mittelpunkt. Das wurde spätestens klar, als Rehhagel
gefragt wurde, wie er mit der entstandenen Situation umzugehen gedenke. Er
sagte: „Wir müssen die nächsten Tage dazu nutzen, uns wieder aufzubauen, um
wieder hundertprozentig da zu sein – nervlich vor allem.“
1 Apr 2012
## AUTOREN
Johannes Kopp
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