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# taz.de -- Das Bild der Kanzlerin im Ausland: Na, wie bin ich?
> In der Eurokrise ist die weltpolitische Bedeutung von Angela Merkel
> gestiegen. Wie aber wird die Kanzlerin im Ausland wahrgenommen? Drei
> Sichtweisen.
Bild: Die Kanzlerin im Profil.
## USA: Beeindruckend uninteressant
Wie wir Amerikaner Maggie Thatcher vermissen! Ob man sie liebte oder hasste
– und die Amerikaner taten beides –, die ehemalige britische
Premierministerin war immer interessant. In den USA, wo sich die
Bevölkerung wenig für ausländische Politiker interessiert, wurde ihr nun
das größtmögliche Kompliment gemacht: Hollywood verfilmte ihr Leben.
Von all den Frauen, die an die Spitze der internationalen Politik
gelangten, faszinierte uns allenfalls noch die israelische
Ministerpräsidentin Golda Meir, deren Lebensgeschichte in Broadway-Musicals
verarbeitet wurde. Meir und Thatcher waren hart im Nehmen.
Als Angela Merkel Kanzlerin wurde, sahen manche US-Medien in ihr eine
deutsche Thatcher. Damals schien einiges dafür zu sprechen: Sie war das
antikommunistische Produkt des ostdeutschen Dissidenten-Milieus. Ihr
Wahlkampf ließ mutmaßen, dass eine Dosis von Thatchers marktfreundlicher
Medizin genau das Richtige für Deutschland sei. Dazu war sie
proamerikanischer eingestellt als ihr Vorgänger Gerhard Schröder.
Merkel wurde aber nie dieser Rolle gerecht – und das nicht nur, weil sie
aufgebracht reagierte, als George W. Bush ihr ungebeten eine
Schultermassage beim G-8-Gipfel 2006 verpassen wollte. In ihrer ersten
Legislaturperiode wich sie vom strikt marktwirtschaftlichen Kurs ab. Zudem
tat sie nur das Minimum, um Amerika in Afghanistan zu helfen und beteiligte
sich nicht an der Mission in Libyen. Die Kanzlerin wollte die pazifistisch
eingestellte deutsche Bevölkerung nicht aus ihrer Komfortzone
herausbewegen.
Merkel verlängerte erst die Laufzeiten der deutschen Atomkraftwerke, um
nach Fukushima sich von der Kernenergie zu verabschieden – anstatt die
damalige Panik in der deutschen Bevölkerung als Herausforderung zu
begreifen. Zuletzt hatte sie in der Staatsschuldenkrise andere Ansichten
als Barack Obama. Außerdem erschien sie nicht besonders berührt, als der
amerikanische Präsident ihr letztes Jahr die Medal of Freedom verlieh und
ihr zu Ehren im Weißen Haus ein Dinner gab.
Thatcher genoss den Konflikt mit der Europäischen Union. Merkel wiederum
arbeitete daran, die EU zusammenzuhalten. Es ist allen klar, dass ihr
Deutschland heute mehr Macht über Europa hat als je zuvor seit dem Zweiten
Weltkrieg. Aber Merkel macht daraus keine große Nummer.
Oder kann sich irgendjemand an einen erinnernswerten Satz aus einer ihrer
Reden erinnern? Auf unserer Seite des Atlantiks tun wir uns jedenfalls
schwer. Merkel erscheint uns als fordernde, aber auch milde, an Paragrafen
festhaltende Regierungschefin – als eine, die stets bemüht und bedacht ist,
ihre Anweisungen bilateral mit ihrem französischen Kollegen Nikolas Sarkozy
zu verkünden.
Merkel übt ihre Macht äußerst professionell und pragmatisch aus und agiert
nur im Notfall rücksichtlos. In den Augen eines Amerikaners wirkt sie – wie
auch ihr Land – beeindruckend, aber nicht besonders interessant. Das könnte
sich allerdings ändern, und das wird es auch vermutlich, wenn Merkels
Politik scheitert und Europas Wirtschaftsprobleme auf Amerika übergreifen.
Bisher gibt es jedenfalls nicht genug Drama, das für ein Drehbuch gereicht
hätte.
CHARLES LANE (Übersetzung: Ulrich Goll)
## Polen: Weitgehend verlässlich
Die im Westen offen bemitleideten und insgeheim gering geschätzten „Brüder
und Schwestern aus der Soffjettzone“, wie sie Konrad Adenauer einmal
nannte, haben es geschafft! Schon bald werden zwei Menschen zu den
wichtigsten Gesichtern Europas gehören, die durch das Leben in der
DDR-Provinz geprägt wurden. Joachim Gauck wird seine Europaidee für das 21.
Jahrhundert noch präzisieren müssen.
Als Chef der „Gauck-Behörde“ und danach als Festredner war er vor allem
rückwärtsgewandt. Seine öffentlichen Aktivitäten waren mehr gegen das
Vergessen als auf die Lösung der heutigen Herausforderungen ausgerichtet.
Deswegen stänkern in Deutschland junge Menschen auch, dass die „Generation
Gauck“ keine Antworten auf die Probleme der Zeit habe.
Angela Merkel ist in einer besseren Position. Sie hat wunderbare
Umfragewerte, und Deutschland ist wirtschaftlich Hauptnutznießer des Euros
und politisch der Eurokrise. In Polen wettern die Nationalkonservativen,
dass Merkel – mit dem Bild der Zarin Katharina auf dem Schreibtisch – mit
Wladimir Putin dabei sei, Polen unter Deutschland und Russland aufzuteilen.
Bei den regierenden Liberalkonservativen von der Bürgerplattform hingegen
hat Merkel einen guten Ruf. Nicht nur die Chemie zwischen ihr und Donald
Tusk stimme, auch die halbwegs gemeinsame Danziger Heimat. Er ist Kaschube,
ihre Großmutter wuchs in derselben Gegend auf.
Beide verbindet die „volksdemokratische“ Lebenserfahrung und politisches
Talent für einen Zickzackkurs. Beide waren mal konservativ und
fortschrittlich, neoliberal und sozial, vertraten heute das eine und morgen
das Gegenteil. Und trotzdem kann man beiden eine gewisse Geradlinigkeit
nicht absprechen.
In der polnischen Öffentlichkeit kommt Merkel gut an. Man rechnet ihr hoch
an, dass sie schon oft die Rolle der Solidarnosc gewürdigt hat. Viele
Kommentatoren ätzen allerdings, dass nette Worte nur für die polnische
Öffentlichkeit bestimmt seien. So bereitete das Bundeskanzleramt 2009 die
Feierlichkeiten zum 20. Jahrestag der Öffnung der Berliner Mauer als
deutsch-deutsches Event mit Beteiligung der Großmächte vor.
Es war die Berliner SPD, die es möglich gemacht hat, dass am 9. November
Lech Walesa die Dominosteine am Brandenburger Tor symbolisch zu Fall
bringen konnte. Auch wenn es nicht allein um politische Symbole, sondern um
die Substanz einer gemeinsamen Vision von Europa geht, ist aus polnischer
Perspektive auf Merkel Verlass – mit Abstrichen. Im Jahr 2007 parlierte sie
zwar mit den Brüdern Kaczynski freundlich auf der Halbinsel Hela, setzte
zugleich aber beim EU-Gipfel das störrische Brüderpaar mit der Drohung
unter Druck, den Lissabon-Vertrag gegebenenfalls ohne Polen auszuhandeln.
Die Kaczynski-Partei Recht und Gerechtigkeit wirft ihr auch jetzt vor, dass
sie trotz der angeblichen Anbiederung der Tusk-Regierung Polen außen vor
lasse. Solange aber die „polnische Wirtschaft“ gut dasteht, hält die
regierende Bürgerplattform das PiS-Gezänk nur für ein festes Element des
Spiels. Auf Merkel ist Verlass – bislang zumindest.
ADAM KRZEMINSKI
## Großbritannien: Ein bisschen Hitler ist immer
Nirgends zeigt sich das Ansehen von Politikern in der britischen
Öffentlichkeit wie in den Editorial Cartoons der Zeitungen. Anders als in
Deutschland geht es dabei weniger um strenge Analyse als um instinktive
Wertschätzung: Je unbeliebter der Politiker, desto grotesker wird verzerrt.
So wurde bei Gerald Scarfe von der Sunday Times aus der schwungvollen
Margaret Thatcher ein menschenfressender Vampir, der charmante Tony Blair
war am Ende bei Steve Bell im Guardian ein böse starrendes Riesenauge.
Angela Merkel konnte man vor Kurzem als echte eiserne Kanzlerin bewundern,
samt Lederoutfit und Pickelhaube. Sollte man sich im Kanzleramt deswegen
Sorgen machen? Kritik an der Politik, zu der Deutschland Europa zurzeit
drängt, gibt es ausreichend.
Aus dem linken Lager beklagt man die protestantische Moralisierung der
griechischen Schuldenlage, die selbstgefällige Ablehnung Keynes’scher
Wachstums-strategien und die neue deutsche Blindheit für die eigene
Geschichte: Basiert nicht der wirtschaftliche Erfolg nach 1945 auf so einem
Wiederaufbauprogramm, das man den Griechen partout nicht bieten will? Die
Härte, mit der Merkel die Riemen des EU-Budgets festschnüren wolle, so
Larry Elliot im Guardian, erinnere an Leopold von Sacher-Masochs „Venus im
Pelz“.
Unter den Konservativen gibt man sich sowieso skeptisch gegenüber dem
gesamten europäischen Projekt – in diesen Tagen noch mehr als sonst. In den
rechtsgerichteten Blättern wird routinemäßig die Geschichte von dem Vierten
Reich aufgewärmt, in welches die Deutschen die EU umwandeln wollten. Was
Hitler nicht schaffte, wolle man jetzt durch Handel und finanzielle
Disziplin erzielen, behauptete Simon Heffer in der Daily Mail. Das deutsche
Ideal eines politisch vereinten Europas ist gescheitert – da sind sich
Linke wie Rechte einig.
Persönliche Attacken auf Merkel aber sind überraschend selten, selbst in
der Boulevardpresse. Sicherlich hat das auch mit Verwirrung über ihre
Person zu tun: Ist die deutsche Kanzlerin eine Rebellin gegen die
Finanzmärkte oder nur ein Spielball der Banken? Ist sie eine
Austeritätsideologin oder nur eine Karrierepolitikerin mit angelsächsischem
Pragmatismus? In den letzten Monaten konnte man all diese Interpretationen
in der englischen Presse lesen.
Ein anderer Grund mag sein, dass die Briten von Merkels Innenpolitik
beeindruckt sind. Keine Woche vergeht zurzeit ohne Gastbeiträge von
Politikern und Wirtschaftsweisen, in denen die Vorteile deutschen
Arbeitsrechts, deutscher Landesbanken oder deutscher Ausbildungsprogramme
gepriesen werden.
David Camerons Nein zur EU-Vertragsreform schien das Verhältnis zu
Deutschland zerrüttet zu haben. Als richtiges Feindbild taugt Merkel
deswegen aber noch nicht – erst recht nicht für Camerons konservative
Partei, die genauso stur an ihrem Sparkurs festhält wie die deutsche
Regierung. Inwiefern auf die kämpferischen Worte auch Handeln folgen wird,
ist noch unklar.
Im Augenblick scheint sich der britische Premier mit seiner stockenden
Reform des staatlichen Gesundheitsdiensts und der brodelnden Debatte um
eine Unabhängigkeit größere Sorgen zu machen. In den Cartoons von Bell
erscheint der britische Premierminister übrigens nur noch mit einem Kondom
über dem Kopf.
PHILIP OLTERMANN
14 Mar 2012
## AUTOREN
C. Lane
A. Krzeminski
P. Oltermann
## TAGS
Schwerpunkt Angela Merkel
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