# taz.de -- Krise auf dem Zeitungsmarkt: „Sonntags gelobt, montags gestrichen… | |
> Nach langem Patt zwischen den Gründerfamilien gab es nun eine Einigung. | |
> Medienforscher Horst Röper über die Eigentumsverhältnisse bei der WAZ. | |
Bild: Eine Scheusslichkeit von Unternehmenszentrale: die WAZ in Essen. | |
taz: Herr Röper, wem gehört die WAZ denn jetzt eigentlich: Petra Grotkamp | |
oder ihrem Mann Günther, der ja bis 2000 selbst WAZ-Geschäftsführer war? | |
Horst Röper: Trennen wird man das nicht können: Die eine hat das Geld, der | |
andere hat den Sachverstand - die beiden bilden ein Team. | |
Bei dem der Senior schon über 80 ist - warum tut er sich das nochmal an? | |
Günther Grotkamp war der Architekt des WAZ-Konzerns. Er hat als | |
Geschäftsführer aus dem Regionalzeitungsverlag eines der größten deutschen | |
Medienunternehmen gemacht - und hat dann mit ansehen müssen, wie nach | |
seinem Ausscheiden die starke Position der WAZ-Gruppe immer weiter | |
bröckelte. Das motiviert ihn nun wohl, noch einmal Hand anzulegen - und | |
dass wird er auch kräftig tun. | |
Wie kann weiteres Bröckeln denn verhindert werden? | |
Grotkamp wird zunächst mal einen Konsolidierungskurs fahren müssen. Die | |
Geschäftsergebnisse haben in den letzten Jahren nicht gepasst, da ist | |
vieles aufzuräumen. Auch in der Führungsregie des Konzerns kann man - über | |
das Ausscheiden von Bodo Hombach hinaus - Veränderungen erwarten. | |
Heißt das, auch der zweite WAZ-Geschäftsführer und frühere Lieblingsfeind | |
der Öffentlich-Rechtlichen, Christian Nienhaus, geht? | |
Zumindest wird sich Nienhaus damit abfinden müssen, plötzlich einen | |
direkten Vorgesetzen zu haben - nämlich Grotkamp. Der wird sich auch im | |
Tagesgeschäft spürbar einmischen. Ganz so schnell wird die Zeit für | |
Nienhaus aber nicht ablaufen - die WAZ legt schon Wert auf eine gewisse | |
Kontinuität, da kann man nicht mal eben beide Geschäftsführer ziehen | |
lassen. Es wird eher darauf ankommen, wann und wie die nächste Generation | |
der Grotkamps ins Unternehmen einsteigt. | |
Was sind denn die größten Baustellen bei der WAZ? In Essen soll ja auch die | |
Scheußlichkeit von Unternehmenszentrale neu gebaut werden... | |
Vergessen Sie die Immobilien, es geht natürlich um die Zeitungen: Egal ob | |
im Ruhrgebiet, in Thüringen oder Österreich - da haben alle einen schweren | |
Stand. Vor allem die Westfälische Rundschau aus Dortmund, die fast überall, | |
wo sie erscheint, nicht Marktführerin ist. | |
Früher machten sich nach dem legendären WAZ-Modell mehrere Konzerntitel in | |
einem Verbreitungsgebiet redaktionelle Konkurrenz, arbeiteten bei Druck, | |
Vertrieb und Anzeigen zusammen und verdienten so gutes Geld. Heute ist das | |
Modell durch das Zentrale Newsdesk in Essen längst aufgelöst. | |
Ja, aber auch im Regionalen läuft vieles schon über | |
Gemeinschaftsredaktionen, zum Beispiel am Regionaldesk von Westfälischer | |
Rundschau und Westfalenpost für das Sauerland: Da ist von spezifischen | |
redaktionellen Unterschieden zwischen den Blättern nicht mehr viel zu | |
spüren. Die Eigenständigkeit der Redaktionen ist aufgegeben worden. | |
Die Leser goutieren das nicht, die Auflagen sinken - trotzdem wird daran | |
festgehalten. Warum? | |
So ein Schritt hat zunächst mal außerordentliche betriebswirtschaftliche | |
Vorteile - das ist das Motiv. Es spart Kosten - und verliert Leser, vor | |
allem da, wo es noch eine Konkurrenzzeitung gibt. Für Journalisten ist | |
außerdem die Arbeit in der Zentralredaktion Aufstieg, da hat der Lokalteil | |
nicht das Prestige. Gerade die WAZ-Gruppe hat in den letzten Jahren in | |
Sonntagsreden den Lokaljournalismus hoch gelobt und montags dann die | |
Lokalredaktionen zusammengestrichen. Doch jetzt, wie geplant, aus einer | |
Hauptredaktion mit 80 Planstellen ein paar Leute wieder ins Lokale zu | |
schicken, macht den Kohl nicht mehr fett. Da soll es um gerade mal zehn | |
Stellen gehen - das ist bei mehr als zwei Dutzend Lokalredaktionen noch | |
nicht mal ein Tropfen auf den heißen Stein. | |
Warum hat man es dann überhaupt gemacht? | |
Offiziell haben das externe Berater als großen Wurf vorgegeben. Ich hab das | |
immer für falsch gehalten - unter der alten Geschäftsführung, also | |
Grotkamp, hätte es solche Entscheidungen zu Lasten des Lokalen wohl nicht | |
gegeben. | |
Aber er hat die Strategie als Gesellschafter doch mitgetragen- die | |
WAZ-Geschäftsführung agiert doch immer an der kurzen Leine der Eigentümer. | |
Richtig. Und der Eignerkreis der WAZ ist überall berühmt für seine internen | |
Auseinandersetzungen und seine Prozessfreude. Doch selbst ein | |
streitlustiger Mensch wie Grotkamp wird irgendwann Grenzen gesehen haben - | |
man kann nicht alles blockieren. Manches wird er also mitgetragen haben, | |
obwohl es ihn nicht überzeugt hat. | |
Das kann ja jetzt mit Besitz der Konzernmehrheit nicht mehr passieren. | |
Einspruch. Zwar wird jetzt immer so getan, als hätten die Grotkamps fast | |
allein das Sagen. Doch da ist noch die alte Regelung innerhalb der | |
Funke-Gruppe, an der die Grotkamps weiter nur mit knapp 17 Prozent | |
beteiligt sind. Und die heißt: Man spricht auf Konzernebene mit einer | |
Stimme. | |
Dass heißt: die beiden anderen Funke-Stämme können weiterhin alles | |
blockieren, weil sie de facto ein Veto haben. | |
Richtig, wenn sich die Grotkamps innerhalb der Funke-Gruppe nicht | |
durchsetzen können, hilft ihnen der 50-Prozent-Anteil der früher den Brosts | |
gehörte, herzlich wenig. Deshalb sehe ich das auch eher als ersten Schritt. | |
Petra Grotkamp muss jetzt ihren Schwestern bzw. deren Erben weitere Anteile | |
oder zumindest deren Veto-Recht abkaufen. Der Anspruch der Familie ist da | |
deutlich: Sie will die Führung des ganzen Unternehmens. | |
Und zur Finanzierung werden dann Teile der WAZ-Gruppe verkauft - und | |
Springer darf sich doch noch Hoffnungen auf die Wiener Blätter Krone und | |
den Kurier machen, hinter denen der Konzern so her ist? | |
Abwarten, zunächst einmal gilt die Klausel, dass für ein Jahr nach der | |
Übernahme des Brost-Anteils durch die Grotkamps gar keine Unternehmensteile | |
verkauft werden dürfen. Später ist das garantiert nicht ausgeschlossen, | |
aber dass sie die österreichischen Boulevardblätter hergeben, sehe ich | |
nicht so schnell - damit hat der WAZ-Konzern lange Zeit gutes Geld | |
verdient. | |
16 Mar 2012 | |
## AUTOREN | |
Steffen Grimberg | |
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