# taz.de -- Transfers im Frauenfußball: Magische Anziehungskraft | |
> Immer mehr Elitekickerinnen wechseln zum VFL Wolfsburg – nicht des Geldes | |
> wegen, sagt der Bundesliga-Klub. Das ist nur schwer zu glauben. | |
Bild: Viola Odebrecht (li.) stellt ihre Zweikampfstärke bald in den Dienst des… | |
Bis vor Kurzem war das Kräftefeld der Frauenfußball-Bundesliga sehr | |
übersichtlich und statisch angelegt. Drei Standorte teilten sich fast zur | |
Gänze alle deutschen Nationalspielerinnen untereinander auf: Potsdam, | |
Duisburg und Frankfurt. Wobei die Finanzmächtigsten in Hessen meist die | |
Besten an sich zu binden wussten. Die restlichen neun Mitbewerber wirkten | |
auf Spielerinnen von internationalem Format eher abstoßend. | |
Vor dieser Saison fühlten sich jedoch einige von diesen urplötzlich vom VfL | |
Wolfsburg angezogen. Conny Pohlers, die Treffsicherste der Liga, kam, weil | |
sie in Frankfurt nur noch als Einwechselspielerin wertgeschätzt wurde. | |
Josephine Henning und Nadine Keßler war zwar der Stammplatz beim Deutschen | |
Meister Turbine Potsdam sicher, trotzdem heuerten sie beim Tabellensiebten | |
an. | |
In dieser Spielzeit stehen die Wolfsburgerinnen noch immer hinter dem | |
Spitzentrio, die Frankfurterinnen könnten sie aber bereits mit einem | |
gewonnenen Nachholspiel überflügeln. Wer noch Zweifel an der Stetigkeit der | |
Energieströme hatte, die neuerdings in Wolfsburg münden, wurde vor wenigen | |
Wochen eines Besseren belehrt: Mit der aus Duisburg kommenden | |
zwanzigjährigen Alexandra Popp hat der Werksklub nun noch die wohl viel | |
versprechendste Nationalstürmerin unter Vertrag genommen. Ebenfalls von | |
dort folgt ihr Luisa Wensing. Aus Potsdam kommt Viola Odebrecht hinzu. | |
Beide bringen Länderspielerfahrung mit. | |
## Das attraktivere Angebot | |
Was aber macht diese unscheinbare Stadt am Mittellandkanal so attraktiv? | |
Die Antworten könnten nicht widersprüchlicher sein. In Duisburg und Potsdam | |
ist man sich einig, dass das Geld die entscheidende Variable ist, mit der | |
sich die Kräfteverschiebung nachvollziehen lässt. | |
Duisburgs Vorsitzender Thomas Hückels erzählte jüngst, seine Spielerinnen | |
hätten ihm mitgeteilt, Wolfsburg habe das attraktivere Angebot gemacht. Und | |
Potsdams Geschäftsführer Mathias Morack erläutert: „Mit dem 1. FFC | |
Frankfurt und dem VfL Wolfsburg können wir finanziell nicht mithalten.“ | |
Angesichts solcher Erklärungen wird Thomas Röttgermann, der Geschäftsführer | |
des VfL Wolfsburg, richtig giftig. Er sagt: „Das geht mir reichlich auf die | |
Nerven.“ Solcherlei zu behaupten, sei für diese Vereine natürlich am | |
bequemsten. Und Röttgermann behauptet prompt das glatte Gegenteil: „Vom | |
Etat der ersten drei Klubs sind wir meilenweit entfernt.“ | |
Das Budget für diese Saison sei im Vergleich zum Vorjahr sogar geringer | |
veranschlagt worden und würde für den Sommer auch kaum nennenswert erhöht | |
werden. Und um die Wolfsburger Knickrigkeit zu unterstreichen, spricht er | |
nicht von Gehältern, sondern von „Aufwandsentschädigungen“. | |
Der in der Szene bewanderte Spielerinnenberater Dieter Weber wiederum | |
stützt die These der Wolfsburger Konkurrenten. Er sagt: „Die langen schon | |
richtig hin, da wird eine ganze Menge bezahlt. Sie nähern sich den | |
Frankfurter Verhältnissen an.“ Grundsätzlich begrüßt er dieses Engagement. | |
Es bleibe nur abzuwarten, ob man dort im Falle des Misserfolgs die Arbeit | |
fortsetzen würde. | |
## Eine Entwicklungsfähige Mannschaft aufbauen | |
Zweifel, die Röttgermann für absurd hält. Der Verein sei doch nun bereits | |
seit vier Jahren dabei, mit Trainer und Manager Ralf Kellermann eine | |
entwicklungsfähige Mannschaft aufzubauen. „Deshalb und nicht wegen des | |
Geldes interessieren sich nun auch deutsche Nationalspielerinnen für uns“, | |
sagt er. | |
Man wolle natürlich Titel gewinnen, einen Zeitplan aber gebe es dafür | |
nicht. Zu verrückten kostspieligen Aktionen werde man sich nicht hinreißen | |
lassen. Deshalb habe man auch keine Sekunde über die Verpflichtung von | |
Marta nachgedacht. Die fünfmalige Weltfußballerin des Jahres war nach der | |
Einstellung des US-Profiliga-Spielbetriebs kürzlich auf dem Markt. | |
Allein die sportliche Ambitionen also sowie die vom VW-Werk gebotenen | |
Ausbildungs- und Berufsperspektiven machen Wolfsburg laut Röttgermann zum | |
attraktiven Standort. Wie viel davon wahr ist, lässt sich kaum erschließen, | |
solange die Budgetzahlen unter Verschluss gehalten werden. Die | |
Außendarstellung erweckt indes den Eindruck, als ob der Verein mit Hilfe | |
seiner Frauenabteilung partout den Beweis erbringen wollte, dass man sowohl | |
maßhalten als auch Erfolg haben kann. | |
16 Mar 2012 | |
## AUTOREN | |
Johannes Kopp | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Frauen-Fußball-Bundesliga: Potsdam ist fast durch | |
Am vorletzten Spieltag der Frauen-Bundesliga gewann Turbine Potsdam im | |
Spitzenspiel bei Duisburg mit 2:0. Auch Verfolger Wolfsburg siegte. Im | |
Abstiegskampf ist noch nichts entschieden. | |
Champions-League-Finale der Frauen: Luxuskader muss liefern | |
Der 1. FFC Frankfurt will in dieser Saison wenigstens einen Titel im | |
Frauenfußball gewinnen. Doch im Finale gegen Olympique Lyon sind die | |
Hessinnen nur Außenseiter. | |
Spitzenfußballerin Marta: Rückkehr in die zweite Heimat | |
Der Stockholmer Vorstadtklub Tyresö FF gewinnt das Werben um die weltbeste | |
Spielerin Marta. Das bringt Schwedens Frauenliga neue Attraktivität. | |
Erster Lehrgang für Schiedsrichterinnen: Eine undankbare Aufgabe | |
Der Hamburger Fußballverband will, dass jedes Damenspiel von einer | |
Schiedsrichterin geleitet wird. Doch Schiedsrichterinnen gibt es nur | |
wenige. Ein Besuch beim ersten Lehrgang, der nur Frauen offen steht. | |
Frauenfußball-Bundesliga: Auf Augenhöhe, aber mit Torabstand | |
Turbine Potsdam gewinnt das Spitzenspiel beim ewigen Rivalen 1. FFC | |
Frankfurt mit 2:0. Im DFB-Pokal werden beide Teams bald wieder aufeinander | |
treffen. |