# taz.de -- Kehrtwende beim Bleiberecht: Schünemann wird Flüchtlingsfreund | |
> Niedersachsens Innenminister will das Bleiberecht lockern - für | |
> Ausländer, die integrationswillig sind und ihren Lebensunterhalt selbst | |
> bestreiten. | |
Bild: Kehrtwende oder keine? Der Opposition macht es Uwe Schünemann (CDU) wied… | |
HAMBURG taz | Der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann (CDU) hat | |
sich für eine Lockerung des Bleiberechts ausgesprochen. „Wer sich | |
nachhaltig integriert, soll auf Dauer in Deutschland bleiben“, sagte | |
Schünemann am Freitag in Hannover. Er werde auf eine Bundesratsinitiative | |
hinwirken, damit der Bundestag ein entsprechendes Gesetz beschließe. | |
Die neue Regelung soll für Ausländer gelten, die seit mindestens drei | |
Jahren mit einer Duldung in Deutschland leben. Voraussetzung sei, dass ein | |
Ausländer über „hinreichende mündliche und schriftliche Deutschkenntnisse�… | |
verfüge und sich „nachweislich bemüht hat, seinen Lebensunterhalt zu | |
sichern“, heißt es in dem Entwurf des Innenministeriums. Außerdem müsse er | |
sich „um die Integration in die hiesigen Lebensverhältnisse“ bemüht haben. | |
Das könne etwa dadurch nachgewiesen werden, dass er seine Kinder zur Schule | |
schicke und „am sozialen Leben durch bürgerschaftliches Engagement | |
partizipiert“. | |
Flüchtlinge, die in den Genuss des neuen Bleiberechts kommen wollen, | |
müssten ihre „Identitätsverschleierung“ beenden und an der Beschaffung von | |
Passpapieren mitwirken: „Ich muss gestehen: Mich nervt es, dass wir | |
handlungsunfähig sind, wenn wir die Identität nicht feststellen können“, | |
sagte Schünemann. Schließlich können man die Leute ja nicht „ins | |
Niemandsland“ abschieben. | |
Das Konzept des niedersächsischen Innenministers sieht vor, Flüchtlingen, | |
die die Voraussetzungen erfüllen, zunächst eine zweijährige Duldung | |
einzuräumen. In dieser Zeit müssen sie einen Integrationskurs besuchen und | |
mindestens ein Jahr ihren Lebensunterhalt sichern. Danach winkt eine | |
einjährige Aufenthaltserlaubnis auf Probe und ganz am Ende die unbefristete | |
Aufenthaltserlaubnis. | |
Die Integrationsbeauftragte des Bundes, Maria Böhmer (CDU), begrüßte | |
Schünemanns Vorstoß als „bedeutendes integrationspolitisches Signal“. Die | |
Initiative leite einen „Paradigmenwechsel“ ein. | |
Auch der niedersächsische Flüchtlingsrat begrüßte die Initiative. In | |
Deutschland lebten rund 75.000 Flüchtlingen mit unsicherem | |
Aufenthaltsstatus, in Niedersachsen seien es rund 12.000. „Wir sind erfreut | |
darüber, dass mehr Migranten endlich eine Integrationsperspektive kriegen“, | |
sagte Sprecher Kai Weber. | |
Kritik an Schünemanns Vorstoß kam von der niedersächsischen | |
SPD-Landtagsfraktion. Schutzbedürftige Personen, die nicht arbeiten | |
könnten, fielen weiterhin „durchs Raster“, sagte die integrationspolitische | |
Sprecherin der Fraktion, Silke Lesemann. Schünemann teile die Flüchtlinge | |
„in zwei Gruppen: in solche, die nützlich sind, und in den Rest“. | |
Die Linksfraktion im Landtag erkannte gar strategische Absichten | |
Schünemanns: „Nach den Skandalen der letzten Zeit“ müsse er „Mitgefühl | |
demonstrieren, wenn er die empörte Öffentlichkeit besänftigen will“, sagte | |
die innenpolitische Sprecherin der Linken, Pia Zimmermann. Wie ernst er es | |
mit einer liberaleren Flüchtlingspolitik sei, werde sich erst zeigen. | |
In letzter Zeit war der Minister zunehmend unter Druck geraten. Im Dezember | |
stellte die versammelte Opposition aus Grünen, SPD und Linken im Landtag | |
einen Antrag, Schünemann abzuwählen. Im November hatte er die | |
vietnamesische Familie Nguyen nach 19 Jahren in Deutschland abschieben | |
lassen. Der Fall sorgte nicht nur in der CDU für Empörung, auch | |
Braunschweigs Landesbischof Friedrich Weber drohte mit dem Ausstieg aus der | |
Härtefallkommission. Wenige Wochen später musste Schünemann verkünden, er | |
werde sich für die Wiedereinreise der Nguyens einsetzen – Ministerpräsident | |
David McAllister hatte ein Machtwort gesprochen. | |
Schleswig-Holsteins Integrationsminister Emil Schmalfuß (parteilos) nutze | |
am Freitag die Gelegenheit, seinem „Amtskollegen Schünemann“ zum „Umdenk… | |
zu gratulieren. „Ich begrüße sehr, dass nun auch Herr Schünemann erkannt | |
hat, dass wir Ausländerinnen und Ausländern, die sich um Integration | |
bemühen, schneller ein Aufenthaltsrecht ermöglichen müssen“, so Schmalfuß… | |
unter Hinweis darauf, dass Schleswig-Holstein schon „auf den Tag genau vor | |
drei Monaten“ eine entsprechende Bundesratsinitiative vorgestellt habe. | |
16 Mar 2012 | |
## AUTOREN | |
Daniel Wiese | |
Teresa Havlicek | |
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