# taz.de -- Uno-Berater Lemke über Fußball: „Wir setzen auf Nachhaltigkeit�… | |
> Seit vier Jahren ist Willi Lemke Sonderberater des UN-Generalsekretärs. | |
> Mit der taz spricht er über Kopftücher im Fußball, afrikanische Vorbilder | |
> und geringe Budgets. | |
Bild: Die Fifa erlaubt zukünftig das Tragen von Kopftüchern auf dem Fußballp… | |
taz: Herr Lemke, das International Football Association Board hat | |
entschieden, dass das Kopftuchverbot auf Fußballplätzen aufgehoben wird. | |
Ist das ein persönlicher Erfolg für Ban Ki Moons Sportberater Lemke, der | |
sich für die muslimischen Fußballerinnen stark gemacht hat? | |
Willi Lemke: Es ist ein großer gemeinsamer Erfolg im Hinblick auf die | |
konservativen Kräfte im Weltfußball. Von den 325 Millionen muslimischen | |
Frauen weltweit tragen schätzungsweise die Hälfte ein Kopftuch. Für mich | |
war das ein riesiger Widerspruch, dass wir diese Frauen einerseits | |
unterstützen, weil sie sich oft gegen ihre Familien durchsetzen mussten, um | |
Fußball spielen zu können – und dann können sie auf internationaler Ebene | |
nicht auflaufen. | |
Was hat die eher beratungsresistente Fifa zum Einschwenken bewogen? | |
Das Hauptverdienst liegt natürlich bei Prinz Ali von Jordanien, der als | |
einer der Fifa-Vizepräsidenten seine Variante eines Hijab mit | |
Klettverschluss präsentieren konnte. | |
Die Aufhebung des Verbotes, so schrieben Sie, würde die Botschaft | |
aussenden, dass jede Spielerin die Freiheit hat, zu entscheiden, ob sie das | |
Kopftuch trägt. Geht es hier nicht eher um knallharte religionsstaatliche | |
Vorschriften? | |
Ich habe mich doch nicht für ein bestimmtes Land, sondern für die Millionen | |
Kopftuch tragenden Frauen in aller Welt eingesetzt. Wir bestärken damit | |
gerade auch die Länder, die den Frauen die Entscheidung selbst überlassen, | |
sich so zu kleiden, wie sie es für richtig halten. | |
Sie sind seit vier Jahren Ban Ki Moons Sonderberater für Sport im Dienste | |
von Frieden und Entwicklung. Was haben Sie noch erreicht? | |
Eine Arbeit, die vielleicht beispielhaft ist, sind die Youth Leadership | |
Camps mit jungen Erwachsenen aus den Slums und Townships in der Subsahara, | |
die ich vor vier Jahren ins Leben gerufen habe. | |
Ihr Programm der African Role Models. | |
Mit diesen Trainingscamps, die Bildungsinhalte vermitteln und praktische | |
Führungsfähigkeiten im Bereich Sport für Entwicklung fördern, möchte ich | |
innerhalb von zehn Jahren 1.200 junge Leute aus den ärmsten Regionen als | |
sportliche Vorbilder ausbilden. | |
Weltweit 1.200 Vorbilder innerhalb von zehn Jahren nicht – das klingt nicht | |
gerade sehr anspruchsvoll. | |
Das sagen meine Freunde in Bremen auch immer: „Mensch Willi, 1.200 von | |
Milliarden. Das ist es doch nicht!“ Aber wir setzen auf Nachhaltigkeit und | |
Multiplikatoren. Es geht um junge Männer und Frauen, die sich in den Slums | |
– beispielsweise auch in Gaza – unter den grausamsten Bedingungen | |
engagieren. „Aber einen Master haben diese Leute doch?“, wurde ich oft von | |
Sponsoren und Förderinstitutionen gefragt. Man konnte sich nicht | |
vorstellen, dass diese Leute ohne jede Vorbildung kommen. Nach dem | |
Workshop-Teil treten die Teilnehmer dann beispielsweise in gemischten | |
Mannschaften an – und nur die Mädchen dürfen die Tore schießen. Plötzlich | |
spielen die Jungs, die immer nur auf eins aus waren, darauf | |
Torschützenkönig zu werden, mannschaftsdienlich. Sie können sich gar nicht | |
vorstellen, welche Bewusstseinsänderung das bedeutet! Statt eines | |
unerreichbaren Didier Drogba sollen die 250 Millionen Jugendlichen in | |
Afrika in Zukunft diesen Jungs nacheifern. | |
Die UN ist oft ein zahnloser Tiger. Probieren Sie es hier mit der gleichen | |
Methode wie bei Werder: mit der Gewalt einer Moralpolitik, die immer ein | |
bisschen anständiger daherkommt als die anderen? | |
Natürlich ist die Arbeit in der UN aufgrund der vielen Vorschriften, | |
Vorgaben und des sehr geringen Budgets nicht gerade leicht. Und sicher | |
mache ich hier auch manche Dinge anders als andere: Ich will über die | |
Deklarationen und Resolutionen hinaus Dinge implementieren! Und wenn ich in | |
Malaysia von zwei 12-jährigen birmanischen Mädchen angesprochen werde, | |
denen Gefängnis droht, weil sie von der Regierung den Flüchtlingsstempel | |
nicht bekommen haben, der ihnen tatsächlich zustehen mag, dann habe ich | |
keine Scheu, meinen UN-Kollegen vor Ort zu sagen: „Bitte kümmert euch | |
darum!“ Das kann man dann vielleicht mit Werder vergleichen. | |
19 Mar 2012 | |
## AUTOREN | |
Fritz von Klinggräff | |
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