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# taz.de -- Madonnas neues Album „MDNA“: Ich bin eine Sünderin
> Madonnas neues Album "MDNA" ist kein großer Wurf. Dafür wirken die Songs
> des ewigen Partygirls zu sehr maßgeschneidert und Innigkeit ist einfach
> nicht ihre Stärke.
Bild: Auf ihrer neuen Platte träumt Kontrollgeschäftsfrau Madonna vom Loslass…
13 Jahre ist es her, dass Rainald Goetz in einer seiner Frankfurter
Poetik-Vorlesungen schier ausflippte vor Begeisterung über „Frozen“, einer
von Madonnas Hits aus dem Album „Ray of Light“. Damals war Madonna
gemeinsam mit ihrem Produzenten William Orbit ein eleganter Sprung ins
Technozeitalter gelungen – melodiöser, esoterischer und weiblicher als die
ganzen restlichen Neunziger.
Heute ist solch aufrichtige Intellektuellenfreude schwer vorstellbar, auch
wenn Dietmar Dath eben noch in der FAZ politisch korrekt gegen
altersdiskriminierende Miesmacher ihres neuen Albums „MDNA“ angejubelt hat.
Ende der Neunziger gefielen sich Künstler, Denker, Kritiker noch in der
Geste, Popkultur mit derselben Emphase und analytischen Gründlichkeit zu
begrüßen und zu deuten, die bis dahin nur der Hochkultur zuteil geworden
war – eine Tätigkeit, die beispielsweise die schöne Disziplin der
„Madonnalogie“ (Thomas Groß) hervorgebracht hat.
Inzwischen interessiert dieser Unterschied wie auch seine Verwischung kaum
noch jemanden. Stattdessen bröckelt die Grenze, die sich bislang zwischen
Produzenten und Konsumenten ziehen ließ: Das Künstlerische ist von Ulm bis
New York zum selbstverständlichen Aspekt des mittelständischen Subjekts
geworden, nicht zuletzt, weil Selfmade- Künstlerunternehmer wie Madonna es
vorgemacht haben. Mit der Konsequenz, dass der Massengeschmack noch nie so
ausdifferenziert und der Alltag noch nie so breitenwirksam ästhetisiert war
wie heute.
Zu diesem Prozess der Geschmacksverfeinerung und der Kunstaufwertung
verhält sich das neue Album erstaunlich unzeitgemäß. Es sucht nicht das
Besondere, sondern das Allgemeine, und hat auf dem Weg dorthin alles
integriert, was nicht bei drei auf den Bäumen gewesen ist: die fettesten
Bässe, die synthetischsten Sounds, die frechsten Pitches, zumeist gewildert
in den Revieren der gefeaturten und featurenden Kolleginnen M.I.A. und
Nicki Minaj und mithilfe einer ganzen Produzentenriege (darunter Martin
Solveig oder The Demolition Crew) superprofessionell und
hochglanzroutiniert zusammengelötet.
Nun hat Madonna ihre Musik schon immer „designt“ und mitdesignen lassen,
sich dabei der unterschiedlichsten Styles und Experten bedient, nicht
zuletzt, um ein möglichst breites Publikum zu erschließen. Oder, etwas
idealistischer und in ihren eigenen Worten formuliert: to make „the
bourgeoisie and the rebel come together“.
## Selbstbestimmtes Partygirl
Auch auf „MDNA“ und im begleitenden Merchandisingklimbim kann jeder sein
warmes Plätzchen finden: Für die Intellos setzt Madonna im schwarz-weißen
Teaser auch mal die Nerdbrille auf, für die Rebels zieht sie im Video zu
„Girl Gone Wild“ an einer lustigen Zigarette, und alle Sportsfreunde und
überforderten Mütter können sich in ihrer wohl auch selbstironischen
Königinnen-Fantasie „Give Me All Your Luvin’ “ wiederfinden, wo eine Hor…
Footballspieler die Queen of Pop über diverse Laufstege des Lebens trägt.
Trotzdem laufen die Tracks von „MDNA“ unüberhörbar auf einen gemeinsamen
Nenner hinaus, und der heißt: selbstbestimmtes Partygirl. In Madonnas Welt
kann das ebenso ihre pubertierende Tochter sein („Superstar“) wie die
geschiedene Businesslady („I Don’t Give A“) oder die blutige Rächerin im
Tarantinostyle („Gang Bang“).
Ja, Party, Party – und doch wirkt dieses Album angestrengt, die
musikalischen Verspieltheiten angeschraubt, die Provokationen abgedroschen
(„I’m a sinner/I like it that way“) oder gleich verlogen („We gotta sha…
out the system/and break all the rules“). Geradezu hoffnungslos routiniert
sind die zwei beschaulicheren Songs am Ende des Standardalbums: In „Falling
free“ träumt Kontrollgeschäftsfrau Madonna zu scheppernden Pianoläufen und
süßlichen Harfenklängen ausgerechnet vom kompletten Loslassen.
Innigkeit ist einfach nicht ihre Stärke, das zeigt auch das Liebeslied
„Masterpiece“ aus dem Soundtrack ihres in den USA schon gestarteten
Kinofilms „W. E.“. Hier beweist Madonna aber auch, dass ihr Gespür für den
Zeitgeist sie nicht ganz verlassen hat: Zumindest als Metapher und Kosewort
hat der Kunstdiskurs auf „MDNA“ doch noch Einzug gehalten.
23 Mar 2012
## AUTOREN
Eva Behrendt
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