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# taz.de -- Debatte um Blackfacing am Theater: Eine Frage der künstlerischen F…
> Im Deutschen Theater diskutieren Theatermacher und Zuschauer über das
> umstrittene Mittel. Die Schauspieler tragen mit einer spontanen Aktion
> zur Debatte bei.
Bild: Auslöser der Debatte war ein Stück an Dieter Hallervordens Schlossparkt…
Schauspieler Andreas Döhler denkt nicht daran, nach Hause zu gehen. Er
steht aufgewühlt vor dem Eingang des Deutschen Theaters (DT) und diskutiert
hitzig mit einer Gruppe junger Theateraktivisten, die das Feld auch nicht
räumen wollen. Es ist mitten in der Nacht, die Vorstellung von „Unschuld“
seit etwa drei Stunden vorbei. Umstritten an dem Stück: Döhler spielt darin
einen Flüchtling aus dem globalen Süden, für die Rolle wird sein Gesicht
schwarz angemalt – bislang. In der Aufführung am Mittwochabend verzichteten
er und die Produktion zum ersten Mal darauf.
Vorausgegangen waren dieser Entscheidung kontroverse Debatten um das
sogenannte Blackfacing auf Berliner Theaterbühnen. Im Publikmusgespräch
nach der Vorstellung räumte die Theaterleitung des DT am Mittwoch ein, dass
es sich dabei um ein rassistisches Mittel handele und distanzierte sich
davon: „Rassistische Mittel mit einem antirassistischen Impuls einzusetzen,
funktioniert nicht“, sagte die Chefdramaturgin Sonja Anders, „das haben wir
aus der Diskussion gelernt.“
Ausgelöst wurde die Blackface-Debatte bereits Anfang des Jahres, als der
Schauspieler Joachim Bliese für eine Rolle als dunkelhäutiger Rentner in
„Ich bin nicht Rappaport“ am Steglitzer Schlosspark Theater mit einer
dicken Schicht schwarzer Farbe geschminkt wurde. Kritiker fühlten sich
daraufhin an die „Minstrel Shows“ des 19. Jahrhunderts erinnert, in denen
schwarz geschminkte Weiße in den USA zur allgemeinen Erheiterung gerne mal
den dummen „Neger“ gaben. Auf Facebook fand sich eine empörte Gruppe von
Aktivisten zusammen, die das Netzwerk Bühnenwatch gründeten, um gegen diese
Bühnentradition vorzugehen.
Bühnenwatch waren es auch, die am 12. Februar in einer Vorstellung von
„Unschuld“ am DT protestierten: Als Döhler die Bühne betrat, verließen 42
Aktivisten aus dem Publikum demonstrativ den Saal. Das Deutsche Theater
reagierte auf diese Aktion und lud Bühnenwatch zu einem Austausch, den
beide Seiten als „intensiv und wichtig“ bezeichneten.
Mit der Aufführung am Mittwochabend kommt es zu einem vorläufigen Showdown
zwischen den beiden Parteien, denn pünktlich zum Tag gegen Rassismus steht
„Unschuld“ wieder auf dem Programm. Rund zwei Dutzend Bühnenwatcher, zum
Großteil Berliner Kunst- und Kulturschaffende, sitzen im Publikum. „Wir
wollen sehen, welches konkrete Ergebnis die Debatte mit dem DT gebracht
hat“, sagt Julia Lemmle.
Um 20 Uhr beginnt das Stück mit dem Auftritt Döhlers: Im Gegenlicht geht er
langsam auf die Bühnenkante zu. Bis zuletzt kann man sein Gesicht nicht
erkennen. Dann werden die Scheinwerfer hochgefahren, die Zuschauer sehen
ein weiß angepinseltes Gesicht, wie eine antike Maske. Vereinzelt ist im
Zuschauerraum Schnauben zu hören. Schnauben, das sich beim
Publikumsgespräch nach der Aufführung in klaren Worten artikuliert.
70 Zuschauer sind geblieben, um das Stück zu diskutieren, die Stimmung ist
aufgeladen. „Ihr hättet doch einfach komplett auf die Bemalung verzichten
können“, ruft eine junge Frau den beiden Hauptdarstellern zu. Neben den
Schauspielern und dem Dramaturgen des Stücks, John von Düffel, sitzen der
Intendant Ulrich Khuon und die Chefdramaturgin Sonja Anders. Sie nehmen die
Kritik am Blackfacing an: „Wir dachten, dass wir die Minstrel-Tradition
kritisch umdrehen können“, sagt Intendant Khuon. Chefdramaturgin Anders
ergänzt: „Die weiße Mehrheit sollte provoziert werden. Doch das wurde mit
dem falschen Mittel umgesetzt, das glaube ich mittlerweile auch.“
Schauspieler Döhler sieht das anders. Er zeigt sich zwar von der
Auseinandersetzung mit den Theateraktivisten sichtlich berührt. Doch er
verteidigt im Namen der Kunstfreiheit das Mittel der Gesichtsbemalung. Kurz
vor der Vorstellung hätten er und sein Kollege Peter Moltzen spontan
beschlossen, in den weißen Farbtopf zu greifen: „Die Maske wird meiner
Figur von der Gesellschaft aufgedrückt, in der sie lebt. Darum geht es
doch! Und diese Maske verwischt im Laufe des Stücks“, sagt er. Er springt
dabei auf. Eine junge Aktivistin kontert: „Ihr könnt Euch nicht ewig hinter
künstlerischer Freiheit verstecken. Denn ich werde auf der Straße immer
noch gefragt, ob meine Haut abfärbt!“
Ob es mit dem Whiteface in „Unschuld“ weitergeht, bleibt am Ende des Abends
offen. „Wir werden vorerst zu keiner abschließenden Entscheidung kommen“,
so Dramaturg Düffel. Das DT und Bühnenwatch wollen die Gespräche
fortführen. Die nächste „Unschuld“-Aufführung steht für den 29. April a…
dem Spielplan.
22 Mar 2012
## AUTOREN
Joanna Itzek
## TAGS
Didi Hallervorden
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