| # taz.de -- Gauck als Bundespräsident vereidigt: Vertrauen, Freiheit, Chanceng… | |
| > Willkommen als Präsident im "Land des Demokratiewunders": Joachim Gauck | |
| > hat seinen Amtseid abgelegt und seine erste Grundsatzrede vor Bundesrat | |
| > und Bundestag gehalten. | |
| Bild: Zufrieden ins Amt gestartet: Joachim Gauck. | |
| BERLIN dapd | Bundespräsident Joachim Gauck will die Themen Vertrauen, | |
| Freiheit und Chancengleichheit in den Mittelpunkt seiner fünfjährigen | |
| Amtszeit rücken. Das kündigte Gauck am Freitag bei seiner Vereidigung in | |
| Berlin an und betonte: "Freiheit ist eine notwendige Bedingung für | |
| Gerechtigkeit." | |
| Umgekehrt sei Gerechtigkeit aber auch "Grundlage für die Freiheit". | |
| Hinzukommen müsse noch neues Vertrauen in sich selbst und in Deutschland | |
| als der gemeinsamen Heimat. | |
| Zugleich streckte Gauck in seiner ersten Rede im neuen Amt den Menschen mit | |
| Migrationshintergrund die Hand entgegen. Hier wolle er den von seinem | |
| Amtsvorgänger Christian Wulff eingeschlagenen Weg der Integration | |
| fortsetzen, versicherte das deutsche Staatsoberhaupt. Wulff sei für eine | |
| offene Gesellschaft eingetreten. Dieses Anliegen werde auch ihm "am Herzen | |
| liegen". | |
| ## Aufstehen gegen Extremisten | |
| Gauck rief die Menschen ferner auf, gegen Rechtsextremismus aufzustehen und | |
| die Demokratie in Deutschland zu verteidigen. "Wir lassen uns unsere | |
| Demokratie nicht wegnehmen, wir stehen zu diesem Land", sagte der | |
| Bundespräsident und fügte hinzu, das Motto solle lauten: "Eurer Hass ist | |
| unser Ansporn. Wir lassen unser Land nicht im Stich. Wir schenken euch | |
| nicht unsere Angst." | |
| Auch werde der Kampf gegen islamistische und terroristische Bedrohungen in | |
| Deutschland weitergehen, unterstrich Gauck weiter. Gerade jenen, die | |
| "hinter die europäische Aufklärung zurückfallen", wolle er sagen: "Die | |
| Völker ziehen in Richtung Freiheit. Ihr werdet den Zug vielleicht | |
| behindern, aber aufhalten werdet ihr ihn nicht." | |
| Besorgt zeigte sich der neue Bundespräsident in der Ansprache nach seiner | |
| Vereidigung über die geringe Wahlbeteiligung in Deutschland und die Distanz | |
| der Bürger zu ihrem Staat. "Wir alle haben nichts von dieser Distanz von | |
| Regierenden und Regierten", sagte er. Daher gelte es jetzt, vereint diese | |
| Distanz abzubauen. | |
| ## Mut zur Verantwortung | |
| Den Regierenden wolle er dabei ins Stammbuch schreiben: "Erst redet offen | |
| und klar, dann kann verloren gegangenes Vertrauen wiedergewonnen werden." | |
| Den Bürger wolle er zurufen: "Seid nicht nur Konsumenten". Wer ohne Not auf | |
| eine Mitgestaltung verzichte, der vergebe die Möglichkeit zur | |
| Verantwortung. | |
| Zugleich mahnte der Bundespräsident, die repräsentative Demokratie nicht | |
| generell infrage zu stellen. Die repräsentative Demokratie sei das einzige | |
| System, das Gemeinwohl- und Einzelinteressen ausgleichen könne. "Das | |
| Besondere des Systems ist nicht seine Vollkommenheit, sondern dass es sich | |
| um ein lernfähiges System handelt", fügte Gauck hinzu. Und die aktive | |
| Bürgergesellschaft bis hin zur digitalen Netzgemeinschaft ergänze das | |
| System und gleiche Mängel aus. | |
| Der Mut zur Mitgestaltung gilt nach Überzeugung von Gauck auch für das | |
| europäische Projekt. Gerade in Krisenzeiten sei die Flucht in den | |
| Nationalstaat ausgeprägter. Daher gelte es heute mehr denn je, das | |
| Bekenntnis zu Europa zu bewahren. Gerade in der Krise müsse der Grundsatz | |
| lauten: "Wir wollen mehr Europa wagen." Denn aus der Verheißung für frühere | |
| Generationen sei heute Europa längst aktuelle Lebenswirklichkeit geworden. | |
| ## Mehr Europa wagen und Demokratie stärken | |
| Einen ausdrücklichen Dank richtete Gauck an die 68er Generation. Sie habe | |
| nicht nur Verkrustungen aufgebrochen, sondern die kollektive Schuld der | |
| Deutschen ins Bewusstsein gerückt. An diesem Beispiel hätten sich auch | |
| später die Ostdeutschen ein Beispiel genommen. | |
| 1989 schließlich sei den Deutschen im Osten die friedliche Revolution | |
| gelungen. "Wir wurden ein Volk", betonte Gauck. Mit dem Fall der Mauer | |
| seien aber nicht nur die Deutschen vereinigt worden, sondern auch die | |
| Kriegsgefahr in Europa gebannt worden. Jetzt sei es möglich und notwendig, | |
| die Herausforderungen der Zeit anzunehmen. | |
| Zum Schluss seiner knapp halbstündigen Rede auf der gemeinsamen Sitzung von | |
| Bundestag und Bundesrat sagte Gauck, er wolle um ein Geschenk bitten: um | |
| Vertrauen. Vertrauen in seine Person, Vertrauen in jene, die Verantwortung | |
| tragen, Vertrauen in alle Bürger des wiedervereinigten Landes und | |
| schließlich, Vertrauen in sich selbst. "Nur ein Mensch mit Selbstvertrauen | |
| kann Fortschritte machen und Erfolge haben - dies gilt für einen Menschen | |
| wie für ein Land." | |
| 23 Mar 2012 | |
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