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# taz.de -- Debatte ums Urheberrecht: Wunsch und Wirklichkeit
> Wenn alles Verbieten nichts nützt: Der „Wirtschaftsdialog“ bringt
> Rechtevertreter und Internetwirtschaft zusammen. Nun kursiert eine Liste
> von möglichen Ergebnissen im Netz.
Bild: Wo geht's lang in Sachen Urheberrecht?
Der „Wirtschaftsdialog für mehr Kooperation bei der Bekämpfung der
Internetpiraterie“ ist ein politischer Kaffeeklatsch unter Ungleichen: auf
der einen Seite sitzen die, die ihre Geschäftsmodelle vom Internet bedroht
sehen. Und auf der anderen Seite sitzen die, deren Geschäftsmodell der
Zugang zum Internet ist.
Auf Einladung des Wirtschaftsministeriums sitzen sich seit Ende 2008 zwei
Seiten gegenüber, die gar nicht die eigentlichen Kontrahenten sind: die
„bösen“ aus Sicht der Rechteinhaber sind nicht die Anbieter von
Internetzugängen oder Speicherorten im Netz. Sondern diejenigen, die
widerrechtlich Datenpakete mit urhebeberrechtlich geschützten Inhalten über
deren Leitungen jagen, sprich: die Nutzer.
Da aber alles Verfolgen, Verklagen und Verbieten bei den Nutzern bislang
nicht fruchtete, versucht das Wirtschaftsministerium, diese beiden
Mitspieler zu gemeinsamen Lösungen zu bewegen, während man die Nutzer drei
Jahre lang außen vor ließ. Nur: Bewegen tut sich seit dem Start kaum etwas.
Das könnte sich ändern, wenn man einer Liste Glauben schenkt, die vor
einigen Tagen im Internet auftauchte.
Der Arbeitskreis gegen Zensur im Internet („AK Zensur“) hatte eine Art
[1][„Ergebnisliste“] veröffentlicht, worauf sich die beiden
Wirtschaftsseiten vielleicht geeinigt haben sollen. Die Liste führt einige
Maßnahmen auf, durch die die unzulässige Verbreitung von Inhalten im Netz
erschwert werden soll. So sollte beispielsweise die Werbewirtschaft dafür
sorgen, dass künftig auf einschlägigen Internetseiten keine seriöse Werbung
mehr geschaltet wird. Und auch eine Verstärkung der internationalen
Zusammenarbeit zur Bekämpfung solcher Seiten soll angestrebt werden, wenn
es nach der Zehn-Punkte-Liste geht.
Gerade an diesen beiden Punkten wird bereits das Problem deutlich: selbst
wenn sich die Wirtschaft untereinander hier auf einen Grundkonsens einigen
könnte – die konkrete Ausgestaltung wäre kaum gemeinsam tragbar. Während
die Rechtevertreter immer wieder Angebote als Hort des Bösen
klassifizieren, verweisen die Vertreter der Netzwirtschaft darauf, dass die
meisten Angebote sowohl für legale wie illegale Zwecke genutzt würden und
daher eine Pauschalbetrachtung nicht in Frage komme. In der Liste sind
zudem einige Ideen enthalten, die noch weit über das hinausgehen, was man
bislang von den Rechteinhabern an Wunschvorstellungen kannte: man wolle nun
neben Anschlussinhabername und Adresse künftig auch noch E-Mailadresse,
Bankdaten und weitere vom Nutzer genutzte IP-Adressen bekommen können.
## Leere Hände
Diese Forderungen kamen wohl erstmals bei der vergangenen Runde Mitte März
auf den Tisch und dürften weder technisch sinnvoll noch im Rahmen dessen
liegen, was das Bundesverfassungsgericht unter anderem im
Vorratsdatenspeicherungsurteil als Messlatte anlegte. Aber offenbar stehen
die Rechteverwerter am Ende eines dreijährigen Prozesses, bei dem sie sich
von der neuen CDU/CSU- und FDP-Bundesregierung die Erfüllung ihrer lange
bekannten Wunschlisten zur Pirateriebekämpfung erhofften, mit weitgehend
leeren Händen da: kein französisches Hadopi-Three-Strikes-Modell, wohl
nicht einmal ein 2-Strikes-Verwarnmodell ist mit deutschem Recht vereinbar
und zugleich politisch durchsetzbar.
Derzeit wird im Bundesministerium der Justiz auch noch eine effektive
Deckelung der Abmahngebühren ausgearbeitet und auch aus der Union gibt es
viele Stimmen, die dies für richtig und zeitgemäß halten. Das
Bundesverfassungsgericht hat die Anschlussinhaber-Beauskunftung zwar nicht
komplett, aber doch mit hohen Hürden versehen – die noch höher werden
könnten, wenn IPv6 sich endgültig zum Adressstandard im Internet
aufschwingt, was in den kommenden Jahren der Fall sein wird.
Eineinhalb Jahre vor der nächsten Bundestagswahl ist eines klar: die
Situation ist verfahrener als zuvor, die Rechteinhaber fordern immer weiter
das, was sie schon lange forderten. Und legen immer wieder ein Schippchen
drauf, als ob ihre alten Vorschläge dann moderater erscheinen sollten. Nur
machbar ist kaum einer von ihnen – selbst wenn man gar nicht erst fragt, ob
es zielführend oder wünschenswert wäre. Weshalb sich nicht nur das
Bundeswirtschaftsministerium fragen muss, ob der sogenannte
Wirtschaftsdialog denn tatsächlich fortgesetzt werden sollte.
26 Mar 2012
## LINKS
[1] http://ak-zensur.de/2012/03/wunschliste.html
## AUTOREN
Falk Lüke
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