# taz.de -- Kommentar The Pirate Bay: Wenn das letzte Gedicht verkauft ist | |
> Filesharer betreiben mit ihrem Tun grundsätzliche Kapitalismuskritik. Sie | |
> selbst und die politische Linke haben es nicht begriffen, die Konzerne | |
> schon. | |
The Pirate Bay gegen Hollywood, David gegen Goliath, Hase gegen Igel – die | |
klammheimlichen Sympathien des Internet-affinen Publikums sind immer auf | |
der Seite der vermeintlich Unterlegenen. | |
Der weltweite und verbissene Kampf um das Urheberrecht wird immer | |
abstruser: Die Filesharer von Pirate Bay kündigten an jetzt Server in die | |
Luft schießen zu wollen, um sich dem Zugriff der Content-Mafia zu | |
entziehen. Es fehlt nur noch eine Weltraumschlacht – ein Star Wars darum, | |
ob man eine illegale Kopie des Films Star Wars aus dem Weltraum | |
herunterladen kann. Das ist wahrhaft großes Kino. | |
In Wahrheit geht es aber um etwas Anderes: Darf man geistiges Eigentum | |
verbreiten, auch wenn man nicht die Rechte daran hat? Je nach Perspektive | |
fällt die Antwort sehr unterschiedlich aus. Vermutlich würden die Hopi | |
heute weissagen: „Erst wenn das letzte Gedicht verscherbelt, das letzte | |
Foto bei Getty Images, das letzte Buch in Verlagsbesitz und die letzten | |
Filmrechte vergeben sind, werdet ihr merken, dass man Gedanken Anderer | |
nicht verkaufen kann.“ | |
Der nette PR-Gag um die Filesharer-Drohne im All ist erst der Anfang. Auch | |
wenn die Beteiligen es gar nicht wissen oder vielleicht nur ahnen: Wer das | |
Urheberrecht auch nur im geringsten anzweifelt, wetzt ein Messer gegen die | |
heilige Kuh des Kapitalismus – das Privateigentum. Man sollte nicht | |
vergessen, dass die meisten Kriege der Neuzeit darum geführten wurden, um | |
sich die „Rechte“ an irgendetwas zu sichern – Rohstoffe etwa. | |
Auch Gedanken sind ein Rohstoff, aus dem literarische Werke entstehen oder | |
Gemälde oder Computerspiele. Es geht nicht um Omas kleines digitales | |
Häuschen im Internet. Nein, die Abzocke mit Rechten an den geistigen Werken | |
Anderer ist erst durch das Internet ein riesiger Wirtschaftszweig geworden, | |
ein Geschäftsmodell, mit dem ganze Heerscharen von Anwälten ihr Dasein | |
finanzieren. | |
## Perverse „Gewinnverbesserung“ | |
Wer heute Uralt-CDs der [1][Heavy-Metal-Band Iron Maiden gebraucht | |
verkauft], riskiert die Privatinsolvenz. Wer vielleicht eine | |
daumennagelgroße Karte vor einem Jahrzehnt online publiziert hat, ohne sich | |
um die Rechte zu kümmern, wird nicht unter 2.000 Euro Anwaltskosten | |
bestraft. Kinderlieder auf Weihnachtsmärkten? Da kommt der | |
Gerichtsvollzeiher der GEMA. Dudelmusik im Wartezimmer des Zahnarztes? Das | |
Inkassobüro ihres Vertrauens wartet schon. | |
„Gewinnverbesserung durch Abmahnverfahren” [2][nennt man das] in der | |
Branche. Anwälte verdienen am „Schutz” der Rechte oft ein Vielfaches als | |
die Schöpfer des geistigen Eigentums. | |
Was ist perverser: Wenn man US-Sparern Wertpapiere angedreht hat und | |
zugleich auf deren Wertverfall wettet – wie die Deutsche Bank es getan hat? | |
Oder wenn man 90 Millionen Euro offene Forderungen aus | |
Filesharing-Abmahnungen versteigert wie [3][die Regensburger | |
Rechtsanwaltskanzlei Urmann + Collegen]? | |
Das Urheberrecht ist an diesen Auswüchsen nicht schuld. Das Recht spiegelt | |
nur die Machtverhältnisse in der Ökonomie wider. Kapitalismus ist ohne | |
Eigentum an allem und jedem nicht zu haben. Ein bisschen Schwangerschaft | |
geht genauso wenig wie ein „vernünftiges“ Urheberrecht, ein „gerechter“ | |
Lohn oder ein „fairer“ Preis. | |
Wer ein Stück aus der heiligen Kuh schneiden will, stellt in den Augen der | |
Herrschenden die Systemfrage, auch wenn es gar nicht so gemeint war – wie | |
bei Spartakus, der das Recht auf Privateigentum an Sklaven missachtete oder | |
den schlesischen Webern, die die Produktionsmittel des Eigentümers | |
zerstörten. Der Strick des Henkers, das Peloton oder das Zuchthaus sind die | |
logische Konsequenz. | |
## In der Tradition der Linken | |
Wer das Urheberrecht anzweifelt, wäre früher als Kommunist beschimpft | |
worden und in Störtebekers Zeiten als „Likedeeler” – als jemand, der etw… | |
mit anderen einfach „gleichteilt“, obwohl er die Rechte an der Beute hat. | |
Daher stehen die Filesharer – auch wenn es sich heute um zum Teil | |
schmierige oder schillernde Gestalten wie Kimble Dotcom handelt – in der | |
historischen Tradition der Linken, ob sie es wollen oder nicht. | |
Davon will weder die politische Linke in Deutschland etwas wissen noch die | |
Piraten. Nur die, gegen die der Angriff geht – die großen Konzerne, die | |
Privateigentümer an geistigen Schöpfungen sind – haben verstanden und | |
reagieren angemessen und konsequent mit dem totalen juristischen Krieg. | |
22 Mar 2012 | |
## LINKS | |
[1] http://www.gulli.com/news/486-iron-maiden-abmahnung-bewusste-falschdarstell… | |
[2] http://netzpolitik.org/2009/digirights-solutions-praesentation-zur-gewinnve… | |
[3] http://www.heise.de/newsticker/meldung/Abmahnkanzlei-versteigert-90-Million… | |
## AUTOREN | |
Burkhard Schröder | |
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