# taz.de -- Kommentar Siedlerpolitik in Israel: Justiz mutiger als Politiker | |
> Die Richter des israelischen Obersten Gerichtshofs gehen entschlossener | |
> gegen die Siedler vor als Ministerpräsident Netanjahu. | |
Die Obersten Richter in Jerusalem zeigten mit ihrem Urteil zur Räumung der | |
Siedlung Migron mehr Zivilcourage als die Regierung. Ministerpräsident | |
Benjamin Netanjahu und seinen rechtsnationalen Koalitionspartnern wäre es | |
lieber gewesen, einer so unpopulären Maßnahme aus dem Weg zu gehen. Die | |
Richter ließen ihn kalt abblitzen. Keine Kapitulation vor den Siedlern, | |
lautet ihre Botschaft. | |
Selbst Ariel Scharon, einst gefürchteter Feldherr und später | |
Regierungschef, tat sich unglaublich schwer, ein paar tausend Siedler aus | |
dem Gazastreifen herauszuholen. Dass es heute nicht leichter ist, | |
Siedlungen aufzulösen, geht auch auf sein Versagen zurück. Das Ende des | |
Siedlungsblocks Gusch Katif im Gazastreifen war stümperhaft geplant. | |
Noch Jahre nach der Räumung des Gazastreifen warten hunderte Familien in | |
Ausweichquartieren auf dauerhaften Wohnraum. Für viele Bauern ist es | |
inzwischen zu spät, noch mal von vorn anzufangen. Israels Abzug aus den | |
Gazastreifen wurde für sie zur persönlichen Katastrophe. Ihr Schicksal | |
lässt den Unmut der Siedler im Westjordanland anschwellen, sobald von | |
Räumungen die Rede ist. | |
Nicht noch einmal wollen sie es Regierung und Sicherheitskräften so leicht | |
machen wie im August 2005. Auch wenn sich nach einer Untersuchung der | |
Initiative „Schalom Achschav“ (Frieden Jetzt) nur ein Bruchteil der Siedler | |
mit Gewalt zur Wehr setzen würde und eine noch kleinere Gruppe schon jetzt | |
Palästinenser und Soldaten angreift, sobald die Regierung gegen Siedlungen | |
entscheidet: Die Extremisten genießen ideologisch die Rückendeckung von | |
Zig-, wenn nicht gar Hunderttausenden. | |
Die viel zu sanfte Hand, mit der die Sicherheitskräfte versuchen, Ruhe im | |
besetzten Land zu bewahren, lässt die radikalen Siedler immer frecher | |
werden und Evakuierungen zu Machtkämpfen mit ungewissem Ausgang. Wenn | |
Netanjahu die Räumung von Migron nicht gelingt, dann schafft er es in | |
Ostjerusalem auch nicht. | |
26 Mar 2012 | |
## AUTOREN | |
Susanne Knaul | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Illegale Häuser in Westjordanland: Knesset watscht Siedler ab | |
Das Parlement in Jerusalem stimmt für den Abriss von fünf Häusern in der | |
Siedlung Bet El im Westjordanland. Die sind auf privatem palästinensischen | |
Grund errichtet worden. | |
Neue Regierungskoalition in Israel: Ein nächtlicher Überraschungscoup | |
Benjamin Netanjahus Likud bildet eine große Koalition mit der | |
oppositionellen Kadima-Partei. So umgeht der Regierungschef Neuwahlen im | |
September und ist politisch gestärkt. | |
Propalästinensische Protest-Kampagne: Neun Aktivisten aus Israel ausgewiesen | |
40 Teilnehmer der Kampagne „Willkommen in Palästina“ sitzen noch in | |
Abschiebehaft in Israel. Sie wollten gegen die Lebensbedingungen im | |
Westjordanland protestieren. | |
Energiekrise in Gaza: Unmut über die Hamas nimmt zu | |
Die anhaltende Energiekrise verärgert die palästinensische Bevölkerung. Die | |
politische Führung der islamischen Organisation stellt Sicherheitsleute an | |
Tankstellen auf. | |
Energienotstand im Gazastreifen: Nur sechs Stunden Strom am Tag | |
Eine seit zwei Monaten andauernde Energiekrise beeinträchtigt die | |
Grundversorgung im Gazastreifen. Die Hamas macht die ägyptische Regierung | |
dafür verantwortlich. | |
Israel-Palästina-Konflikt: Randale am „Tag des Bodens“ | |
Am Checkpoint in Kalandia kommt es zu Auseinandersetzungen zwischen | |
Palästinensern und Soldaten. Israel plant, den Siedlungsbau noch zu | |
intensivieren. | |
Migron im Westjordanland: Siedler müssen raus | |
Die 300 Einwohner des israelischen Vorpostens Migron müssen ihre Wohnungen | |
in vier Monaten verlassen. Der Oberste Gerichtshof lehnte einen Kompromiss | |
ab. |