# taz.de -- Kommentar SPD nach der Wahl: Weder anders noch besser | |
> Die SPD fürchtet die demobilisierende Kraft der Aussicht auf eine große | |
> Koalition. Wer keine wirkliche Alternative darstellt, muss sich darüber | |
> nicht wundern. | |
Mitunter braucht es sehr lange, bis in der Politik aus Erfahrung Erkenntnis | |
wird. Dass große Koalitionen für die SPD keine Werbemaßnahmen sind, müssten | |
die Sozialdemokraten nach der bundespolitischen Schrumpfkur ab 2005 | |
eigentlich noch vor Augen haben. Und dass ihr eine Juniorpartnerschaft mit | |
der CDU auch auf Landesebene nicht viel bringt, steht unter anderem in den | |
Geschichtsbüchern von Sachsen, Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein. | |
Heiko Maas hat im Saarland trotzdem und sogar schon vor der Wahl die SPD an | |
die Union versprochen – der kleinen Niederlage am Wahlsonntag, seit dem die | |
Sozialdemokraten trotz Stimmengewinnen als Verlierer dastehen, wird beim | |
nächsten Urnengang eine große Abrechnung folgen. | |
Vor ihrem Erfahrungshintergrund klingt es schon fast ein wenig lächerlich, | |
wenn führende Sozialdemokraten jetzt mit der für sie offenbar | |
überraschenden Überlegung hausieren gehen, die Ergebnisse von Saarbrücken | |
könnten als Absage von SPD-Basis und Anhängerschaft an Große Koalitionen | |
verstanden werden. | |
„Die Aussicht auf eine große Koalition mobilisiert die SPD-Anhänger einfach | |
nicht“, sagt Generalsekretärin Andrea Nahles. Und auch | |
Parlamentsgeschäftsführer Thomas Oppermann robbt sich an den Gedanken | |
heran, dass Bündnisse mit der CDU „für die SPD kein Wähler mobilisierendes | |
Thema“ sind. | |
Heureka! Nur: Was folgt daraus? Noch vor ein paar Wochen hat SPD-Chef | |
Sigmar Gabriel behauptet, für die Sozialdemokraten gehe es „nicht um einen | |
Wahlkampf gegen die Kanzlerin Merkel“, im Herbst 2013 stehe „eine | |
Richtungswahl, keine Lagerwahl“ an. | |
So spricht, wer in den Umfragen erkennt, dass es für Rot-Grün am Ende gar | |
nicht reichen könnte. Nur ist das eben nicht zuerst eine Frage der | |
demoskopischen Wasserstände, sondern umgekehrt wird ein Schuh daraus: Weil | |
SPD und Grüne gar nicht als wirkliche Alternative zum Merkelismus gesehen | |
werden, fällt auch die Zustimmung gering aus. | |
## Furcht vor der eigenen Courage | |
Es sollte die beiden Parteien, die sich in zentralen Fragen wie der | |
Eurokrisen-Politik als Teil des austeritätsgläubigen Zentrums verstehen, | |
nicht überraschen. Tut es aber offenbar doch. | |
Noch vor der Saarland-Wahl wurde über eine Bestandsanalyse aus dem | |
Willy-Brandt-Haus berichtet, in der sich die Sozialdemokraten attestieren, | |
dass ihr Forderungskatalog „zu vielfältig und zu unübersichtlich“ sei und | |
die politischen Antworten der SPD nicht „an der Lebensrealität anknüpfen“. | |
Wenn darin vornehmlich ein Kommunikationsproblem gesehen wird, zeigt das, | |
wie wenig die Partei begriffen hat – oder wie groß ihre Furcht vor der | |
eigenen Courage ist. | |
Die SPD versucht, ihre vergleichsweise geringe Attraktivität als | |
Oppositionskraft in einem Ähnlichkeitswettbewerb mit der Regierung zu | |
verbessern. Solange das so bleibt, hilft es auch nicht, im Wahlkampf auf | |
den Ladenhüter große Koalition zu verzichten. Denn am Ende interessieren | |
sich die Leute gar nicht so sehr für die Farbvarianten einer Regierung, | |
sondern für das, was diese politisch umsetzt und welche Auswirkung das auf | |
das eigene Leben hat. | |
In der Mitte, auf deren Eroberung die SPD dereinst so stolz war, ist es in | |
der Ära Merkel eng geworden. Vom Mindestlohn über die | |
Finanztransaktionssteuer bis zur Außenpolitik – auf vielen Feldern stehen | |
sich die Parteien gegenseitig auf den Füßen. | |
Auf die Mehrfachkrise des real existierenden Kapitalismus – Umwelt, | |
Wirtschaft, Verteilung - sucht ein schwarz-gelb-rot-grüner herrschende | |
Block mit ökologischer Modernisierung zu reagieren, man erkennt allenfalls | |
graduelle Unterschiede – etwa in der Frage, welche Elemente eines | |
autoritären Neoliberalismus – Schuldenbremse, Finanzialisierung, | |
Prekarisierung - unangetastet bleiben sollen. 1998 war das sogar der Slogan | |
der Schröder-SPD: „Wir machen nicht alles anders, aber vieles besser“, hie… | |
es damals. Mit den politischen Aufräumarbeiten sind die Sozialdemokraten | |
immer noch beschäftigt. | |
## „Was ist links?“ | |
„Es muss anders werden, damit es wieder besser wird“, geistert jetzt als | |
mögliches Wahlmotto für 2013 in der SPD-Zentrale herum. Solange die Partei | |
nicht auch inhaltlich für eine wirkliche Alternative steht, bleibt das | |
bloßes Marketing. | |
„Was ist links?“, hat sich Gabriel dieser Tage in einem Interview selbst | |
gefragt und geantwortet, dabei gehen es nicht vorrangig um solche Dinge wie | |
die Rentenversicherung. Dabei schlägt sich in deren Organisation doch mit | |
gravierenden Auswirkungen nieder, wie Politik den Widerspruch von | |
Interessen, den zwischen Kapital und Arbeit organisiert. Der | |
SPD-Vorsitzenden redete sich stattdessen mit dem Hinweis auf die „Kraft des | |
Arguments“ heraus. Hat die SPD welche? | |
Sozialdemokratische Politik in einem alten, aber keineswegs überholten | |
Sinne heißt, sich zu entscheiden, für wen es „besser“ werden soll - und w… | |
man dafür, gegen starke Kräfte, die es als Profiteure der Verhältnisse gar | |
nicht „anders“ haben wollen, bereit ist durchzusetzen. Man darf zweifeln, | |
dass diese Erkenntnis in der SPD zurzeit viele Anhänger hat. Solange das so | |
bleibt, ist auch der Unterschied zwischen Rot-Grün und einer großen | |
Koalition ziemlich klein. | |
27 Mar 2012 | |
## AUTOREN | |
Tom Strohschneider | |
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