# taz.de -- Erfolgreiche Gegenwehr: Kein guter Tag für Nazis | |
> In Lübeck blockiert ein gesellschaftliches Bündnis einen | |
> Neonazi-Aufmarsch. Nazis wittern "Kumpanei" zwischen "linksradikalen | |
> Gewalttätern und Polizei". | |
Bild: Im Straßenkampfdress der 20er Jahre: der Hamburger NPD-Vize und Neonazif… | |
LÜBECK taz | Maximal 120 Neonazis treffen in Lübeck auf fast 3.000 | |
Menschen, die gegen sie protestieren. Nur 200 Meter lang ist ihr Marschweg, | |
1.800 Polizisten sind im Einsatz. Der Lautsprecherwagen kommt trotzdem | |
nicht durch. Und auch die Ausweich-Veranstaltung in Plön am Nachmittag ist | |
ein Flop. Nur 25 „Kameraden“ kommen und werden von 500 Protestierenden | |
empfangen. Nach nur 45 Minuten ist auch hier der Spuk vorbei. Der | |
gerichtlich durchgesetzte Trauermarsch der rechten Szene zum 70. Jahrestag | |
des Bombardements von Lübeck durch die Royal Air Force im 2. Weltkrieg ist | |
für die Neonazi-Szene ein trauriger Marsch. | |
Ursprünglich hatte Bürgermeister Bernd Saxe (SPD) das Spektakel in Lübeck | |
verbieten wollen. Doch die Gerichte stoppten seinen Vorstoß, und so war | |
klar, dass die Neonazis marschieren. Schon am frühen Morgen folgen 2.500 | |
AntifaschistInnen dem Aufruf des Bündnisses „Wir können sie stoppen“ und | |
setzen sich von der Altstadt in Richtung Bahnhof in Bewegung. In dem | |
Bündnis vertreten sind autonome Antifa, Links- und Piratenpartei, Grüne, | |
SPD und Gewerkschaften sowie Kirchen, die Jüdische Gemeinde und der Rat der | |
muslimischen Moscheen. | |
Weil Wahlkampf ist, ist viel Politprominenz dabei. CDU-Ministerpräsident | |
Peter Harry Carstensen, der eigentlich auf der Kundgebung reden wollte, | |
aber nicht reden durfte, und auch CDU-Spitzenkandidat Jost de Jager lassen | |
sich blicken. Die Demonstration geht über den Bahnhof bis zum sogenannten | |
Ziegelteller – einem Kreisel hinter dem Bahnhof, der außer einer | |
Stichstraße an der St.-Lorenz-Kirche die einzige Verbindung zum | |
Kundgebungsplatz der Neonazis am Bahnhof ist. Als ein Bewohner eines | |
Hochhauses am Ziegelteller „Heil Hitler“ skandiert, erklimmen Polizisten | |
das siebte Stockwerk und nehmen den Mann fest. | |
Am Bahnhof treffen indes die Neonazis nur spärlich ein und warten | |
beharrlich auf den Lautsprecherwagen, der wegen der Blockade nicht | |
durchkommt. Als der Fahrer bei der Anfahrt panisch zurücksetzt, rammt er | |
ein Zivilfahnder-Auto und verletzt zwei Polizisten. | |
Ohne Lausprecherwagen setzt sich der Neonazi-Aufmarsch in Richtung | |
Ziegelteller in Bewegung. Nach nur 200 Metern ist Schluss. In 100 Metern | |
Hörweite stehen sich Neonazis – die auffällig sichtbar ihre Frauen von | |
„Jungen Nationaldemokraten“ medial in Position bringen – und Demonstranten | |
gegenüber. Der Neonaziführer und Hamburger NPD-Vizechef Thomas „Steiner“ | |
Wulff preist das Event im Gestapo-Mantel als „propagandistischen Erfolg“ | |
und prangert das „marode System“ aus einer „Bande von Gaunern“ an. | |
Auf dem Ziegelteller sprechen währenddessen Vertreter politischen Parteien, | |
sie sprechen sich für ein entschiedenes Eintreten gegen Neonazis aus. Der | |
SPD-Landesvorsitzende Ralf Stegner und die Bundesvorsitzende der Linken, | |
Gesine Lötzsch, fordern ein Verbot der NPD. „Das ist hier ein grandioses | |
Zeichen gegen rechts“, sagte die evangelische Bischöfin Kirsten Fehrs. Es | |
sei „undenkbar“, dass „eine Stadt wie Lübeck gegen ein Auftreten von rec… | |
kein Zeichen setzt“. | |
Wenig später bricht Wulff die Neonazi-Kundgebung vorzeitig ab, weil | |
angeblich die im benachbarten Pansdorf abgestellten Autos der angereisten | |
Neonazis „angegriffen“ werden. „Die zur Sicherung eingesetzten Kameraden | |
können das allein nicht schaffen“, sagt Wulff. Und dass der | |
Lautsprecherwagen wegen Blockaden nicht durchgekommen sei, nennt er eine | |
„Kumpanei linksradikaler Gewalttäter und der Polizei“. | |
Dass sich die Rechten nicht mit dem Bombardement Lübecks befasst haben, | |
dokumentiert dann der NPD-Landesvorsitzende Jens Lütke bei der Kundgebung | |
in Plön, die vorsorglich als Ersatz für ein Lübecker Demo angemeldet worden | |
war, falls deren Verbot doch durchkommen sollte. „Wir gedenken“, sagt er, | |
„der Opfer von vor 68, äh 66 Jahren – oder was auch immer.“ | |
1 Apr 2012 | |
## AUTOREN | |
Peter Müller | |
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