# taz.de -- Breivik-Prozess: Die Rudelmentalität der Medien | |
> Zum Breivik-Prozess bereitet sich Oslo auf einen Massenansturm | |
> internationaler Medien vor. Betroffene warnen: Macht nicht das | |
> PR-Geschäft für den Terroristen! | |
Bild: Stehen Schlange vor dem Gerichtssaal: MedienvertreterInnen zur Causa Brei… | |
STOCKHOLM taz | „Terrorzirkus“ grauste es Oslos linker Tageszeitung | |
Klassekampen dieser Tage. Da sind die NorwegerInnen nach den Terrortaten | |
des 22. Juli auf gutem Wege, zur Tagesordnung zurückzukehren – und in der | |
kommenden Woche beginnt nun der Prozess gegen Anders Behring Breivik. | |
Die Medien haben zum Großeinsatz geladen. Allein ausländischen | |
JournalistInnen wurden 430 Akkreditierungen erteilt. Laut dem | |
öffentlich-rechtlichen Rundfunk NRK rücken CNN, BBC und Sky News mit je | |
zehn MitarbeiterInnen an, das ZDF mit 12, der Spiegel mit fünf, die | |
britische Sun mit 3. | |
Per Edgar Kokkvold vom norwegischen Presseverband hofft, dass „der | |
Medienzirkus nicht ganz außer Kontrolle gerät“. Und der | |
Journalistik-Professor Rune Ottosen appelliert an die Medienleute, die | |
„ethischen Alarmglocken“ nicht zu überhören. Nach den bisherigen | |
Erfahrungen kann man da nicht sicher sein: So wurde vor einigen Wochen beim | |
bislang ersten und einzigen öffentlichen Gerichtstermin in Sachen Breivik | |
einfach gegen das Filmverbot verstoßen. | |
Die PR-Regie des Massenmörders sei bislang „teuflisch gut aufgegangen“, | |
konstatiert die Osloer Wochenzeitung Ny Tid. Von den Fotoposen bis zu all | |
seinen Erklärungen: Die meisten Medien sähen kein Problem, alles unkritisch | |
weiterzureichen. | |
Dabei hat Breivik in „2083“, seinem 1.500-seitigen „Manifest“, in dem er | |
Nachahmern gute Ratschläge für ihren „Kampf“ gibt, kein Hehl daraus | |
gemacht, dass Zweck solcher Terrortaten vorwiegend die öffentliche | |
Aufmerksamkeit sei, die sie auslösen. Und er gibt dort „Tempelrittern und | |
anderen patriotischen Widerstandskämpfern“ gute Ratschläge, wie sie „nach | |
der erfolgreichen Operation“ das Gerichtsverfahren für ihre Sache | |
instrumentalisieren sollten. | |
## „Konditionierung durch psychologische Kriegführung“ | |
Verurteilt werde man sowieso, sieht er ganz realistisch voraus, doch es | |
gelte, die „glänzenden Propagandamöglichkeiten“ eines solchen Prozesses zu | |
nutzen. „Das Schlüsselwort ist Konditionierung durch indirekte | |
psychologische Kriegführung.“ | |
Ein nichtöffentliches Verfahren hatten viele Opferangehörige gefordert. | |
Doch wäre das aus Gründen des Prozessrechts nicht zulässig und wohl auch | |
kontraproduktiv. Nun werde die Prozessberichterstattung „ein Test für die | |
Medien“, meint Eskil Pedersen, Vorsitzender der norwegischen | |
Jungsozialisten und einer, der selbst die Schüsse Breiviks überlebt hat. Er | |
fürchtet, dass die Journalisten unter dem Zwang, täglich neue Geschichten | |
liefern zu müssen, gute Vorsätze schnell vergessen könnten. | |
Eine Sorge, die Opferanwältin Mette Yvonne Larsen teilt. Sie glaubt, schon | |
bislang eine „Rudelmentalität“ beobachtet zu haben. Pedersen warnt: Wenn es | |
den JournalistInnen nur darum gehe, die griffigsten Zitate und die | |
eingängigsten Bilder weiterzuvermitteln, hätten sie den „Test“ nicht | |
bestanden. | |
Nils Øy, Vorsitzender der norwegischen Redakteursvereinigung, sieht das | |
Dilemma. Einerseits könnten die Medien kaum vermeiden, Breivik das | |
erstrebte Podium zu bieten. Andererseits, so Øy, spielten die Erklärungen | |
Breiviks für die letztendlich von den RichterInnen allein zu entscheidenden | |
juristischen Fragen eine Rolle: „Es geht ja vor allem – um nicht zu sagen | |
nur – noch darum, ob der Angeklagte als unzurechnungsfähig anzusehen ist | |
oder nicht.“ | |
Dem Gericht liegen seit Dienstag zwei rechtspsychiatrische Gutachten vor, | |
die in dieser Frage zu konträren Resultaten kommen. | |
10 Apr 2012 | |
## AUTOREN | |
Reinhard Wolff | |
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