# taz.de -- Dokumentarfilm „Work Hard – Play Hard“: Arbeit 2.0 | |
> Ein Dokumentarfilm schaut sich in deutschen Unternehmen um: Dort soll das | |
> Personal so gut wie möglich „performen“ und bereit sein, „ein bisschen… | |
> challengen“. | |
Bild: Sumpf der Verschwendung, Berg der Veränderungsangst: Das Arbeitsleben ha… | |
Der multinationale Konzern Unilever versteht sich seit einiger Zeit als | |
„vitality company“. Dazu gehört auch, dass die Mitarbeiter vital sind, wenn | |
sie sich neue Kombinationen aus Grundstoffen und Beigaben ausdenken oder | |
Strategien, wie man die daraus entstehenden Produkte an die Konsumenten | |
bringt. | |
Zur Vitalität der Unilever-Mitarbeiter in Deutschland trägt wesentlich bei, | |
dass viele von ihnen in einer neuen Firmenzentrale in der Hafencity von | |
Hamburg arbeiten, bei der schon in der Planung den Anforderungen | |
veränderter Arbeitsbedingungen Rechnung getragen wurde. | |
Man könnte von einem angenehm verschachtelten Gebäude sprechen, in dem | |
Besprechungen am Gang abgehalten werden können und die Floskel „auf Zuruf“ | |
ganz neue Bedeutung bekommt. Das ist zwar noch nicht ganz der „Workplace | |
2.0“, von dem in Carmen Losmanns Film „Work Hard – Play Hard“ ein Manag… | |
einer Unternehmensberatung spricht, aber ein Schritt in die entsprechende | |
Richtung. | |
Auf jeden Fall geht es darum, aus dem Personal das Optimum herauszuholen – | |
es soll so gut wie möglich „performen“ und auch bereit sein, sich „ein | |
bisschen zu challengen“. Denn schließlich bleibt im modernen | |
Wirtschaftsleben nichts je so, wie es gerade ist, sondern es ändert sich | |
alles. | |
Der US-amerikanische Präsident hat die Parole vom Wandel für einen Moment | |
in den Zusammenhang demokratischer Entwicklung gestellt, doch längst gehört | |
sie wieder dem Neusprech der Manager: „change“ ist so essenziell, dass | |
große Unternehmen eigene „change agents“ beschäftigen, die dabei helfen, | |
dass alles „leaner“ wird, also „schlanker“. | |
Carmen Losmann ist weit davon entfernt, diese Parolen zu denunzieren. Sie | |
behauptet mit ihrem Film noch nicht einmal implizit, dass sie die | |
dahinterliegenden Werte und Ziele in den Blick bekommt, wenngleich | |
Effizienz hier durchaus eine anschauliche Form in verschiedenerlei Gestalt | |
bekommt (Architektur, Habitus, Jargon). | |
## Triviale Diagramme auf Flipcharts | |
Die einzige Ironie, die aus „Work Hard – Play Hard“ ersichtlich wird, ist | |
die, dass ausgerechnet die Rituale der Optimierung, die hier zu sehen sind, | |
selbst häufig den Eindruck des Redundanten machen. Triviale Diagramme auf | |
Flipcharts scheinen einen wichtigen Teil aller | |
Unternehmens(berater)kulturen auszumachen: Engagement wird da | |
bedeutungsschwer in „rational“, „emotional“ und „motivational“ aufg… | |
(dass der Begriff auch noch eine ganz andere Semantik hat, muss dabei | |
verdrängt werden). | |
In großen deutschen Firmen hat Carmen Losmann gefilmt, sie hat mit | |
diskreter Kamera an Meetings teilgenommen, bei Assessment-Gesprächen | |
mitgehört und hat das Material dann ohne Polemik montiert. | |
Die Wirtschaft, der nicht nur Deutschland einen beträchtlichen (wenngleich | |
einseitig verteilten) Reichtum verdankt, die aber auch beträchtliche | |
Folgekosten auf die Allgemeinheit umlegt, diese Wirtschaft wird in „Work | |
Hard – Play Hard“ nicht systemisch gesehen, sondern als Benutzeroberfläche, | |
auf der Experimente am offenen Menschen vorgenommen werden. Was für die | |
Kundschaft schon lange gilt (sie ist gläsern geworden), gilt auch schon | |
seit einer Weile für die Belegschaft: sie wird durchschaut auf | |
Vitalitätsaspekte hin. Diese Vitalität darf aber auch nicht zu weit gehen. | |
Eine Mitarbeiterin, die bei einem Assessment-Gespräch zu viel lacht, lässt | |
vielleicht den nötigen Grundernst vermissen. Eine Veränderungagentin bei | |
der Deutschen Post verrät unwillkürlich den homunkulischen Aspekt, den die | |
neue Arbeitswelt in sich trägt: Sie möchte das Bewusstsein für schlanke | |
Abläufe „in die DNA der Mitarbeiter verpflanzen“. Nur so kann das | |
gewünschte Ergebnis sichergestellt werden: „Wir brauchen einfach diese | |
Zahlen am Ende.“ | |
12 Apr 2012 | |
## AUTOREN | |
Bert Rebhandl | |
## TAGS | |
tazlab 2012: „Das gute Leben“ | |
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