# taz.de -- Genossen machen die taz: Vier Stunden Anreise zur Mutter | |
> Beruf und Pflege vereinbaren – das versuchten die Söhne von Maria Bach* | |
> mit Hilfe von Pflegerinnen aus Osteuropa. Jetzt wohnt die Mutter zur | |
> Probe im Altenheim. | |
Bild: Was war nochmal die Alternative zum Altenheim? | |
STUTTGART taz | Axel Bach (Namen der Betroffenen geändert) konnte sein | |
Mutter seit zwei Abenden telefonisch nicht erreichen. Das war ungewöhnlich. | |
Besorgt rief er bei seinem Bruder Helge an. Sie informierten die Nachbarn. | |
Diese fanden Maria Bach hilflos in der Wohnung. Schlaganfall. | |
Bis dahin war Maria Bach eine couragierte, selbstständige 77-jährige Dame, | |
die nach drei Jahren Pflege ihres Ehemanns noch was vom Leben haben wollte. | |
Während des Winterurlaubs allerdings hatte sie schon Schmerzen in der Brust | |
bekommen und wurde sofort ins Krankenhaus überwiesen. Dort diagnostizierten | |
die Ärzte einen Herzklappenfehler. Sie rieten zu einer Wiederherstellung | |
der Herzklappe. Es waren nur noch wenige Tage bis zur Operation, als sie | |
der Hirnschlag traf. | |
Für Maria Bach folgen viereinhalb Monate Krankenhaus und Rehabilitation. | |
Die Prognose für Maria Bach ist vergleichsweise günstig. Sie möchte auf | |
jeden Fall in die eigene Wohnung und vertraute Umgebung zurück. Die Ärzte | |
unterstützen sie in diesem Wunsch, ebenso die Söhne. Ein Umzug zu einem der | |
Söhne ist keine Option, allein schon wegen der fehlenden | |
behindertengerechten Umgebung. | |
Gegen Ende der Reha bekommt Maria Bach die Gelegenheit ein Wochenende in | |
der eigenen Wohnung zu verbringen. Sohn Helge findet sich auf einmal in der | |
Rolle des Pflegers wieder, er stützt die Mutter bei Toilettengängen, | |
waschen kann sie sich aber selbst. „Aber es lief erstaunlich gut“, erzählt | |
der 50-Jährige. | |
Maria Bach benötigt jedoch in den ersten Monaten eine Hilfe rund um die | |
Uhr. Diese können weder Axel noch Helge leisten. Da eine deutsche | |
Pflegekraft unbezahlbar ist, wendet sich Familie Bach an eine Agentur, die | |
Pflegekräfte aus Osteuropa vermittelt. Die Pflegerin aus Rumänien ist sehr | |
hilfsbereit – in den Augen der beiden Söhne eher zu hilfsbereit, da ihrer | |
Mutter Arbeiten abgenommen werden, die sie eigentlich selbst erledigen | |
könnte. | |
## Einen Tag Urlaub | |
Der größte Teil der „Büroarbeit“ für Maria Bach muss von Sohn Axel und | |
Schwiegertochter Claudia übernommen werden, die in der Nähe der Mutter | |
leben. Arztbesuche erfolgen fast nur noch in Begleitung, da die Mutter das | |
beim Arzt Besprochene nur teilweise aufnehmen und wiedergeben kann. In der | |
Regel übernimmt Sohn Axel die Kommunikation. Hin und wieder muss Helge beim | |
Arztbesuch einspringen. „Das bedeutet für mich einen Tag Urlaub nehmen und | |
acht Stunden Reisezeit“, erzählt der Angestellte. | |
Bald gibt es Probleme mit der nur wenig Deutsch sprechenden Pflegerin. | |
Helge stellt bei einer Kontrolle der Medikamentengabe fest, dass seine | |
Mutter statt eines einzigen Blutverdünners zwei verschiedene nimmt. Die | |
Pflegerin hat nicht verstanden, dass der eine Blutverdünner den anderen | |
ersetzt. | |
Nach dem anfänglichen Aufwärtstrend kommen die Rückschläge. Ein | |
Krankenhausaufenthalt folgt dem anderen. „Für mich war das eine enorme | |
zeitliche Belastung, die Zeit fehlte für die eigene Familie mit zwei | |
Pflegekindern“, erzählt Sohn Axel. Von ihm wird erwartet, dass er immer für | |
seine Mutter da ist. | |
## Unterschwelliger Vorwurf | |
Als die Mutter am Morgen eines Heiligabends anruft und über starke | |
Schmerzen im Bein klagt, kann er nicht nach dem Rechten sehen. Denn es gibt | |
zu Hause zu viel zu tun, da die Großeltern von Pflegetochter Lea nach | |
langer Zeit mal wieder kommen wollen. Kurz danach erhält Axel einen Brief | |
der Nachbarin seiner Mutter mit dem unterschwelligen Vorwurf, sich nicht | |
genügend um seine Mutter zu kümmern. | |
Familie Bach beratschlagt, wie es weitergehen soll. Mit der inzwischen | |
ausgewechselten Pflegerin aus Bulgarien versteht sich Maria Bach nicht gut. | |
Der erhofften Selbstständigkeit ist sie nicht näher gekommen. Zum ersten | |
Mal kann sich die Dame einen Umzug in ein Altenheim vorstellen. Trotzdem | |
fällt Axel und Helge Bach der Gedanke daran schwer. Aber was ist die | |
Alternative? | |
Ende Februar erkrankt Maria Bach an einer schweren Lungenentzündung. Sie | |
liegt mehrere Tage auf der Intensivstation. Statt in die Reha wird sie für | |
ein paar Tage nach Hause entlassen, obwohl sie auf Hilfe angewiesen ist – | |
auf eine Hilfe, die das Können der 24-Stunden-Pflegerin übersteigt. | |
Inzwischen wohnt Maria Bach in einem Pflegeheim. Aber erst mal nur zur | |
Probe für zwei Wochen. Dann will die Familie weitersehen. | |
Dies ist ein Text aus der Sonderausgabe „Genossen-taz“, die am 14. April | |
erscheint. Die komplette Ausgabe bekommen Sie am Samstag an Ihrem Kiosk | |
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13 Apr 2012 | |
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## AUTOREN | |
Achim Gsell | |
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