| # taz.de -- Genossen machen die taz: Die Waffe der Missionare | |
| > Das „gute Leben“ ist eine Gewissheit und ein Kampfbegriff. Wir alle | |
| > wollen nichts davon wissen, dass das Leben nur dann ein gutes ist, wenn | |
| > es das von anderen nicht zerstört. | |
| Bild: Schrot und Doppelkorn: taz-Sportredakteur Andreas Rüttenauer als Biolade… | |
| Es wurde missioniert, bekriegt, gehandelt oder gereist – und immer ging es | |
| ums angeblich gute Leben. Seit alters her ist das „gute Leben“ eine | |
| Gewissheit und ein Kampfbegriff. Wer im Namen des guten Lebens unterwegs | |
| ist, kennt keine Zweifel. | |
| Als die ersten Missionare sich auf den Weg in die Ferne machten – Jona ist | |
| der erste, den die Bibel erwähnt –, ging es nicht darum, das gute, sondern | |
| das richtige Leben zu verkünden. Wie die Bekehrten zuvor lebten oder ob sie | |
| vielleicht ein gutes Leben hatten, das interessierte die Missionare nicht. | |
| Mit Feuer und Schwert wurde das gottgefällige Leben durchgesetzt, das dann | |
| für die Bekehrten oft ein hartes Leben wurde. Das gute Leben indessen wurde | |
| vertagt auf die Zeit nach dem Tod. Dieser Grundgedanke des christlichen | |
| Sendungsbewusstseins findet sich bis heute, auch im Islam. | |
| Es ist auch gut erforscht, wie die Portugiesen, Holländer, Briten, | |
| Franzosen, Dänen und Schweden sich seit dem 15. Jahrhundert unter Palmen an | |
| der Küste Ghanas bekriegten, um den afrikanischen Königen | |
| Geschäftsprivilegien abzuringen, die dann das gute Leben in Europa | |
| finanzieren sollten. Und auch der brandenburgische Kurfürst Friedrich | |
| Wilhelm ließ im 17. Jahrhundert seine Festung Groß Friedrichsburg an die | |
| afrikanische Goldküste bauen, und seine Schiffe schafften Tausende Sklaven | |
| über den Atlantik. Wie war das Leben dort zuvor, bevor die Europäer | |
| eintrafen? Das kann die Anthropologie bis heute nicht sagen. Wie starren | |
| immer nur in den Spiegel unserer selbst. | |
| Als Touristen fliegen wir überallhin und haben den ärmsten Ländern | |
| beigebracht, dass bettelnde und sich prostituierende Kinder mehr zum | |
| Lebensunterhalt der Familie beitragen können als das traditionelle Handwerk | |
| des Vaters. Wir erzählen Indonesiern, dass sie ihren Tropenwald erhalten | |
| müssen, und sie antworten: Ihr sorgt euch nicht um uns, sondern um euer | |
| Klima. Sie haben recht. Wir alle wollen nicht wissen, dass Leben nur ein | |
| gutes sein kann, wenn es das anderer nicht zerstört. | |
| 15 Apr 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Gisela Buddée | |
| ## TAGS | |
| Schwerpunkt Genossen machen die taz | |
| tazlab 2012: „Das gute Leben“ | |
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