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# taz.de -- Kommentar Regierungskrise Niederlande: Ende einer Freakshow
> Der unselige Kuhhandel, der Wilders-Partei für ihre Untersützung beim
> Sparen die Migrationspolitik zu überlassen, ist endlich vorbei. Und
> sparen wird auch die nächste Regierung.
Bild: Hat zunehmend Kritiker in den eigenen Reihen: PVV-Chef Geerd Wilders.
Die Situation in Den Haag ist mehr als knifflig: das Ende der Regierung
Rutte bedeutet das Aussetzen der drastischen Sparmaßnahmen, die Anleger und
EU- Kommission dringend fordern. Die angekündigte Herabstufung durch die
Ratingagenturen schwebt über dem Land, und damit ein höherer Anleihzins.
Dazu droht wegen des zu erwartenden Haushaltsdefizits ein saftiges Bußgeld
aus Brüssel. Keine Frage: die Niederlande sitzen ziemlich in der Klemme.
Was aber wäre die Perspektive dieser Regierung gewesen, hätte sie noch
einmal die Kurve gekriegt? Die Minderheitskoalition aus marktliberaler VVD
und Christdemokraten, gestützt von der xenophoben Wilders- Partei PVV, war
längst angezählt, der Rest der Legislaturperiode wäre eine latente
Existenzkrise geworden. Seit in der PVV von Dissidenz die Rede ist, war die
Regierung auf die Unterstützung frauenfeindlicher Ultracalvinisten
angewiesen – kein vertrauenerweckender Ausblick.
Vor diesem Hintergrund ist das Scheitern Ruttes durchaus ein Grund zum
Aufatmen. Sparen, das ist sicher, wird auch die Nachfolgerin. Was davon
abgesehen in Erinnerung bleibt von dieser Regierung? Ein rabiater
Anti-Zuwanderungskurs, der dem sensiblen Projekt der Integration einen
Bärendienst erwies. Das Drängen auf EU-Ebene, den Familiennachzug zu
begrenzen und den Schengenraum nicht zu erweitern. Ein christdemokratischer
Immigrationsminister, der auf Wilders Geheiß die Muskeln spielen ließ, auch
zum Verdruss seiner eigenen Basis, und das nun hinfällige Projekt einer
jährlichen Abschiebequote sogenannter Illegaler.
Den Tiefpunkt dieses Gruselkabinetts bildete der jüngste Aufruf der PVV zur
Online-Denunziation osteuropäischer Arbeitsmigranten – und ein Premier, der
sich davon nicht distanzieren mochte. Abgeordnete der PVV indes machten in
den letzten Jahren unter anderem wegen öffentlicher Trunkenheit,
Gewaltanwendung und Betrug von sich reden. Für die PVV-Eskapaden ist
Freakshow ein Euphemismus.
Dass sie nach ihrem Rückzug auf absehbare Zeit keinen politischen Einfluss
mehr bekommt, bedeutet noch nicht das Ende des Populismus in den
Niederlanden. Immerhin begaben sich die Koaltionsparteien 2010 freiwillig
und auf Grund inhaltlicher Überschneidungen in die Arme der PVV. Dessen
ungeachtet hat sich das Prinzip überlebt, um des Sparens willens an dieser
Regierung festzuhalten. Und damit der unselige Kuhhandel, der PVV für ihre
Unterstützung die Migrationspolitik zu überlassen.
24 Apr 2012
## AUTOREN
Tobias Müller
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