# taz.de -- Misere bei Straßenbäumen: Viel Holz um nichts | |
> Heute ist Tag des Baumes. Darüber können sich Berlins Straßenbäume kaum | |
> freuen. Erstens werden sie immer weniger, zweitens fehlt das Geld für | |
> ihre Pflege. | |
Bild: Müssen um ihren angestammten Platz bangen: Berliner Straßenbäume. | |
Hoppla, hier kommt die „Stadtbaumoffensive“! 10.000 neue Stadtbäume will | |
der rot-schwarze Senat pflanzen lassen. So steht es im Koalitionsvertrag. | |
Nur: Ob das eine wirksame Antwort auf den seit Jahren schrumpfenden | |
Baumbestand sein kann, ist fraglich. Angesichts knapper Kassen sehen Natur- | |
und Umweltschützer die langfristige Pflege des Berliner Straßengrüns in | |
Gefahr. Denn die Bezirksämter haben einfach zu wenig Geld dafür. | |
Zum 60. Mal begeht die Bundesrepublik heute den Tag des Baumes. Für die | |
Straßenbäume der Hauptstadt ist das nicht wirklich ein Grund zum Feiern: | |
Zwar ist Berlin mit rund 435.000 Straßenbäumen sehr grün. Doch der Bestand | |
ist seit Jahren rückläufig. Laut dem Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) | |
Berlin sind allein zwischen 2005 und 2009 rund 9.000 Bäume verschwunden: | |
Fällungen würden immer seltener durch Neupflanzungen ersetzt. Auch vor | |
diesem Hintergrund haben SPD und CDU in ihrer Koalitionsvereinbarung die | |
„Neupflanzung und nachhaltige Pflege“ von 10.000 Stadtbäumen vereinbart. | |
„Uns als SPD ist das ein sehr großes Herzensanliegen“, versichert deren | |
umweltpolitischer Fraktionssprecher Daniel Buchholz. | |
## Pflanzkampagne ab November | |
Nach Auskunft der Senatsumweltverwaltung soll die Pflanzkampagne im | |
November beginnen. Binnen fünf Jahren sollen dann in der ganzen Stadt die | |
10.000 versprochenen Exemplare Wurzeln schlagen. Grundsätzlich begrüßt der | |
BUND die Aufstockung, die er zuvor selbst gefordert hatte. Trotzdem hält | |
Christian Hönig, Referent für Baumschutz, das Vorhaben für eine | |
„Showaktion“, denn: „Zu der Forderung gehörte immer, dass die bereits | |
vorhandenen Bäume fachmännisch und nachhaltig gepflegt werden.“ Angesichts | |
der Probleme bei den existierenden Stadtbäumen sei die Pflanzung für den | |
Baumbestand nicht hilfreich. „Die Pflege von Bäumen ist ähnlich wie bei | |
Menschen: Alte brauchen eben mehr Hilfe“, so Hönig. Doch in Berlin warte | |
man bei vielen Bäumen, bis „gar nichts mehr“ gehe, beschneide sie dann so, | |
dass sie „Kleiderständern“ glichen. | |
Auch die Senatsumweltverwaltung räumt die Anfälligkeit der alten Bäume ein. | |
Viele Fällungen gingen auf das Alter der Stadtbäume zurück, die vor allem | |
in den 60er Jahren gepflanzt wurden, so Sprecherin Daniela Augenstein zur | |
taz. Doch eine angemessene Pflege von Bäumen ist grundsätzlich intensiv – | |
und teuer. Rund 1.000 Euro fallen für Pflanzung und Pflege eines Jungbaums | |
an, Kosten, die angesichts der knappen Kassen von den Bezirksämtern immer | |
schwieriger zu bewältigen sind. „Die alten Bäume hatten oft eine bessere | |
Jugend, als es die heutigen Jungbäume haben werden“, glaubt Ulrike Kielhorn | |
vom Naturschutzbund Berlin (NABU). | |
Das Prinzip, für jede Linde, Robinie oder Kastanie, die der Motorsäge zum | |
Opfer fällt, automatisch eine neue zu pflanzen, ist seit Jahren sowohl | |
personell als auch finanziell ein Problem in Berlin. „Das geht bei uns | |
nicht mehr“, räumt Karin Müller ein, die im Bezirksamt Lichtenberg für | |
öffentliche Baumangelegenheiten verantwortlich ist. Anders als noch vor | |
zehn Jahren könne ihre Behörde heute nur die wichtigsten | |
Baumpflegemaßnahmen vornehmen – etwa morsche Äste entfernen, die den | |
Verkehr gefährden. Entsprechend gab es im Jahr 2010 in Lichtenberg 327 | |
Fällungen, aber nur 23 Neupflanzungen. Müller schätzt, dass das Budget um | |
ein Drittel angehoben werde müsste, um eine vernünftige Pflege garantieren | |
zu können. | |
## Das Beste draus machen | |
Auch in Mitte ist das Baumgeld knapp. „Wir versuchen, das Beste aus der | |
Situation zu machen“, sagt Wolfgang Leder, Leiter der bezirklichen | |
Straßenbaumpflege. Für die Pflege eines rund 60 Jahre alten Baumes seien | |
jährlich rund 80 Euro nötig, aber seinem Bezirk stünde nur die Hälfte zur | |
Verfügung. Immerhin: Mitte ist einer der wenigen Bezirke, die ihren Bestand | |
an Straßenbäumen stabilisieren konnten. Nach Angaben des BUND kamen hier | |
zwischen 2005 und 2009 sogar rund 1.100 Stück hinzu. „Bisher schaffen wir | |
es, die Bäume selber zu kaufen, einzupflanzen und zu pflegen“, sagt Leder. | |
Viele Bezirke beauftragen zunehmend private Dienstleister, um Geld zu | |
sparen. Der BUND sieht dadurch die fachmännische Pflege der Bäume in | |
Gefahr. | |
Doch auch in Zukunft dürfte das Geld für die Pflanzung und Pflege der | |
Stadtbäume knapp bleiben. 750.000 Euro sind dafür im Doppelhaushalt 2012/13 | |
vorgesehen. Laut SPD-Umweltexperte Buchholz soll das Budget in den | |
Folgejahren auf 500.000 Euro per annum sinken. Angesichts von rund 1.000 | |
Euro für einen Baum wären die 10.000 neuen Stadtbäume so kaum zu | |
finanzieren. Aber die Senatsverwaltung will zusätzliche EU-Fördermittel | |
beantragen – und setzt auf Spenden. Derzeit arbeite man noch an einer | |
Strategie für die Spendenakquise, erläutert Sprecherin Augenstein. | |
Besonders kahl ist es zwischen 2005 und 2009 übrigens in Pankow geworden – | |
laut BUND gingen dem Bezirk im Nordosten unterm Strich 2.000 Bäume | |
verloren. Der Bezirksstadtrat für Stadtentwicklung Jens-Holger Kirchner | |
(Grüne) bedauert das und macht ebenfalls das finanzielle Defizit in der | |
Baumpflege verantwortlich. „Das Geld reicht nicht, aber es gibt trotzdem | |
viele Aktivitäten bei den Stadtbäumen“, so Kirchner zur taz. Sein Bezirk | |
habe gute Erfahrungen mit Patenschaften gemacht. So würden sich viele | |
BürgerInnen privat für ihre Bäume engagieren, so auch an der Oderberger | |
Straße, wo sich ein Verein um die Pflege der Bäume kümmert. | |
Christian Hönig vom BUND möchte erst einmal das Spendenmodell der | |
Senatsverwaltung abwarten. Grundsätzlich hält er diesen Weg aber für | |
problematisch: „Für Prestigeprojekte werden Steuergelder ausgegeben, aber | |
für die Stadtbäume ist keines da – und dann sollen die BürgerInnen privat | |
blechen.“ | |
24 Apr 2012 | |
## AUTOREN | |
Johannes Kulms | |
Johannes Kulms | |
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Bäume | |
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