# taz.de -- Debatte nach 18-Uhr-Demo: Umstrittenes Ende des Protests | |
> Streit über Abbruch der 18-Uhr-Demo am Jüdischen Museum. Autonome | |
> sprechen von einer "gezielten Provokation" der Polizei. 45 Verletzte | |
> beklagt. | |
Bild: Seit Donnerstag wieder mit neuem Wachhäuschen: das Jüdische Museum. | |
Margarete Koppers ist ehrlich: Eigentlich, so die Vize-Polizeichefin, habe | |
sie gar nicht erwartet, dass die „Revolutionäre 1.-Mai-Demo“ überhaupt | |
weiter als bis zum Springer-Hochhaus gehe. „Wir sind davon ausgegangen, | |
dass der Veranstalter den Aufzug dort auflöst.“ Doch die Demonstration am | |
Dienstag strafte den Verlag fast mit Nichtbeachtung - und zog weiter. | |
Stattdessen bestimmte am Mittwoch die Deutung einer Situation nur wenige | |
hundert Meter weiter, vorm Jüdischen Museum, die Diskussion. Die Polizei | |
hatte dort den 15.000-Teilnehmer-Aufzug gegen 20.30 Uhr gestoppt. Beamte | |
rannten in die Demospitze, rissen Transparente herunter, setzten | |
Pfefferspray ein, nahmen Demonstranten fest. Wenig später löste sie die | |
Demo ganz auf. | |
Koppers begründete das Vorgehen mit Steinwürfen aus der Demonstration zuvor | |
– auf eine Sparkasse, zwei Tankstellen, einen Supermarkt und Polizisten. | |
Vor dem Museum seien erneut Steine geflogen. Als der Veranstalter nicht | |
garantieren konnte, dass weitere Straftaten unterbleiben, habe man den | |
Aufzug aufgelöst, so Koppers. Dem Wunsch des Anmelders nach einem Rückzug | |
der Demo nach Kreuzberg habe man „in dieser Stimmung“ nicht entsprechen | |
können. | |
Ein Mitglied des „Revolutionären 1.-Mai-Bündnisses“ sprach dagegen von | |
einer „durch und durch geplanten Eskalation“ der Polizei. „Wir wollten in | |
die politische Mitte der Hauptstadt, die Polizei wollte das offenbar mit | |
allen Mitteln verhindern.“ Die Demo sei bewusst vor dem Museum „mit | |
unglaublicher Brutalität“ aufgelöst worden, kurz bevor der Zug in die | |
Innenstadt gelangt wäre. | |
Demo-Sanitäter berichteten der taz von knapp 40 durch Pfefferspray | |
verletzten Demonstranten am Museum. Ein halbes Dutzend Teilnehmer habe | |
Platzwunden erlitten. Die Polizei habe „wahllos auch auf Köpfe | |
eingeschlagen“, so einer der ehrenamtlichen Sanitäter. | |
Pirat Oliver Höfinghoff, der den Zug begleitete hatte, kritisierte den | |
Polizeieinsatz als „überzogen“. „Es gab schon deutlich schlimmere | |
Eskalationslagen am 1. Mai. Deshalb die Demonstration nicht nach Mitte | |
ziehen zu lassen, erscheint mir unverhältnismäßig.“ Auch | |
Linken-Fraktionschef Udo Wolf sprach von „offenen Fragen zum plötzlichen | |
Abbruch der 18-Uhr-Demonstration", die man im Innenausschuss „nacharbeiten“ | |
werde. | |
Koppers sagte, am Jüdischen Museum selbst sei es zu keinen Beschädigungen | |
gekommen. Allerdings sei ein Wachhäuschen zerstört worden. Auf der | |
Demonstration hatte ein Redner aufgerufen, „keine falschen Scheiben“ | |
einzuwerfen. | |
Insgesamt sprach die Polizei von 124 verletzten Beamten (von 7.000 im | |
Einsatz) und 123 Festnahmen am 1. Mai sowie in der Walpurgisnacht. Wie | |
viele auf die 18-Uhr-Demo entfielen, konnte ein Sprecher nicht sagen. 2011 | |
hatte es 161 Festnahmen und 100 verletzte Einsatzkräfte gegeben. | |
Franz Schulz (Grüne), Bürgermeister in Friedrichshain-Kreuzberg, forderte | |
angesichts der abnehmenden Randale, die Zahl der eingesetzten Polizisten am | |
1. Mai künftig zu reduzieren. Innensenator Frank Henkel (CDU) widersprach: | |
Er könne davor nur warnen. Mehr Randale sei gerade wegen der „sorgfältig | |
vorbereiteten“ Beamten verhindert worden. Koppers sagte, auch sie wünsche | |
sich einen friedlichen, polizeifreien 1. Mai. „Nur liegt der in sehr weiter | |
Zukunft.“ | |
3 May 2012 | |
## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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