# taz.de -- Jahrestag der Befreiung: Gedenkstätte ohne Gedenken | |
> Die Initiative 8. Mai wird ihre Veranstaltung zum Jahrestag der Befreiung | |
> wieder auf dem Lagerfriedhof Bockhorst ausrichten. Die neue Gedenkstätte | |
> Esterwegen kommt nicht in Frage. | |
Bild: Eröffnungszeremonie der Gedenkstätte Esterwegen: Die Gedenkveranstaltun… | |
BREMEN taz | In diesem Jahr könnte die deutsch-niederländische Initiative | |
8. Mai ihre Gedenkveranstaltung im Emsland zum Jahrestag der Befreiung vom | |
Nationalsozialismus zum ersten Mal auf der Gedenkstätte Esterwegen | |
ausrichten. Die hat Ende Oktober letzten Jahres zur Erinnerung an die Opfer | |
der 15 Konzentrations- und Strafgefangenenlager im Emsland eröffnet. | |
Die Initiative, zu der auch ehemalige Gefangene gehören, wird sich am | |
heutigen Samstagnachmittag allerdings nicht dort treffen, sondern, wie in | |
jedem Jahr seit 1985, auf dem Lagerfriedhof Bockhorst bei Esterwegen. | |
Nikolaus Schütte zur Wick, Fraktionsvorsitzender der Grünen im | |
emsländischen Kreistag, ist sich sogar sicher: „Selbst wenn die Initiative | |
beantragt hätte, ihre Veranstaltung an der Gedenkstätte abzuhalten, wäre | |
das bestimmt nicht genehmigt worden.“ | |
Die Veranstaltung der NS-Opfer wird von den Vertretern des Landkreises | |
gemieden. Nie erschienen ist der ehemalige Landrat Hermann Bröring (CDU), | |
und auch sein Nachfolger Reinhard Winter (CDU) wird nicht an der | |
Gedenkfeier teilnehmen. | |
In den Emslandlagern waren vorwiegend politische Gefangene inhaftiert, der | |
Friedensnobelpreisträger Carl von Ossietzky ist an den Folgen seiner Haft | |
im KZ Esterwegen gestorben. Insgesamt sind in den Lagern von 1933 bis 1945 | |
rund 30.000 Menschen ums Leben gekommen. | |
„Das ist eine eindeutig linksgerichtete Veranstaltung“, sagt | |
Kreissprecherin Anja Rohde über die Gründe des Landrats, der | |
Gedenkveranstaltung fern zu bleiben. Damit hat sie Recht, und einer der | |
diesjährigen Redner ist nicht unumstritten: Heinrich Fink, Theologe und | |
Bundesvorsitzender der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, Bund der | |
Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA), war Rektor der Berliner | |
Humboldt-Universität, bis er wegen seiner Rolle als Inoffizieller | |
Mitarbeiter der Stasi entlassen wurde. | |
Fink wurde bei der für die Bespitzelung der Kirchen zuständigen Abteilung | |
unter dem Decknamen „Heiner“ geführt. „Trotzdem“, sagt Schütte zur Wi… | |
„sollten unsere Landkreisvertreter das einmal im Jahr aushalten können. Es | |
wäre ein Zeichen von Respekt vor den Opfern und Überlebenden.“ | |
Für Johanna Adickes von der Initiative 8. Mai kommt das ehemalige KZ | |
Esterwegen als Veranstaltungsort allerdings auch nicht in Frage. Man habe | |
das nicht einmal in Erwägung gezogen. Sie sieht die Gedenkstätte, die auf | |
Initiative des Landkreises Emsland errichtet wurde, distanziert: „Die | |
Gedenkstätte ist das DIZ – ohne das DIZ gäbe es sie gar nicht.“ | |
DIZ steht für das „Dokumentations- und Informationszentrum Emslandlager“, | |
das bis zur Gedenkstätteneröffnung in Papenburg angesiedelt war. Der Verein | |
„Aktionskomittee für ein DIZ“ hatte sich 1981 gegründet mit dem Ziel, eine | |
zentrale Gedenkstätte für die Opfer der Emslandlager zu errichten. | |
Bereits seit den 60er-Jahren gab es dahingehende Bemühungen, die immer | |
wieder von Behörden und Landkreispolitikern abgeschmettert wurden. Das | |
hatte einerseits damit zu tun, dass lange Zeit nur die KZ-Gefangenen als | |
Opfer des NS-Regimes anerkannt wurden, die Strafgefangenen als „nach Recht | |
und Gesetz Verurteilte“ hingegen nicht. | |
Ein anderer Grund war, dass in den Emslandlagern zu einem erheblichen Teil | |
politische Häftlinge saßen und dem katholisch-konservativen Emsland auch | |
nach dem Krieg alles suspekt war, was von links kam. Auf die Treffen | |
ehemaliger „Moorsoldaten“ am Lagerfriedhof hatte in Zeiten des Kalten | |
Krieges der Verfassungsschutz stets ein Auge. | |
Das DIZ hat mit Dauerausstellung, Archiv, Lesungen, Workcamps, Seminaren | |
und Veranstaltungen für Schulen maßgeblich zur Aufarbeitung der NS-Zeit im | |
Emsland beigetragen, und hat das bis 1991 auf eigene Kosten getan. Seit | |
Oktober 2011 ist das Zentrum als Kooperationspartner in der Gedenkstätte | |
Esterwegen angesiedelt. | |
DIZ-Leiter Kurt Buck war als Mitglied der Initiative 8. Mai immer | |
Mitorganisator der Gedenkfeier. In diesem Jahr wird er nicht dabei sein: | |
„Ich muss in Esterwegen Führungen machen.“ Ohnehin, sagt er, sei er stets | |
als Privatperson dort gewesen. Dass die heutige Gedenkveranstaltung wieder | |
auf dem Friedhof stattfindet, begründet er damit, dass das „ja schon immer“ | |
so war. „Nach dem Bau des DIZ in Papenburg ist ja auch niemand auf die Idee | |
gekommen, die Veranstaltung dahin zu verlegen“, sagt er. Dort hat sich | |
freilich weder ein Konzentrationslager befunden, noch diente das DIZ als | |
Gedenkstätte. | |
„Man hat den Eindruck“, sagt Adickes von der Initiative 8. Mai, „dass Kurt | |
Buck in Esterwegen nicht mehr so selbstständig arbeiten kann wie vorher. | |
Jetzt muss er auch ein Auge auf die Interessen des Landkreises haben.“ | |
Bereits am Tag der Gedenkstätteneröffnung sei ihr aufgefallen, dass Buck | |
zwar anwesend, aber als Leiter des DIZ kaum präsent war: „Ich habe | |
erwartet, dass er ein paar Worte sagen würde – genauso wie es der Landrat | |
und der Vorsitzende der Gedenkstätten-Stiftung auch getan haben. Aber das | |
DIZ hat an diesem Tage ja kaum eine Rolle gespielt!“ | |
„Wir werden in der alten Rheder Kirche und am Ossietzky-Denkmal in | |
Esterwegen Kränze niederlegen“, sagt Kreissprecherin Anja Rohde auf die | |
Frage, ob es denn von Seiten des Landkreises eine Gedenkveranstaltung gebe. | |
„Allerdings wird dies kein offizieller und auch kein öffentlicher Akt. Die | |
Kränze sollen ein Zeichen für die Besucher sein.“ | |
11 May 2012 | |
## AUTOREN | |
Simone Schnase | |
Simone Schnase | |
## TAGS | |
NS-Dokumentationszentrum | |
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