# taz.de -- Heide Simonis zur Wahl in NRW: „Frauen tun einander nicht so weh�… | |
> Heide Simonis über die junge Frau Kraft, weiblichen Führungsstil in der | |
> Politik, harte Planung und warum es meist eines Unfalls bedarf, damit | |
> Frauen eine Chance gegeben wird. | |
Bild: Sagen nicht so schnell „basta“: Frauen an der Macht. | |
taz: Frau Simonis, hat mit Hannelore Kraft und Sylvia Löhrmann in | |
Nordrhein-Westfalen ein neuer Politikstil gewonnen? | |
Heide Simonis: Ja, unbedingt. Das war nicht nur ein Sieg eines rot-grünen | |
Bündnisses, sondern vor allem einer von zwei Frauen. | |
Ist deren Stil denn so mütterlich, wie überall zu lesen ist? | |
Es ist eine Art Politik zu machen, die nicht aggressiv ist und basta sagt, | |
sondern die sagt: Erzähl du doch mal, wie siehst du das, wir erarbeiten die | |
Lösungsvorschläge gemeinsam. Dazu gehört, dass sich Frauen in der Politik | |
untereinander nicht so wehtun wie Männer. Kraft hat auch immer gezeigt, wie | |
sehr sie ihre Familie – Mann und Sohn – braucht. All das wird in der Tat | |
als weiblicher Stil gesehen. Männer in der deutschen Politik können sich so | |
etwas jedenfalls kaum vorstellen. | |
Blieb Kraft in ihrer Minderheitsregierung überhaupt etwas anderes übrig, | |
als auf andere Fraktionen zuzugehen? | |
In der Tat sind etwa die skandinavischen Länder schon seit vielen, vielen | |
Jahren mit Minderheitsregierungen aller Art vertraut und haben gleichzeitig | |
schon immer Frauen in Führungspositionen. Ursache und Wirkung sind dabei | |
schwer auseinanderzuhalten – zumal in Skandinavien außerdem der Konsens | |
über die Notwendigkeit von Gleichberechtigung viel stärker ist. | |
Wirkt sich ein bestimmter Politikstil überhaupt auf die politischen | |
Ergebnisse aus? | |
Politikstil hat erst einmal auch Auswirkungen auf die Themenwahl. Das sieht | |
man an den Piraten, bei denen Transparenz und Freiheitsbegriff sowohl Form | |
als auch Inhalt prägen. | |
Die Piraten regieren aber nicht und müssen darum keine Entscheidungen für | |
alle treffen. | |
Für ein Land wie Nordrhein-Westfalen – ein Brocken in der Größe mancher | |
europäischer Nation – bedeutet dieser Politikstil, dass die sehr, sehr | |
harte Abkehr von Kohle, Stahl und Schwerindustrie behutsam moderiert werden | |
muss … | |
… und am Ende sind in jedem Fall die Zechen dicht und die Kommunen pleite. | |
Wird da nicht bloß die unschöne Aussicht mit Gefühl zugekleistert? | |
Nicht, wenn man eine knallharte Planung hat, wohin man mit dem Land möchte | |
und was es braucht – wie Hannelore Kraft. Um das Beispiel der Kommunen zu | |
nehmen: Natürlich ist es richtig, die Städte vor den Auswirkungen der Spar- | |
und Schuldenabbaugesetze in Schutz zu nehmen und gegen die unfairen | |
Belastungen durch den Solidarpakt vorzugehen. | |
Sie waren als Ministerpräsidentin von Schleswig-Holstein die erste Ihrer | |
Art. Nun gibt es inzwischen eine ganze Reihe von Ministerpräsidentinnen. | |
Erkennen Sie ein Muster, dem der Erfolg dieser Frauen folgt? | |
Ein Punkt gehört sicher dazu: Es bedarf meist eines Unfalls, einer | |
besonderen historischen Situation, dass einer Frau die Chance gegeben wird | |
– bei mir die Folgen der Barschel-Affäre, bei Christine Lieberknecht in | |
Thüringen ein Skiunfall, und so weiter. Auf die eine Katastrophe kann | |
sozusagen dann auch die andere Katastrophe folgen. Das gilt unterschiedslos | |
für CDU wie SPD. | |
1996 wurde Ihnen die K-Frage gestellt, als Schröder, Lafontaine und | |
Scharping um die SPD-Kanzlerkandidatur rangen. Sie lehnten ab. Warum sollte | |
Kraft heute nicht mitspielen? | |
Sie hat sich sehr, sehr festgelegt, dass sie im Land bleiben will. Das hat | |
ihrer Glaubwürdigkeit gedient und zu ihrem Erfolg geführt. Dies gilt umso | |
mehr, als ihr Konkurrent Norbert Röttgen sich auf die Frage nach seinem | |
Verbleib wand wie ein Aal, was wohl auch Grund für seine Niederlage war. Es | |
müsste wirklich etwas ganz Schreckliches passieren, um zu begründen, dass | |
Kraft nicht in Düsseldorf bleibt. Aber sie ist ja noch jung. Sie hat Zeit. | |
15 May 2012 | |
## AUTOREN | |
Ulrike Winkelmann | |
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