# taz.de -- Rhetorik der Siegerinnen in NRW: Das bisschen Haushalt... | |
> Mit einer Politik der „Mütterlichkeit“ haben Kraft und Löhrmann die Wahl | |
> gewonnen. Weibliche Attribute haben Konjunktur – auch dank der aktuellen | |
> politischen Tagesordnung. | |
Bild: Nach dem Erfolg kann man schon auch mal ein Tänzchen wagen. Sylvia Löhr… | |
BERLIN taz | Wie haben es die beiden Frauen an der Spitze von Rot-Grün in | |
Nordrhein-Westfalen nur geschafft, eine Wahl mit „mütterlicher“ Politik zu | |
gewinnen? | |
Zwei Landesmütter strahlten am Sonntagabend um die Wette, gewählt – wie | |
üblich – von nur wenig mehr Frauen als Männern: 41 Prozent der Wählerinnen | |
und 37 Prozent der Wähler entschieden sich für Hannelore Kraft und ihre | |
SPD. 13 Prozent der Frauen und 10 Prozent der Männer wählten Sylvia | |
Löhrmann und ihre Grünen. Trotz Mutti-Image? Oder gerade deswegen? | |
„Schön, wenn Frauen wieder den Haushalt machen“, schrieben die Grünen sog… | |
auf ihre Wahlplakate und zeigten Löhrmann und Kraft dazu: Möglicherweise | |
ist die Zeit selbst in der Politik schon reif für ironische Anspielungen | |
auf Rollenklischees. | |
Es ist die Mischung aus Zuschreibung, Trend und glaubwürdig Verkörpertem, | |
die den Erfolg macht, meint Christina Holtz-Bacha, | |
Kommunikationswissenschaftlerin an der Uni Erlangen. „Es ist immer eine | |
Gratwanderung für Frauen, mit ’weiblichen‘ Themen wie Kinder- und | |
Jugendpolitik Wahlkampf zu machen, wie Kraft das getan hat“, sagt | |
Holtz-Bacha. | |
## „Weiblich ist gefragt“ | |
„Sie hat Glück, dass diese Themen im Moment auf der Tagesordnung stehen.“ | |
Die Menschen wollten gerade das, was als „weiblich“ angesehen werde: den | |
präventiven Sozialstaat etwa. | |
Zudem habe Kraft sich ein persönliches Charisma erarbeitet. „Sie gibt ein | |
positives Bild einer zupackenden Landesmutter ab.“ Zwar verursachten | |
Frauen, die in höhere Positionen aufsteigen, immer ängstliches Unbehagen. | |
Doch habe Kraft mit ihrer „Politik der Einladung“ als Chefin einer | |
Minderheitsregierung die Befürchtungen zerstreuen können. | |
Nicht zuletzt habe sie aber auch von ihrem Ortsbonus („ich bleibe hier“) | |
und der damit zusammenhängenden Schwäche ihres Konkurrenten Norbert Röttgen | |
(CDU) profitiert. | |
Im Gegensatz zu Angela Merkel haben Kraft und Löhrmann laut erklärt, dass | |
sie einen anderen Stil und vielleicht sogar andere Ziele verfolgen. „Frauen | |
ticken anders und machen anders Politik“, sagte Kraft erst wenige Tage vor | |
der Wahl. So etwas, findet Holtz-Bacha, komme eher sympathisch rüber: | |
„Starke Frau: ja. Nur als Feministinnen dürfen sie sich nicht bezeichnen, | |
das löst starke Ängste aus.“ | |
## Stimmung war überheizt | |
Was es bedeutet, als Spitzenpolitikerin Ängste zu mobilisieren, weiß Andrea | |
Ypsilanti (SPD) nur zu gut. Ypsilanti scheiterte 2008 mit der Bildung einer | |
rot-grünen Minderheitsregierung in Hessen – nicht zuletzt deshalb, weil die | |
politische Stimmung weit über die hessischen Grenzen hinaus ideologisch | |
komplett überheizt war. | |
Krafts Experiment, erklärt Ypsilanti, konnte auch deshalb gelingen, „weil | |
sie als eine gilt, die nicht polarisiert, sondern sich kümmert“. Wobei | |
dabei eben interessant sei, „dass sie mit all diesen Zuschreibungen belegt | |
wird, obwohl jeder, der sie von nahem kennt, weiß, dass sie durchaus | |
polarisieren kann und große Steherqualitäten hat“. | |
Immerhin sei Kraft auch vom Schuldenbremsen-Kurs der SPD-Spitze abgewichen. | |
Doch sei die dafür notwendige Härte nicht erkennbar gewesen. „Sie ist damit | |
auch in den eigenen Reihen weniger angeeckt, weil sie es weich verkauft | |
hat“, erläutert Ypsilanti, die selbst aus der SPD-Bundesspitze nie Rückhalt | |
erfuhr. | |
Nicht zuletzt habe die gesamte Gesellschaft seit 2008 dazugelernt. „Kraft | |
hatte die Chance, sich zu beweisen, die wir nie bekommen hatten“, sagt | |
Ypsilanti, die nun Landtagsabgeordnete bleiben will. „Und sie hat sie nach | |
der Finanzkrise und nach Fukushima bekommen.“ | |
15 May 2012 | |
## AUTOREN | |
H. Oestreich | |
U. Winkelmann | |
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