# taz.de -- Kolumne Bitches in Baku #2: Staub statt Standards | |
> Keine Fahrradfahrer, kein Öko-Zeug, Baustaub, Frauen auf Highheels und | |
> Männer mit spitzen Schuhen: Das sind nicht nur Klischees, das ist | |
> wirklich Baku! | |
BAKU taz | Unbedingt verdient Lob, wenn ein deutscher Parlamentarier wie | |
Volker Beck sich extra auf den Weg nach Baku macht, um für das | |
oppositionelle Projekt „Singing for Democracy“ zu werben. So saß er | |
Dienstag beim Park Inn Hotel im Herz der aserbaidschanischen Hauptstadt, | |
um, wie er vorab verlauten ließ, wenn schon nicht durch schiere eigene | |
Präsenz mitteleuropäische Standards der Menschenrechte durchzusetzen. | |
Sondern um den Verhältnissen in Baku „verbal“ vor’s Schienbein zu treten. | |
Das tat er denn auch, er machte eine gute Figur auf der eilends | |
einberufenen Konferenz aserbaidschanischer Menschenrechtsgruppen – und | |
sagte, was man eben von einem menschenrechtspolitischen Sprecher der Grünen | |
im Bundestag erwarten darf: Gutes über das, was sein soll, und Schlechtes | |
über das, was ist. | |
Man darf natürlich fragen, ob irgendeiner außer den Aserbaidschanern, die | |
gegen das autokratische Regime in Aserbaidschan den Mund aufmachen, das | |
nützlich findet, wenn da ein Aktivist aus Deutschland sie beehrt. Doch wahr | |
ist auch, dass außer Volker Beck das niemand macht – kein Sozialdemokrat, | |
kein Unionsmensch, auch nicht einer der Linkspartei, die Liberalen sieht | |
man hier auch nicht. | |
Schade, denn man würde sie wirklich nicht als Polittouristen in Sachen | |
Menschenrechte belästern. Es wäre jetzt wichtig, den NGOs Gewicht zu geben, | |
gerade von Politikern, die etwa in Deutschland über Menschenrechte nur | |
theoretisch sprechen. | |
Das tun übrigens nach meiner Beobachtung die meisten Menschen in Baku auch. | |
Die Sonne scheint auch an diesem Mittwoch, der Himmel schimmert nur | |
blaeulich, die Crystal Hall fuellt sich mit Kuenstlern und Kuenstlerinnen, | |
die heute ihren Teil zu proben haben. | |
## Alles im Rausch | |
Alles in dieser Stadt ist auf den Eurovision Song Contest hin ausgerichtet, | |
über Nacht ändern sich Bilder. Waren es Hunderte von Gartenarbeitern, die | |
plötzlich in der halben Stadt Blumenrabatten angelegt haben? Oder welcher | |
Masterplan sorgte dafür, dass selbst Kioske in der Altstadt mit Wasser | |
abgespült wurden, auf dass sie propper aussehen? | |
Wobei man nach Deutschland unbedingt die Botschaft rüberbringen muss: Baku | |
ist ein teures Pflaster. Die Preise nicht ganz so hoch wie an den Champs | |
Elysees, niedriger als auf der Düsseldorfer Koe, aber man hält sich wacker, | |
nicht allzu billig zu erscheinen. An der Hauptstrasse zur Halle sind alle | |
Nobelläden der Mode- und Signifikantenbranche aufgereiht. | |
Alles, was teuer ist und nach Westlichem riecht, hat hier Boutiquen | |
eingerichtet. Ein Anzug eines württembergischen Schneiders, der hier | |
lediglich aus Gründen der Vermeidung von Product Placement nicht genannt | |
sein soll, kostet in Baku drei Mal so viel wie im Firmenoutlet in | |
Metzingen. | |
Und auch stimmt, was man sonst so liest in Deutschland: Baku – das ist | |
Staub. Baustaub. Und immer noch Ölgeruch, aber sonst dächte man mehr an die | |
Riviera, nicht ans Kaspische Meer. Fahrradfahrer sieht man keine, weil es | |
sie nicht gibt. Und Ökofutter in den Supermärkten? Kennt man nicht. Alles | |
scheint hier im Rausch, bei Frauen gern auf höchsten Stöckeln, bei Männern | |
(Businessmen) in spitzen schwarzen Schuhen. Das sollen nur Klischees sein? | |
Nein, so sieht das hier aus. Menschenrechte sind kein Luxus. Aber sie sind | |
in Baku echt das Teuerste. | |
16 May 2012 | |
## AUTOREN | |
Jan Feddersen | |
Jan Feddersen | |
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