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# taz.de -- Hertha vorm Schicksalstag: Der Trick mit dem Trainer
> Ob Hertha abgestiegen ist, entscheidet sich erst heute. Zeit genug für
> ein Ablenkungsmanöver - mit der Vorstellung eines neuen Trainers.
Bild: Wollte eigentlich längst im Urlaub sein: Hertha-Trainer Rehhagel.
Herthas Hängepartie nach dem umstrittenen Abstiegsspiel geht weiter. Um das
medienwirksam zu verdeutlichen, sind die Geheimtrainingsspezialisten des
Vereins zu Öffentlichkeitsarbeitern mutiert. Am Sonntag lud der Klub, der
sich zuletzt so hermetisch abgeriegelt hatte, erneut zum Trainings-Gucken
ein.
Ob das Relegationsrückspiel vom vergangenen Dienstag wegen des verfrühten
Platzsturms der Düsseldorfer Fans wiederholt werden muss oder nicht, ob
Hertha also abgestiegen ist oder nicht, war am Freitag ungeklärt geblieben.
Auch nach knapp siebenstündiger Verhandlung hatte das DFB-Sportgericht
keine Entscheidung getroffen. Am Montag soll die Verhandlung
wiederaufgenommen werden und der Richterspruch erfolgen.
Unabhängig vom sportjuristischen Ergebnis ist der Imageschaden für Hertha
bereits beträchtlich: Die Strategie des Klubanwalts Christoph Schickhardts,
die Berliner Profis als reine Opfer zu inszenieren, verfängt aufgrund neuer
Erkenntnisse nicht. Ausschließlich um die Sicherheit der Veranstaltung zu
gewähren, seien die „Todesangst“ ausstehenden Herthaner zurück aufs
Spielfeld geschickt worden, argumentierte der Jurist. Mit der
Zeugenvernehmung von Schiedsrichter Wolfgang Stark wurde freilich klar,
dass die Berliner an diesem Abend nicht nur Opfer, sondern auch Täter
waren. Stark berichtete, Levan Kobiashvili habe ihn nach der Partie einen
Schlag auf den Hinterkopf gegeben. Auch verbal sei er angegriffen worden.
Als „feiges Schwein“ habe ihn Christian Lell, als „Wichser“ Andre Mijat…
beschimpft. Letzterer habe auch gemeinsam mit Torhüter Thomas Kraft und
anderen versucht, gewaltsam in seine Kabine einzudringen.
Zwar versuchte der Verein in einer offiziellen Stellungnahme am Samstag die
Geschehnisse auseinanderzuhalten: auf der einen Seite die vor dem
Sportgericht zu verhandelnden irregulären Bedingungen, auf der anderen das
ungebührliche Verhalten der eigenen Spieler, das ein gesondertes
juristische Verfahren nach sich ziehen wird und für das sich der Klub in
aller Form entschuldigte. Die derzeit populäre These, Hertha sei generell
ein schlechter Verlierer, wird allerdings durch die Vorwürfe des
Schiedsrichters gestärkt. Im Reigen der hinzugekommenen Peinlichkeiten war
Thomas Krafts Falschaussage vor dem DFB-Gericht, der Elfmeterpunkt vor
seinem Tor sei von Düsseldorfer Fans herausgestochen worden, fast schon
eine Petitesse. Tatsächlich hatte sich die Szene auf der gegenüberliegenden
Seite zugetragen.
Aber ihr Ansehen hat die Hertha in dieser Saison bereits reichlich
verspielt. Viel zu verlieren hatte man in dieser Hinsicht nach der
Schlammschlacht zwischen Manager Michael Preetz und Trainer Markus Babbel
ohnehin nicht mehr. Außerdem gibt es durchaus gute Argumente, die
Regularität der Spielbedingungen in Düsseldorf in Zweifel zu ziehen – das
belegt schon die Verhandlungsdauer vom Freitag. Der neue Kriegsschauplatz
ist den Vereinsverantwortlichen aber auch aus einem ganz anderen Grund sehr
willkommen. Weil immer noch kein Schlussstrich unter diese Saison gezogen
werden kann, bleibt das große Reinemachen im Verein aus. Das erschwert es
den Oppositionellen, sich vor der Mitgliederversammlung am 29. Mai in
Stellung zu bringen. Die schwelenden Konflikte in den Gremien ob der
schlechten Figur, die Spieler wie Klubspitze in dieser Saison gemacht
haben, sind erst einmal zum Erliegen gekommen.
Dass die Hertha-Führung in der vergangenen Woche ein anderes bereits
erfolgreich erprobtes Ablenkungsmanöver zur Anwendung brachte, ging in der
Aufregung um die Causa Düsseldorf fast unter. Nach dem Abstieg vor zwei
Jahren nämlich hatte Manager Preetz kurz vor der als explosiv erachteten
Mitgliederversammlung den charmanten, Optimismus verströmenden Markus
Babbel als Hoffnungsträger vorgestellt und so die erhitzten Gemüter
beruhigt. Entsprechend gab man am Donnerstag bekannt, dass Jos Luhukay, der
diese Spielzeit mit Augsburg sensationell den Klassenerhalt geschafft hat,
Nachfolger von Otto Rehhagel werden wird – auch im Falle des Abstiegs.
Auch wenn die Verpflichtung als Stimmungsaufheller nicht recht zur Geltung
kam, können sich Preetz und Präsident Werner Gegenbauer fast sicher sein:
Die Wirkung wird verspätet einsetzen. Luhukay hat sich in der Vergangenheit
als ein Stratege profiliert, der trotz bescheidener Bedingungen
überdurchschnittlich gute Ergebnisse erzielt. Und das frisch gewonnene
Vertrauen eines solchen Mannes, so wird vermutlich das erfolgversprechende
Credo von Gegenbauer und Preetz Ende Mai sein, dieses Vertrauen darf man
doch nicht durch kleingeistige Debatten und Streitereien auf einer
Mitgliederversammlung erschüttern!
20 May 2012
## AUTOREN
Johannes Kopp
## TAGS
Hertha BSC Berlin
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