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# taz.de -- Tsipras besucht Linkspartei: Merkel ist „extrem isoliert“
> Die griechische Linke will in Deutschland und Frankreich für neue
> Gespräche über den Reformkurs werben. Parteichef Alexis Tsipras sieht die
> Sparpolitik als „offensichtlich gescheitert“ an.
Bild: Der Syriza-Chef Alexis Tsipras trifft sich am Dienstag in Berlin und will…
ATHEN/MADRID rtr/afp | Die griechische Linke geht in die Offensive und will
in Berlin und Paris für neue Verhandlungen über den Reformkurs ihres
taumelnden Heimatlandes werben. Die Zeit sei reif für Gespräche darüber,
wie Griechenland in der Euro-Zone gehalten werden könne, sagte der Chef der
radikalen Links-Partei Syriza, Alexis Tsipras.
Seit dem Wahlsieg des französischen Sozialisten Francois Hollande fehle
Bundeskanzlerin Angela Merkel ein wichtiger Partner bei der Durchsetzung
des Sparkurses, sagte der 37-Jährige, dessen Partei bei der erneuten
Abstimmung über ein griechisches Parlament Mitte Juni gute Chancen hat,
stärkste Kraft zu werden. „Zum ersten Mal ist Merkel extrem isoliert“,
betonte er.
„Die Umsetzung der Sparpolitik ist offensichtlich gescheitert - nicht nur
in Griechenland, sondern auch in Spanien, Portugal, Italien, Irland und
anderen Ländern.“ Der Syriza-Chef kommt am Dienstag nach Berlin und will
dort nach Beratungen mit Klaus Ernst und Gregor Gysi von den Linken eine
Pressekonferenz geben.
## Hollande lehnte Treffen ab
Bereits am Montag trifft er sich in Paris unter anderem mit dem linken
Präsidentschaftskandidaten Jean-Luc Melenchon. Gespräche mit
Regierungsvertretern sind nicht vorgesehen. Auch Hollande hat ein Treffen
abgelehnt, obwohl er mit seinen Forderungen nach eine stärkeren
Wachstumsinitiative zum Hoffnungsträger der Spar-Kritiker geworden ist.
Tsipras verlangt neue Verhandlungen über die Bedingungen der
internationalen Geldgeber auf der Ebene der Staats- und Regierungschefs. Es
sei entwürdigend für einen griechischen Ministerpräsidenten, die Gespräche
wie bisher üblich mit technischen Vertretern der sogenannten Troika zu
führen, sagte er.
Die Europäische Union, der Internationale Währungsfonds und die Europäische
Zentralbank (EZB) haben mit Griechenland ein umfangreiches Reform- und
Sparprogramm vereinbart als Basis für ihre Milliardenhilfen. Vorschlagen
will der bis vor kurzem kaum bekannte Linke unter anderem eine direkte
Unterstützung der nationalen Haushalte durch die EZB, wie sie allerdings
als Staatsfinanzierung in den Verträgen für die Euro-Zone strikt untersagt
ist.
## Eurobonds
Auch plädiert er wie Hollande für Eurobonds, um mit gemeinsamen Anleihen
die Schuldenlast schwächerer Staaten auf die Schultern der stärkeren
umzuverteilen. „Wir wollen die europäische Solidarität und Finanzierung
dafür nutzen, eine Basis für unsere langfristigen Reformen zu schaffen“,
sagte Tsipras.
„Aber wir müssen wissen, dass wir in zwei bis drei Jahren dieser
Abwärtsspirale entkommen, dass wir Wachstum haben werden und dass wir dann
das Geld zurückzahlen können, das wir erhalten haben. Wir haben keine
Chance, die Mittel zurückzugeben, wenn wir dieses Programm fortsetzen.“
Der Euro-Staat Griechenland wankt, hochverschuldet, und immer offener wird
über einen Austritt Athens aus der Währungsunion diskutiert. Wenn die
griechische Regierung die Drachme wieder einführen will, befinden Experten,
so muss dies schnell und entschlossen geschehen, um einer Panik mit einem
Sturm auf die Banken zuvorzukommen.
Innerhalb der Eurozone hat Griechenland nur die Möglichkeit, sich über
einen harten Sparkurs und Gehaltskürzungen zu sanieren. Doch dieser Weg
verliert in der Bevölkerung an Rückhalt, wie die Parlamentswahlen vom 6.
Mai gezeigt haben. Parteien, die eine Abkehr vom eisernen Sparen
versprachen, legten bei dem Wahlgang auf Kosten der Unterstützer des mit
den internationalen Geldgebern vereinbarten Sanierungsprogramms zu.
Die Folge war ein politisches Patt. Alle Versuche, eine Regierung zu
bilden, scheiterten. Nun steht das Land im Juni wieder vor Neuwahlen - die
de facto zur Abstimmung über den Euro werden dürften.
Die Wiedereinführung der Drachme als Alternative zur Gemeinschaftswährung
hätte einen entscheidenden Vorteil: Griechenland könnte sich über eine
Abwertung der nationalen Währung Spielraum verschaffen. Mit einer schwachen
Nationalwährung würde das traditionelle Reiseland für Touristen an
Attraktivität gewinnen, seine Waren würden im Export deutlich günstiger.
Doch der Euro-Austritt hat einen Preis: Der Kurs der Drachme dürfte sich
unter dem Druck einer heftigen Reaktion der Finanzmärkte zunächst im freien
Fall befinden. Mehrere Studien sagen einen Wertverlust für die Ersparnisse
der Griechen von 50 Prozent voraus.
## 700 Millionen abgehoben
Viele Griechen befürchten das längst, allein am Montag vergangener Woche
wurden 700 Millionen Euro von griechischen Banken abgehoben. Seit 2009
sollen bereits 16 Milliarden Euro im Ausland in Sicherheit gebracht worden
sein. Der Wieder-einführung der Drachme müsse deshalb „auf einen Schlag
passieren, während eines Wochenendes“, sagt Pedro Videla, Professor an der
IESE Business School in Madrid, der "sehr bald" mit diesem Szenario
rechnet.
„Die Banken müssen geschlossen werden, um Abhebungen zu verhindern.“ Das
sieht auch Giuliano Noci von der Polytechnischen Universität Mailand so:
„Drakonische Maßnahmen“ wie die Sperrung aller Bankkonten seien notwendig,
um eine massenhafte Kapitalflucht zu verhindern.
Manche Experten rechnen mit einer Alternative. Demnach könnten die Beträge
auf den Bankkonten weiter in Euro erhalten bleiben und die
Gemeinschaftswährung als „Parallelwährung“ neben der Drachme akzeptiertes
Zahlungsmittel sein. Renten oder Gehaltszahlungen für Beamte würden aber
fortan in Drachmen ausgezahlt, sie wären das Mittel für den gesamten
staatlichen Zahlungsverkehr.
Welche Variante auch immer, eine Frage bleibt: Woher sollen die Drachmen
kommen, um die Nationalwährung wieder einzuführen? Die alten Geldscheine
und Münzen sind längst vernichtet, seitdem Griechenland 2001 dem Euroraum
beitrat. Selbst wenn Griechenlands Münze fortan keine Euro, sondern nur
noch Drachmen produzieren würde, würde dies „mehrere Monate dauern“, sagt
Federico Steinberg vom spanischen Institut Elcano.
## Drachme-Stempel als Übergang
Praktisch über Nacht ist das auch mit Hilfe aus dem Ausland nicht zu
machen. Videla spricht sich deshalb für eine Übergangslösung aus, bis genug
neues Geld produziert ist. „Alle Euroscheine in den griechischen Banken
müssten mit einem Stempel mit der Aufschrift 'Das ist eine Drachme, kein
Euro' markiert werden“, sagt er.
„Oder man schneidet ihnen eine Ecke ab“, um die Drachmen auf Euro-Papier
von den echten Euro zu unterscheiden. Steinberg erwartet jedenfalls „einen
ziemlich chaotischen Übergang“. Die drastische Abwertung des Peso während
der Krise in Argentinien 2001 habe gezeigt, dass dann „informelle Währungen
auftauchen oder es eine Rückkehr zum Tauschhandel gibt“, sagt er. „Das wä…
wie eine Rückkehr in die finanzielle Vorzeit - aber in Argentinien hat sich
die Lage nach einigen Monaten geklärt.“
21 May 2012
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