# taz.de -- Beschaffung: Hauptsache, billig | |
> Rot-Schwarz verwässert die Regeln für öffentliche Aufträge: Nur noch bei | |
> Einkäufen für mehr als 10.000 Euro sollen Umwelt- und Sozialkriterien | |
> beachtet werden. | |
Bild: Büromaterial aus zertifizierter Holzwirtschaft? Och, nö. | |
Ob umweltfreundliches Druckerpapier oder Pflastersteine ohne Kinderarbeit: | |
Das Land Berlin ist per Gesetz verpflichtet, bei der Vergabe von Aufträgen | |
ökologische und soziale Kriterien zu berücksichtigen. Die Regelung aus dem | |
Jahr 2010 soll nun deutlich verwässert werden. | |
Die Regierungsfraktionen stimmten am Montag im Wirtschaftsausschuss des | |
Abgeordnetenhauses für eine Gesetzesänderung. Am Donnerstag soll sie im | |
Plenum verabschiedet werden. Die SPD sieht dabei vor allem eine Neuerung | |
als Errungenschaft: Auftragnehmer des Landes müssen ihren Mitarbeitern | |
mindestens 8,50 Euro statt der bisherigen 7,50 Euro pro Stunde bezahlen. | |
Zudem sollen in Ost und West dieselben Löhne gelten. Für die CDU steht der | |
Bürokratieabbau im Vordergrund: Die Gesetzesänderung sei ein „erhebliche | |
Beitrag zur Entbürokratisierung“, sagte der Erste Parlamentarische | |
Geschäftsführer, Heiko Melzer. Künftig sollen die Kriterien nur noch für | |
Aufträge über 10.000 Euro netto gelten. | |
## Ökologie verkauft | |
„Ich kann nicht verstehen, dass Sie die Ökologie verkaufen“, schimpfte | |
Michael Schäfer von den Grünen über die Sozialdemokraten. Erst vor zwei | |
Wochen hatte der Senat die Verwaltungsvorschrift „Beschaffung und Umwelt“ | |
vorgelegt, die im Sommer in Kraft treten und genauer definieren soll, | |
welche Ökokriterien zu berücksichtigen sind. Deshalb können auch | |
Umweltverbände das Bürokratie-Argument nicht nachvollziehen. „Dank | |
entsprechender Zertifikate und Öko-Siegel ist es heute ganz einfach, | |
umweltfreundliche Produkte zu kaufen“, sagte Tilmann Heuser, | |
Landesgeschäftsführer des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND). | |
Besonders pikant: Niemand weiß genau, wie viele Aufträge denn unter die | |
10.000-Euro-Grenze fallen. „Ich kann diese Frage nicht beantworten“, sagte | |
Wirtschaftsstaatssekretär Christoph von Knobelsdorff (CDU). Als Gesamtzahl | |
der Vergabefälle gab er allerdings 120.000 an; laut Senat geht es jährlich | |
um einen Betrag von „rund 4 bis 5 Milliarden Euro“. | |
Die Grünen schätzen, dass bei rund zwei Dritteln der Beschaffungen soziale | |
und ökologische Regeln nun keine Rolle mehr spielen, Umweltverbände | |
sprechen von 80 Prozent. Den Einwand, die Betroffenen könnten ja auch ohne | |
Verpflichtung soziale und ökologische Kriterien anwenden, lässt die | |
Opposition nicht gelten. Schließlich stünden die Landesbediensteten unter | |
erheblichem Rechtfertigungsdruck, wenn sie mehr Geld ausgäben. Zudem sei | |
das Ganze doch „eine Einladung zur Zerstückelung von Aufträgen“, empörte | |
sich Jutta Matuschek, die wirtschaftspolitische Sprecherin der Linken. | |
Den Antrag der drei Oppositionsfraktionen, die Entscheidung zu verschieben | |
und zunächst unter anderem in einer Anhörung Fakten zu erheben, lehnten die | |
Koalitionsfraktionen im Ausschuss ab. | |
21 May 2012 | |
## AUTOREN | |
Sebastian Erb | |
## TAGS | |
Brüssel | |
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