# taz.de -- Pflegekind-Betreuung zentralisiert: Alles unter einem Dach | |
> Sozialsenator Detlef Scheele will freie Träger aus der Auswahl und | |
> Betreuung von Pflegefamilien drängen - in Zukunft sollen das wieder die | |
> Jugendämter übernehmen. | |
Bild: Bald wieder direkt vom Jugendamt betreut: Kind in Pflegefamilie. | |
Hamburgs Jugendämter sollen sich künftig wieder allein um die Auswahl und | |
Betreuung von Pflegeeltern kümmern. Den bislang weitgehend zuständigen | |
freien Träger wird dieser Bereich genommen. Das geht aus dem aktuellen | |
„Eckpunktepapier“ der Sozialbehörde hervor, das der taz vorliegt. Die | |
Behörde zieht damit weitere Konsequenzen aus dem Fall der elfjährigen | |
Chantal, die in der Obhut drogensüchtiger Eltern im Januar an einer | |
Überdosis Methadon gestorben war. | |
Die Mitarbeiter der so beschnittenen freien Träger, die sich in ihren | |
Einrichtungen bislang um die Pflegeeltern gekümmert haben und an deren | |
Auswahl beteiligt waren, sollen ab 2013 in den Jugendämtern arbeiten. | |
Begründet wird diese „Re-Kommunalisierung der Pflegedienste“ mit bislang | |
„nicht einheitlichen“ Regeln bei der Aufgabenabgrenzung zwischen Trägern | |
und Jugendämtern. | |
In dem Papier heißt es wörtlich, die Beratung und Unterstützung von | |
Pflegefamilien „sollen die Pflegekinderdienste der Bezirksämter ... künftig | |
wieder vollständig selber wahrnehmen. Die Tätigkeit freier Träger | |
beschränkt sich dann auf die Akquise und Qualifizierung von Pflegefamilien. | |
Darüber hinaus sollen sie Pflegeeltern beraten, wenn sie Schwierigkeiten | |
mit den Jugendämtern haben“. | |
Zudem sieht das Behördenpapier schärfere Kriterien bei der Auswahl der | |
Personen vor, die ein Pflegekind in ihre Obhut nehmen wollen. Erwachsene | |
mit Drogenproblemen, Scientologen oder finanziell nicht ausreichend | |
abgesicherte Personen scheiden ebenso aus wie Bewerber, die dem Kind | |
„keinen ausreichenden Wohnraum zur Verfügung stellen“ können. Potenzielle | |
Pflegeeltern müssen zukünftig deshalb grundsätzlich ein erweitertes | |
Führungszeugnis für alle Haushaltsangehörigen über 14 Jahren vorlegen und | |
an einem Drogentest teilnehmen. | |
Um Nägel mit Köpfen zu machen, wollte Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) | |
die Verträge mit den freien Trägern noch in diesem Jahr kündigen – wurde | |
aber am Dienstag nach Intervention der Opposition im bürgerschaftlichen | |
Familienausschuss auch von der SPD-Fraktion zurückgepfiffen. Der | |
familienpolitische Sprecher der CDU, Christoph de Vries, wirft Scheele vor, | |
„den zweiten Schritt vor dem ersten zu machen“, wenn er noch vor „der | |
Aufarbeitung der Ursachen im Fall Chantal“ durch einen Sonderausschuss und | |
die der Finanzbehörde unterstellte Innenrevision „voreilige Kündigungen“ | |
ausspreche. | |
Auch Mehmet Yildiz von der Linkspartei warnt davor, „eine | |
Re-Kommunalisierung über das Knie zu brechen, ohne sich über alle konkreten | |
Auswirkungen eines solchen Schritts Gedanken zu machen“. Christiane Blömeke | |
von den Grünen hält eine „gründliche Beratung unter Beteiligung von | |
Fachleuten“ für notwendig, um nicht auch „bewährte Strukturen voreilig zu | |
zerstören“. Scheeles Aktionismus mache die Untersuchung des Falls Chantal | |
„zu einer Farce.“ | |
Erste Ergebnisse zum Fall Chantal liefert dabei jetzt ein Geheimpapier der | |
Innenrevision. Nach Medienberichten geht daraus hervor, dass | |
Jugendamts-Mitarbeiter mehrfach über Fehlentwicklungen in der Pflegefamilie | |
informiert wurden, aber nicht gehandelt haben. Dieses Kontroll-Versagen | |
lasse „berechtigte Zweifel aufkommen“, so de Vries, ob dieser Bereich | |
wirklich „besser in den Händen der Jugendämter aufgehoben“ ist. | |
23 May 2012 | |
## AUTOREN | |
Marco Carini | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Bericht zum Methadon-Tod von Chantal: Eine lange Liste des Versagens | |
Ein Bericht liefert einen erschreckenden Einblick in das Versagen der | |
Behörden im Fall Chantal. Seit Jahren habe das Jugendamt von den Umständen | |
in der Familie gewusst – und zu wenig getan. | |
Kommentar Pflegekinder-Neuerungen: Blaues Auge für den Senat | |
Sozialsenator Scheele hat der SPD-Fraktion schon einiges zugemutet. |