# taz.de -- Kolumne Kriegsreporterin: Tinte aus dem Mannschen Nachlass | |
> Der „Stern“ bildet Arbeitsgruppen, um aus den Sphären der Beliebigkeit zu | |
> finden, Günther Grass verschickt Flaschenpost aus Lübeck und Schmidt | |
> macht den Pocher. | |
Hallo, taz-Medienredaktion! | |
Und, wie findest Du meinen Einstieg? Meinen Texteinstieg, meine ich | |
natürlich. | |
„Reizt er zum Weiterlesen?“ „Führt er wirklich zum Thema hin?“, „Gib… | |
die Tonlage vor?“ Ja, das sind Fragen, wie man sie nicht alle Tage findet. | |
Aber in der ersten Stunde der Journalistenausbildung. Ebenso wie die, ob | |
der Leser „in den ersten Absätzen erfährt, worum es in dem Text geht“. | |
Diese Fragen stellt man sich neuerdings auch beim Stern, dem Blatt, dessen | |
Auflage in den Bereich der mikroskopischen Erfassung zu rutschen droht. Um | |
das Heft aus den Sphären der Langeweile, Beliebigkeit und von Scheißegal | |
herauszuführen, wurden im Haus Arbeitsgruppen gebildet. Und ein Leitfaden | |
entwickelt, nach dem die Redakteure Texte betrachten sollen. Könnte ja | |
sein, dass sie ihren Posten im Gruner-und-Jahr-Weihnachtslotto gewonnen | |
haben. | |
Neben der generellen Erklärung, was einen guten Text ausmacht (etwa, dass | |
man erfährt, worum es in dem Text geht), gefällt mir dieser Passus sehr | |
gut: „Es kann deshalb nicht darum gehen, eine einheitliche Schablone auf | |
jeden Text zu pressen“. Nicht nur wegen des immanenten Lobs der Vielfalt | |
und des Versprechen von Abwechslung, sondern wegen der schönen Idee der | |
Textchefs, die sich für den Leitfaden verantwortlich zeigen, eine Schablone | |
zu pressen. Das stelle ich mir sehr lustig vor. Aber auch schmerzhaft. | |
Haben Sie sich, liebe LeserInnen, auch gefragt, wo ich letzte Woche | |
abgeblieben bin? Das tut mir sehr leid. Das war eine Nachlässigkeit in der | |
Kommunikation. Es hätte klar sein sollen, dass ich wegen eines | |
Außendienstes nicht erscheinen würde. Ich bitte um Verzeihung und freue | |
mich, dass auf einen anderen Stifthalter mehr Verlass ist: den | |
Grass-Günter. Man möchte sich gar nicht ausmalen, wie die Kollegen an der | |
Isar in Deckung gehen, wenn wieder eine Flaschenpost aus Lübeck in der | |
Redaktion der Süddeutschen angespült wird. Und das Feld ist weit. Es gibt | |
vieles, wofür man sich schämen könnte, Bayern München etwa oder der viele | |
Regen, und es bleibt zu befürchten, dass sich der Grass-Günter dieser | |
Themen noch annehmen wird. Er soll einen großen Restposten Tinte aus dem | |
Mann’schen Nachlass erworben haben. | |
Auch um Bedeutung ringt Harald Schmidt, der angeblich demnächst den Pocher | |
gibt. So soll er die Liveübertragung der Oper „Don Giovanni“ durch den SWR | |
und Arte nicht nur kommentieren, sondern auch noch selbst hinter der Bühne | |
mit der Kamera unterwegs sein. Das, was früher die „Kinderkamera“ war, ist | |
jetzt „Haralds Auge“. Fehlt bloß noch die 70-teilige Reihe „Mein Blick �… | |
Oper von hinten“. | |
Richtig Spaß macht diese Woche die Meldung, dass Spiegel Online sich zu | |
verbindlichen Vergütungsleistungen bekennt. So sollen ein Mindesthonorar | |
von 100 Euro gezahlt, Mehrfachverwertungen abgesprochen werden, Ausfall zu | |
100 Prozent bezahlt und den Autoren endlich die Spesen ersetzt werden. | |
Lustig ist allerdings, dass die Gewerkschaften Ver.di und DJV sich das als | |
Verdienst auf die Fahne schreiben. | |
Denn es war mein kleiner, tapferer Verein Freischreiber, der solchen Druck | |
gemacht hat, dass Spiegel-Online-Chef Mathias Müller von Blumencron bereits | |
letzten Sommer sagte, wenn Freischreiber nicht so genervt hätte, würde man | |
die Konditionen noch ewig beibehalten. Meines Wissens kamen die | |
Goliath-Truppen erst, als Freischreiber den Weg freigekämpft hatte. Aber | |
was soll’s! Die haben in den letzten Jahren so wenig für die Freien getan, | |
dass sie sich über jedes einzelne freie Mitglied freuen, das ihnen noch | |
geblieben ist. Tja, von Freischreiber lernen heißt siegen lernen! | |
Beschwingt zurück nach Berlin! | |
30 May 2012 | |
## AUTOREN | |
Silke Burmester | |
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