# taz.de -- Berliner Flughafen-Desaster: „Die Planer wussten es vor Monaten“ | |
> Planerin Hannelore Ellersiek über die Vorhersehbarkeit der Pannen in | |
> Berlin, warum man menschlichen Schwächen vorbeugen muss und sie linken | |
> Protest vermisst. | |
Bild: Wer stand oben und hatte die Verantwortung für das Planungschaos? | |
taz: Frau Ellersiek, Sie haben in einem offenen Brief gegen das | |
Flughafenchaos protestiert. Was hat Sie dazu bewegt? | |
Hannelore Ellersiek: Aufgrund der Medieninformation habe ich den Eindruck, | |
dass am Flughafen getäuscht wird. Die Probleme kommen nicht wirklich auf | |
den Tisch, es wird nicht erklärt, warum sie entstanden sind und welche | |
sicherlich nicht unerheblichen Schäden für den Steuerzahler damit verbunden | |
sind. | |
Ist das symptomatisch für derartige Großprojekte? | |
Die sind häufig politisch gewollt. Um die Zustimmung zu sichern, wird | |
zunächst versucht, die Kosten und Termine nach unten zu drücken. Oftmals | |
ist da schon klar, dass das nicht haltbar ist. Dass bei einem Großprojekt | |
etwas schieflaufen kann – das Risiko ist immer relativ groß. Aber dass die | |
Beteiligten viel zu lange den Mund halten und damit den Schaden noch | |
potenzieren, finde ich nicht in Ordnung. | |
Ist das bei der Verstrickung von Politik und Bauwirtschaft nicht | |
unausweichlich? | |
Nein, es ist nicht unausweichlich. Es passieren zwischendurch ganz viele | |
gruppendynamische Prozesse. Meistens versuchen die Hauptverantwortlichen | |
auch noch, die anderen unter Druck zu setzen nach dem Motto: „Jetzt haltet | |
endlich die Klappe, wir schaffen das!“ Niemand traut sich, etwas zu sagen, | |
das hat mit menschlicher Schwäche zu tun. Es liegt aber sicherlich auch an | |
der Strukturierung solcher Projekte. Mir ist nicht klar, wer bei dem Bau | |
des Flughafens derjenige gewesen ist, der die obere Verantwortung getragen | |
hat. | |
Was kann bei Großprojekten helfen, dass Kosten und Termine eingehalten | |
werden? | |
Wichtig ist, dass es wirklich ganz klare Verantwortungsstrukturen gibt. An | |
deren Fehlen scheitern ganz viele Projekte. Weil nicht klar ist, wer über | |
was informiert werden und wer welche Entscheidung treffen muss. Ein anderer | |
wichtiger Punkt ist: Man muss versuchen, menschlichen Schwächen vorzubauen. | |
Die Leute, die solche Projekte handeln, müssten unemotionaler sein. Sie | |
müssen sachfixiert sein und weniger von persönlichen Vorteilen abhängig. | |
Damit meine ich aber kein Geld. Gerade in dem Moment, wo Politiker | |
beteiligt sind, wird es gefährlich, weil die ja ihr Image in der | |
Öffentlichkeit aufrechterhalten müssen. | |
Wie merkt man, dass ein Rückstand nicht mehr aufholbar ist? | |
Bein einem derart großen Projekt wie dem BER haben die Planer – das | |
garantiere ich Ihnen – schon sechs Monate im Voraus gewusst, dass der | |
Eröffnungstermin nicht mehr zu halten ist. Die Frage ist nur: Was ist dann | |
passiert? Haben sie alle anderen Beteiligten informiert und sind gezwungen | |
worden, den Mund zu halten? Oder haben sie selber den Fehler gemacht und | |
gesagt, „Oh Gott, wenn ich jetzt etwas sage, dann gibt es eine | |
Katastrophe“, und daher nichts gemacht? | |
Von linken Gruppen gab es nur wenige Reaktionen auf das Desaster. Wundert | |
Sie das? | |
Ja. Erst protestieren die Leute wegen des Lärmschutzes, dann gegen die | |
zusätzlichen Nachtflüge in Tegel. Mir ist aber bisher keine Gruppe bekannt, | |
die jetzt Druck wegen der Verwendung von Steuergeldern bei diesem Projekt | |
machen. Und darauf, dass die Verantwortlichen auch haftbar gemacht werden. | |
2 Jun 2012 | |
## AUTOREN | |
Johannes Kulms | |
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Flughafen Berlin-Brandenburg (BER) | |
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