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# taz.de -- Flughafen: Modell für die Pleite
> Der Ton im Abgeordnetenhaus wird schärfer: Die Opposition fordert von
> Wowereit Zahlen über die Zusatzkosten. Die drohen den gesamten Haushalt
> zu kippen.
Bild: In Erklärungsnot: Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) am …
So dringend konnte es der SPD-Fraktion nicht sein mit ihrem angeblich
aktuellsten Thema in der Plenarsitzung des Abgeordnetenhauses. Statt
intensiv die „Neuausrichtung der Liegenschaftspolitik“ zu bewerben,
begründete ihr parlamentarischer Geschäftsführer Torsten Schneider
minutenlang, warum die Koalition nicht, wie Grüne und Piraten verlangten,
über die Flughafenpanne reden mochte. „Abwehrschlachten“ nannte
Grünen-Fraktionschefin Ramona Pop das. Genau an diesem Donnerstag, führte
sie genüsslich aus, hätte die Eröffnungsparty stattfinden sollen. „Es ist
der Tag Ihrer härtesten Bruchlandung als Regierender Bürgermeister“, rief
sie Klaus Wowereit (SPD) zu. „Kriegen Sie gar nicht mehr mit, was die Stadt
gerade bewegt?“
Die Berliner Politik bewegt derzeit jedenfalls kaum etwas anderes als das
Flughafendesaster. Die Opposition ist aus der Schockstarre erwacht. Die
Grünen fordern eine zweite Regierungserklärung – eine erste hatte der
Regierende in der Parlamentssitzung vor zwei Wochen abgeliefert. Die
Piraten wollen endlich Aufklärung über die finanziellen Folgen der
Verschiebung. „Es gibt Gerüchte, auf das Land Berlin kämen Kosten und
Risiken in Höhe von 2,4 Milliarden Euro zu“, sagte Piraten-Fraktionschef
Andreas Baum. Er will wissen, was das für den Haushalt 2012 und 2013
bedeutet – den sollte das Parlament eigentlich am 14. Juni beschließen.
Die Sprecherin der Senatsverwaltung für Finanzen, Kathrin Bierwirth, sagte
dazu der taz: „Es ist gemeinschaftliches Interesse, die haushaltsfreie Zeit
möglichst schnell zu beenden.“ Üblicherweise liegt ein Landeshaushalt Ende
des vorangehenden Jahres vor. Wegen der Abgeordnetenhauswahl im September
2011, den folgenden Koalitionsverhandlungen und der Senatsbildung hatte
sich dieser Zeitplan verschoben. Seit Jahresbeginn sind deshalb nur
zwingende Ausgaben möglich, neue Projekte und Investitionen müssen warten.
Naheliegend ist daher, dass das Abgeordnetenhaus den Entwurf am 14. Juni
beschließt und mögliche Kosten durch die Flughafenpanne über einen
„Nachtragshaushalt“ regelt.
Der dürfte es dann in sich haben: Die geschätzten Baukosten für den
Flughafen sind inzwischen von 2,4 auf über 3 Milliarden Euro erhöht worden.
Hinzu kommen steigende Zinslasten, 200 bis 250 Millionen Euro stehen für
zusätzliche Schallschutzmaßnahmen aus. 15 bis 20 Millionen Euro kostet die
Verschiebung monatlich, insgesamt also 150 bis 200 Millionen. Die
Schadenersatzforderungen der Fluggesellschaften und geschädigten
Unternehmen werden derzeit auf bis zu eine halbe Milliarde geschätzt. Die
Grünen im Abgeordnetenhaus gehen davon aus, dass sich die Kosten des
Debakels auf über 1 Milliarde Euro summieren. Eine Einladung des für
Finanzen zuständigen Hauptausschusses hatte Wowereit am Mittwoch abgesagt.
Dafür diskutiert heute der Bundestag im Plenum über den Flughafen. Die
Grünen haben einen Antrag eingebracht: „Ursachen und Verantwortlichkeiten
für das Berliner Flughafendebakel lückenlos aufklären“. Sie fordern einen
Entschädigungsfonds für Ladenbesitzer und Restaurants am neuen Flughafen,
die nun monatelang keine Einnahmen haben werden. Daneben soll geprüft
werden, ob persönliches schuldhaftes Verhalten in Management und
Aufsichtsrat der Flughafengesellschaft vorliege.
## Weisen Schuld von sich
Dessen Vorsitzender weist weiterhin jede Schuld von sich und den
Mitgliedern: „Ich glaube, dass der Aufsichtsrat seiner Verantwortung
umfangreich gerecht geworden ist“, wiederholte Wowereit am Donnerstag. Vor
dem 20. April hätte keiner im Aufsichtsrat gewusst, dass es die nun
öffentlich bekannt gewordenen Schwierigkeiten gebe. Die
Flughafengesellschaft gehört zu je 37 Prozent Berlin und Brandenburg, zu 26
Prozent dem Bund.
Am Mittwoch kündigte die Gesellschaft wie in der Woche zuvor beschlossen
der Planungsgesellschaft Flughafen Berlin Brandenburg (pg bbi), zu der das
Büro des Architekten Meinhard von Gerkan gehört. Die pg bbi war für die
Planung des Terminals und die Bauüberwachung zuständig. Die
Flughafengesellschaft will diese Aufgaben nun selbst übernehmen. Nachdem
bekannt wurde, dass die Bauarbeiten am neuen Flughafen offenbar seit
Monaten im Rückstand sind, war zuvor schon Chefplaner Manfred Körtgen
entlassen worden. Inzwischen gerät auch Flughafenchef Rainer Schwarz unter
Druck: Der Vorsitzende des Verkehrsausschusses im Bundestag, Anton
Hofreiter (Grüne), forderte am Mittwoch dessen Rücktritt. Schwarz habe den
Aufsichtsrat zu spät von den Problemen beim Brandschutz informiert.
24 May 2012
## AUTOREN
Stefan Alberti
Juliane Schumacher
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