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# taz.de -- Linke streiten mit Linken: „Antisemitische Ressentiments“
> Wegen eines antiisraelischen Sammelbands soll der Laika-Verlag nicht an
> den Linken Buchtagen in Berlin teilnehmen. Der Streit eskaliert – und
> spaltet die linke Szene.
Bild: Gegenstand des Sammelbands „Mitternacht auf der Mavi Marmara“: die Ga…
Vor genau zwei Jahren wurde die so genannte Gaza-Hilfsflottille bei dem
Versuch, die israelische Seeblockade des islamistisch regierten
Gazastreifen zu durchbrechen, von israelischen Spezialkräften aufgebracht.
Bei den Auseinandersetzungen an Bord der „Mavi Marmara“ kamen neun
Aktivisten ums Leben, auch israelische Soldaten wurden verletzt. Dieses
Ereignis sowie Grundsätzliches zum Israel-Palästina-Konflikt wurden
Gegenstand des Sammelbands „Mitternacht auf der Mavi Marmara“, den der
Hamburger Laika Verlag veröffentlichte. Und dieser Band spaltet nun die
linke Szene.
Es ist ein Streit zwischen dem dezidiert linken Verlag Laika und den Linken
Buchtagen in Berlin. Die Linken Buchtage finden vom 15. bis zum 17. Juni
zum zehnten Mal im Mehringhof statt. Sie wollen Plattform für Lesungen und
Diskussionen sein. Doch nachdem die Linken Buchtage den Laika Verlag jetzt
im Vorfeld ausgeladen hatten, empörte sich dieser, nannte die Berliner
„dumme Sackgassenlinke“ und rief zur Solidarität auf.
Der Laika Verlag gab das umstrittene Buch bereits im März 2011 als zweiten
Band der Reihe Edition Provo heraus. Es enthält Texte von knapp 50 Autoren,
darunter von angesehenen wie dem israelischen Historiker und Publizist
Moshe Zuckermann, aber auch von umstrittenen Persönlichkeiten wie Amira
Hass, einer israelischen Journalistin, die für die Zeitung Ha’aretz aus den
Palästinensergebieten berichtet.
## Wer dazu gehört und wer nicht
In dem Streit um die Absage an den Laika Verlag geht es darum, wie weit die
Israelkritik gehen darf, ohne die Grenze zur Israelfeindlichkeit zu
überschreiten. Alter linker Antiimperialismus reibt sich an antideutsch
grundierten Positionen. Der Laika Verlag empört sich, dass die Linken
Buchtage „darüber entscheiden, wer dazu gehört und wer nicht“.
Die Berliner Organisationsgruppe kontert, sie wolle keine Plattform für
nationalistische, religiöse oder menschenrechtlich getarnte Israelkritik
sein: „Die Zusammenstellung des Bandes insgesamt ist unserer Ansicht nach
zu kritisieren. Statt die Vorgänge auf und um die Mavi Marmara aus
unterschiedlichen Perspektiven zu beleuchten, wird eindeutig Position für
die sogenannte Hilfsflottille bezogen. Dieses Buch verwehrt sich jeder
Distanz, jeder abwägenden Analyse, die Kritik geht nur in eine Richtung und
bedient antisemitische Ressentiments.“
Laika Verleger Karl-Heinz Dellwo, der in den 1970er-Jahren der RAF
angehörte, stört sich nicht an dieser Kritik. Jedes Buch könne
unterschiedlich betrachtet werden. Ein Buch zu verlegen, bedeute nicht,
sich dessen Inhalt zu eigen zu machen. Was Dellwo erregt, ist, dass „andere
sich anmaßen, ein Buch zu indexieren und zu bestimmen, was diskutiert
werden darf und was nicht.“
Jörg Sundermeier, Verleger des im Mehringhof ansässigen Verbrecher Verlags
und taz-Autor, hingegen findet, dass „gerade ein linker Verlag darauf zu
achten hat, was inhaltlich in den Büchern steht“, also dafür auch
Verantwortung trägt. Er selbst würde den „blauen Band“ nicht herausgeben.
Mit dem politischen Statement der Buchtage-Organisator/innen sei er
„d’accord“. Verstehen könne er allerdings, wenn Dellwo sich darüber är…
dass die Organisationsgruppe so lange mit ihrer Erklärung warten ließ. Den
von Dellwo vorgebrachten Vorwurf der Zensur hält er für „aufgeblasen“.
## „Unwichtige Idioten“
Der Laika Verlag bezeichne die Berliner Organisator/innen einerseits als
„unwichtige Idioten“, andererseits tue er so, als ob sie eine gigantische
Macht und Zensur ausüben könnten. Das sei „absurd“, so Sundermeier. Ähnl…
auch die Organisationsgruppe selbst: „Wir finden den Vorwurf albern. Wir
haben keine Manuskripte geschwärzt, wir haben keine Auflagen beschlagnahmt,
wir haben Laika einfach nicht zu den Linken Buchtagen eingeladen.“
Um den Streit nicht weiter eskalieren zu lassen, ruderte man inzwischen
sogar zurück und schickte Friedenssignale nach Hamburg. „Um die Debatte zu
beruhigen, gestehen wir dem Laika Verlag einen Stand zu“, so die
Organisationsgruppe.
Doch das reicht den Hamburgern nicht. Dellwo findet es „einfach falsch, in
so einem destruktiven Klima auch nur den Anschein von Übereinstimmung
herzustellen“, und kündigte an, den Linken Buchtagen nun erst recht fern zu
bleiben.
Er fordert eine „Neukonzeption“. Nach Dellwo sei es „die Aufgabe der
Linken, in allen Konflikten eine emanzipatorische Lösung zu finden“. Ob für
oder gegen Israel, das wäre eine Frage, die sich so nur in Abwesenheit der
Kritisierten diskutieren lassen wird.
3 Jun 2012
## AUTOREN
Du Pham
## TAGS
Israel
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