# taz.de -- Neonaziaufmarsch in Hamburg: Marsch in die Sackgasse | |
> Mehrere tausend Menschen haben sich dem Neonazi-Aufmarsch in Hamburg in | |
> den Weg gestellt. Die Polizei versuchte vergeblich, eine Route gewaltsam | |
> freizukämpfen. | |
Bild: Wurden nass: Demonstranten, die den Nazis nicht den Weg frei machen wollt… | |
HAMBURG taz | Hamburg zeigte Flagge gegen Rechts. Mehr als 20.000 Menschen | |
haben am Samstag gegen den Aufmarsch von 500 Neonazis zum „Tag der | |
deutschen Zukunft“ in der Hansestadt demonstriert. | |
Während auf dem Rathausmarkt dem Ruf von SPD-Senat, Bürgerschaft, Kirchen | |
und Wirtschaftsverbänden unter dem Motto „Hamburg bekennt Farbe“ rund | |
10.000 Menschen folgten, versammelten sich im Stadtteil Wandsbek mehrere | |
tausend Menschen zu Sitzblockaden auf der Nazi-Marschroute. Der Aufmarsch | |
konnte erst mit dreieinhalbstündiger Verspätung beginnen und endete in | |
einem Desaster. | |
Am Morgen hatte das Hamburger Bündnis gegen Rechts, ein Zusammenschluss von | |
220 Organisationen, mit 5.000 Teilnehmern in der Innenstadt demonstriert | |
und anschließend zu Blockaden in Wandsbek aufgerufen. Auf weit mehr als der | |
Hälfte der Nazi-Route bewegten sich mehr als 3.000 Demonstranten aus allen | |
Gesellschaftsschichten. | |
Auf der Route bildeten Demonstranten Sitzblockaden. „Wir sind friedlich was | |
seid ihr“, riefen die oft weit mehr als 500 Blockierer den Polizeikräften | |
zu. An einer Straßenecke löste die Polizei mit Wasserwerfern, Pferdestaffel | |
und Pfefferspray eine friedliche Blockade auf. Wenige Straßen weiter wurden | |
600 Menschen eingekesselt und stundenlang festgehalten. In anderen Straßen | |
brannten Mülltonnen und Barrikaden. Beamte jagten Vermummte – Steine und | |
Flaschen flogen. | |
Die Neonazi-Kader Thomas „Steiner“ Wulff und Christian Worch mussten indes | |
lange warten, bis ihre „Kameraden“ mit drei Gelenkbussen der Hamburger | |
Hochbahn angekarrt worden waren und ihre Parolen gegen „Multi | |
Kulti-Fetischismus“ skandieren konnten. | |
## Räumpanzer und Wasserwerfer | |
Auf Unverständnis stieß die Entscheidung der Polizei, den rechten Mob nicht | |
auf die noch weitgehend freie und genehmigte Strecke zu leiten, sondern | |
eine gewaltfreie Blockade in Richtung des Hasselbrook-Quartiers zu räumen, | |
so dass sich der Zug – angeführt von zwei Räumpanzer, zwei Wasserwerfern | |
und den Nazi-Trommlern – in Bewegung setzen konnte. | |
Im Quartier saßen die Neonazis, angeführt von „Autonomen Nationalisten“, | |
die mehrfach gegen die Polizei „Ausbruchversuche“ unternahmen, um Antifas | |
zu attackieren, im wahrsten Sinne des Wortes fest. Mehrere tausend Menschen | |
blockierten den Weg. | |
Um die Neonazis zum rettenden Bahnhof bringen zu können, räumte die Polizei | |
unter massiven Einsatz von Wasserwerfern, Schlagstöcken, Pfefferspray und | |
unvermittelten Schlägen auf die Köpfe der Blockierer eine Kreuzung. | |
Vereinzelt flogen erneut Gegenstände auf die Polizisten. Nur von einer | |
lockeren Polizeikette abgeschirmt schlängelte sich der Nazi-Aufmarsch durch | |
enge die Straße an den Gegendemonstranten vorbei und bedankte sich bei der | |
Polizei mit Applaus für das Freimachen der Straße. Wohl als Reaktion auf | |
die brutale Räumung zündeten anschließend in einer Parallelstraße | |
vermeintliche Autonome zwei Privatautos an. | |
Die Quittung dafür bekamen andere: Polizisten aus Sachsen stürmten mit | |
lautem Gebrüll auf friedliche Sitzblockierer zu und verprügelten einen am | |
Boden liegenden Studenten. Es kam immer wieder zu Jagdszenen zwischen | |
Autonomen und der Polizei, bei denen auch viele Unbeteiligte verletzt | |
wurden. | |
Eine Anwohnerin, die sich erbost über die Ingewahrsamnahme von Jugendlichen | |
zeigte, blaffte eine Polizistin an: „Ihr seid viel schlimmer, als die Nazis | |
es waren!“ Die Hamburger Beamtin reagierte gelassen. „Da kann ich sehr gut | |
mit leben.“ | |
3 Jun 2012 | |
## AUTOREN | |
B. Laufer | |
P. Müller | |
A. Speit | |
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