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# taz.de -- Markt der Sexwebsites: Pornos machen das Netz schneller
> Pornoseiten sind die technische Avantgarde im Netz: Sie verarbeiten
> stündlich Datenberge, die größer als Bibliotheken sind. Ihren Aufstieg
> verdanken sie auch Google.
Bild: Im Internet geht es härter zu, viel härter.
Wer heute nur eine Stunde mit den am häufigsten benutzten Suchworten im
Internet surft, bekommt mehr nackte Menschen zu sehen als die englische
Königin Viktoria in ihrem ganzes Leben. Pornografie macht nicht nur einen
großen Teil der Datenmenge aus, sondern ist auch der Motor des technischen
Fortschritts. Von der Porno-Industrie im Internet lernen heißt siegen und
Aufmerksamkeit erheischen lernen.
Exakte Zahlen sind kaum zu bekommen; indirekt lassen sie sich zuverlässig
erschließen. Google wirft zwar pornografische Websites aus [1][seinen
offiziellen Statistiken]. Der Dienst Alexa, der Amazon gehört, hat aber
[2][eine eigene „Adult“-Kategorie], die die größten Sex-Websites auflistet
und analyisiert.
Unstrittig ist, dass rund 30 Prozent des gesamten Datenverkehrs im World
Wide Web ([3][nicht im Internet!]) aus Pornografie und verwandten
darstellenden Formen besteht. Die Porno-Website Xvideos.com wird zum
Beispiel 4,5 Milliarden Mal im Monat aufgerufen – von [4][rund 350
Millionen Nutzern]. Das ist das Vierfache der „Page Views“ von CNN. Das
deutsche Pornoportal LiveJasmin.com, nach eigenen Angaben die größte
pornografische Video-Chat-Community der Welt und registriert im
portugiesischen Funchal, ist nicht viel kleiner.
YouPorn, das zweitgrößte Porno-Angebot im Internet, speichert mehr als 100
Terabyte (1 Terabyte sind 1.000 Gigabyte) an Daten und hat mehr als 100
Millionen Klicks am Tag. Die Datenmenge, die täglich im Durchschnitt
übertragen wird, umfasst 950 Terabytes, pro Monat sind das bis zu 30
Petabytes. Bis zu 100 Gigabyte Daten in der Sekunde müssen die Server
verarbeiten – erheblich mehr als das Videoportal Youtube. Gegen diesen
Elefanten ist eine schnelle Internet-Leitung in Deutschand nicht eine
Mücke, sondern ein mikroskopisch kleiner Einzeller.
## Ganze Bibliotheken an einem Vormittag
Die astronomischen Zahlen des Datentransfers kann man sich ohnehin kaum
noch vorstellen. Zum Vergleich: Der Text der Bibel benötigt rund fünf
Megabyte Speicher – so viel wie ein kleiner digitaler Videofilm. Die
Bibliothek des US-amerikanischen Kongresses speichert insgesamt 235
Terabytes an Daten. Diese Datenmenge transportieren die Rechner der größten
Porno-Websites an einem Vormittag.
Wenn man die Bits und Bytes hochrechnet, dann umfasst das Datenvolumen
eines einzigen großen pornografischen Angebots rund zwei Prozent des
gesamten Datenverkehrs im Internet. Die Entwicklung der Speicherkapazität
ist ohnehin rasant: Erst 2007 gab es die erste Festplatte, die ein Terabyte
verarbeiten konnte. Die Porno-Industrie ist also darauf angewiesen, immer
die besten und schnellsten Server anzubieten. In wohl keinem Geschäftszweig
im Internet ist die Konkurrenz gnadenloser und härter.
Dazu kommt noch das eigentliche Geschäftsmodell der digitalen-Sex- und
Porno-Angebote – der Verkauf von Nutzerdaten. Hier unterscheiden sich
YouPorn, GayRomeo, xnxx.com aus Hongkong oder Adult Friendfinder kaum von
sogenannten „sozialen Netzwerken“ wie Facebook. Der Unterschied zu anderen
Websites besteht darin, dass die Nutzer bei Sex häufiger klicken und auch
länger bleiben.
Bis zu 15 Gigabyte Daten der Nutzer werden nach eigenen Angaben täglich
geloggt – das Tafelsilber der Cyberporn-Unternehmen. Die Porno-Industrie im
Internet weiß also ganz genau, wer warum wann und wie lange welche Links
anklickt und welche Bilder und Filme am häufigsten konsumiert werden. Rund
ein Drittel aller Websites spionieren ihre Nutzer [5][mit Google Analytics
aus] – die Sex-Websites ohnehin. Google hat die Tracking-Tools von Anfang
an gratis angeboten, und bootete damit alle Konkurrenten aus.
## Das Prinzip Google
Schon in seinen Anfangszeiten führte Google zu einer breiten
Popularisierung von Pornoseiten. Im Gegensatz zu früheren Suchmaschinen
versteht Google die digitale Welt als die Summe ihrer Verknüpfungen – den
Graphen. Eine Website ist dann relevanter als andere, wenn viele auf sie
verweisen und sie verlinken.
Und so schuf die Porno-Industrie große Server-Zoos und Abertausende von
Adressen und Domains im Web, die alle aufeinander verwiesen. Diese
Linkschleudern boten selbst gar keine Inhalte an, aber suggerierten eine
hohe Relevanz – ein auf sich selbst rückverweisenden System, was Google
billigend in Kauf nimmt, war es doch das Geheimrezept des Erfolges.
Schon in den achtziger Jahren, als an das World Wide Web noch gar nicht zu
denken war, wurden die Newgroups im Usenet, dem ältesten Teil des Internet,
überschwemmt mit Sex-Fotos, die überwiegend aus den kommerziellen
Porno-Mailbox-Systemen stammten. Damals waren Textnachrichten und die Foren
mit Binärdateien („Binaries“) noch getrennt – zufällig konnte man nicht…
Newsgroups mit digitalen Nacktbildchen stolpern.
Der Diskurs über Pornografie im Internet begann mit einer Falschmeldung des
US-amerikanischen Magazins Time im Juli 1995. Der Journalisten Philip
Elmer-Dewitt hatte einen aufgeregten Artikel über „Cyberporn“ publiziert,
in dem er behauptete, riesige Mengen an Pornografie würden „im Internet“
angeboten und machten einen relevanten Teil der Daten aus.
Elmer-Dewitt hatte aber nicht im Internet recherchiert, was er später
kleinlaut zugeben musste, sondern ausschließlich in
Porno-Bulletin-Board-Systems (BBS), in Mailboxen, also einem heute fast
ausgestorbenen System von vernetzten Computern, die mit dem Internet nichts
zu tun haben. Der Begriff „Cyberporn“ ist seitdem in der Welt und regt die
Gemüter auf wie eh und je. Angesichts der Umsätze der Porno-Industrie
erscheint das heuchlerisch – die Nachfrage bestimmt das Angebot.
## Eierlegende pornographische Wollmilchsäue
Digitale Pornografie gab es also schon vor der Erfindung des World Wide Web
1991 und sogar schon in den frühen achtziger Jahren, als das Internet noch
in den Kinderschuhen steckte. Die damals dürftige Bandbreite der Leitungen
setzte aber enge Grenzen. Das änderte sich erst in den 90er Jahren des
letzten Jahrhundert, als nicht nur Leitungen schneller wurden, sondern auch
Heimcomputer Bilder verarbeiten konnten, die mehr darstellten als grob
gepixelte Strichmännchen.
Heute geht der Trend hin zur eierlegenden pornografischen Wollmilchsau:
alles inklusive, Bilder, Filme, Chat, Kontaktbörse, sogar „Lebensberatung“,
in der einige wenige Anbieter den Markt dominieren – dagegen kommen kleine
Websites kaum noch an. Andererseits ist Pornografie im Internet nicht nur
eine Männer-Domäne – ein geschätztes Fünftel der Nutzer sind Frauen.
Doch die Betreiber von Porno-Websites wissen auch, dass Kreditkarten, die
auf weibliche Namen zugelassen sind und mit denen kostenpflichtige
Pornografie abgerufen wird, nicht immer darauf schließen lassen, dass die
Konsumenten auch weiblich sind. Ein großer Teil empörter Beschwerden über
den Missbrauch der Kreditkarten stammt von Müttern oder zornigen Ehefrauen,
die gar nicht wussten, dass mit ihrem Geld Pornos im Internet bezahlt
wurden. Einige Betreiber von Sex-Portalen haben Kreditkarten, die Frauen
gehören, deshalb vorsorglich als „Betrugsversuch“ deklariert.
6 Jun 2012
## LINKS
[1] http://www.google.com/adplanner/static/top1000/
[2] http://www.alexa.com/topsites/category/Top/Adult
[3] http://de.wikipedia.org/wiki/World_Wide_Web
[4] http://www.extremetech.com/computing/123929-just-how-big-are-porn-sites
[5] http://royal.pingdom.com/2008/05/28/google-analytics-dominate-the-top-500-w…
## AUTOREN
Burkhard Schröder
## TAGS
Internet
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