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# taz.de -- Tibetologe über Erleuchtung und Wahnsinn: „Ich möchte ein Buddh…
> Er ist der Vater von Uma Thurman und ein renommierter Tibetologe. Robert
> Thurman über Wiedergeburt, Chinas Sklaven und Irre in der US-Politik.
Bild: Robert Thurman und der Dalai Lama. „Ich bewundere die Mönche, die sich…
taz: Herr Thurman, es ist noch kein Jahr her, da habe ich Ihren Sohn Dechen
Thurman interviewt, der ein bekannter Yoga-Lehrer ist. Ihre Tochter Uma ist
ein Superstar – was ist so besonders an ihrer Familie?
Robert Thurman: Karma vermutlich. Wir versuchen der Welt im Rahmen unserer
Möglichkeiten zu helfen, aber nur Uma ist die Berühmte, der Rest von uns
nicht. Ich bin ein bisschen in der buddhistischen Welt bekannt, weil ich
mit dem Dalai Lama schon lange befreundet bin und viele Bücher geschrieben
habe, aber Buddhismus ist jetzt auch nicht der Weltverkaufsschlager.
Wie sind Sie denn zum Buddhismus gekommen?
Als ich in Harvard studierte, war ich schon sehr an esoterischen,
mystischen und spirituellen Dingen interessiert, aber ich habe mich auf
Literatur, Theaterstücke und Partys konzentriert. Dann hab ich bei einem
Unfall ein Auge verloren, und ich beschloss, mich ernsthafter mit Leben und
Tod zu beschäftigen. In Indien stellte ich fest, dass die Buddhisten die
besten Lehrer waren. Also schloss ich mich der tibetanischen Gemeinde in
Indien an, und ab dem Moment war ich vollkommen glücklich.
Wie kam es zu der Freundschaft mit dem Dalai Lama?
Anfang der sechziger Jahre war er noch nicht so bekannt, jung und noch
nicht der große Lehrer, der er heute ist. Also hatte ich zunächst andere
Lehrer, die mich ihm dann vorstellten. Und nachdem ich innerhalb von zehn
Wochen Tibetanisch gelernt hatte, hat er sich sehr gern mit mir über alles
Mögliche unterhalten.
War er zu der Zeit nicht auch mit Heinrich Harrer, dem österreichischen
Bergsteiger und Autor des Buchs „Sieben Jahre in Tibet“, befreundet?
Ja, die beiden waren sehr gute Freunde. Harrer sprach exzellentes
Tibetanisch, wir haben uns häufig gesehen, in Deutschland, Indien, New
York. Er war ein sehr guter Kerl.
Und seine Nazivergangenheit?
Während des Kriegs war Harrer im britischen Kriegsgefangenenlager – und ist
nicht den Juden hinterhergerannt, um sie zu ermorden. Er ist der NSDAP nur
beigetreten, um in das Bergsteigerteam zu kommen. Aber die Chinesen haben
das so hochgespielt, um die Ausstrahlung des Films zu verhindern. Ihn
deshalb zu einem bösen Menschen zu machen, wäre ungerecht.
Sie repräsentieren ein weltoffenes, linksliberales Amerika. Von dem hören
wir in Europa mittlerweile weniger als von Tea Partys. Fühlen Sie sich
fremd im eigenen Land?
Es sieht tatsächlich gerade schlecht aus. Aber ich hoffe, dass die jungen
Leute ihren Frust überwinden und für Obama wieder von Tür zu Tür laufen,
damit er in der zweiten Legislaturperiode mehr bewirken kann. Wenn
allerdings Irre wie Romney und die anderen Republikaner die Wahlen gewinnen
und sich womöglich mit den Irren in Israel zusammentun und den Iran
angreifen, dann wird es sehr gefährlich – das wäre Terror. Ich sage meinen
Studenten immer, seid nicht so dumm wie die deutschen Sozialisten 1932 und
geht einfach nicht wählen. Man weiß nie, wie schlimm es kommen kann! So hat
Hitler die Wahl gewonnen, den Reichstag abgefackelt und den Kommunisten die
Schuld gegeben. Ich habe den Eindruck, das könnte in den USA jetzt auch
passieren, durch den Patriot Act und all die Sonderbestimmungen. Inzwischen
kann man einen Umweltschützer ermorden, wenn man behauptet, er sei
Terrorist.
Wie konnte das passieren?
Zwei Dinge sind passiert: 1. Wir haben das Konzept einer loyalen Opposition
verloren. Demokratie erfordert, dass der Verlierer einer Wahl mit dem
Gewinner effizient zusammenarbeitet. Und das macht keiner mehr, auf diese
Weise wird das Land kontinuierlich angegriffen. 2. Die Korruption: 550
Kongressabgeordnete in Washington und 58.000 hochbezahlte Lobbyisten am
anderen Ende der Straße – also 100 zu 1.
Und wie ist das Verhältnis zu Europa?
Die negativen Kräfte in den USA ärgern sich über das europäische
Sozialsystem. All die Finanzverbrecher, die für die Crashs und Blasen
verantwortlich sind und nicht vor Gericht gestellt wurden – diese Leute
haben eine Sklavenhaltermentalität und wollen, dass die Amerikaner und die
Europäer ihre Sklaven sind. Darum mögen sie China so, denn die chinesische
Diktatur hat Sklaven. Obama hat es nicht geschafft, die Leute an der Wall
Street zu kontrollieren, da hat er versagt. Er hat versucht, die Banken zu
retten, nicht die betroffenen Menschen. Damit hat er versäumt, die
richtigen Prioritäten zu setzen.
Und wie steht der Rest der Welt zu China?
Ich erzähle der Welt, wie sehr die Tibetaner unter der chinesischen
Besatzung leiden. Das machen nur sehr wenige, weil es sich keiner mit der
Wirtschaftsmacht China verscherzen will. Die Chinesen zocken alle ab. Ich
meine, die Chinesen arbeiten hart, aber die Regierung nutzt den
Kapitalismus als eine Art Waffe. Die reichen 1 Prozent der Welt wurden
durch die Chinesen noch reicher, deswegen lassen sie das zu. Kaum dass
Russland sich etwas in Richtung Demokratie bewegt und das Apartheidregime
in Südafrika endlich vorbei ist, kommt der doofe Bush Senior und macht
Geschäfte mit den Chinesen, die zu dem Zeitpunkt gerade ein Massaker am
Tiananmenplatz anrichten. Ein großer Fehler, für den wir heute noch
bezahlen. Das Prinzip der Sklavenhaltung haben sich die Wirtschaftsbosse
von den Chinesen abgeguckt. Sie nehmen den Leuten ihre Renten, ihre Häuser
und Ersparnisse, und sie lassen zu, dass sich die Studenten derart hoch
verschulden, dass sie da nie wieder rauskommen – erst recht nicht ohne
Jobs. Selbst wenn sie sterben, muss die Familie noch ihre Schulden
abzahlen.
Wie denken Sie über die Selbstverbrennungen in Tibet?
Ich bewundere diese Mönche. Sie versuchen die Leute aufzuwecken aus diesem
verrückten Machtspiel.
Werden die wiedergeboren?
Sie opfern sich selbst, aus Güte. Also werden sie eine wunderbare
Wiedergeburt haben.
Haben Sie Ihre Kinder zu Buddhisten erzogen?
Wir haben sie keiner Gehirnwäsche unterzogen. Wir haben sie zu kritisch
denkenden Individuen erzogen. Dazu, sie selbst zu sein und keine Angst vor
Autoritäten zu haben. Sie haben keine Angst vor ihren Eltern – also haben
wir was richtig gemacht.
Ist der LSD-Guru Timothy Leary wirklich Umas Patenonkel?
Nein, das ist Quatsch. Meine Frau und ich haben uns durch ihn
kennengelernt, aber er war nie Patenonkel irgendeines unserer Kinder. Zu
dem Zeitpunkt war er sauer, weil er die wunderschöne Frau namens Nena nicht
freigeben wollte und eifersüchtig auf mich war. Er hat ja auch behauptet,
er sei der Patenonkel von dieser anderen Schauspielerin …
Winona Ryder?
Genau. Er lebte in Hollywood und behauptete, er sei der Patenonkel von
allen – nichts davon ist wahr. Er war schon ein brillanter Kopf, aber
leider ist er sehr materialistisch geblieben in seinem Besitzdenken. Und er
dachte, die Droge selbst ist die Erleuchtung. Das ist keine spirituelle,
sondern eine wissenschaftliche, materialistische Herangehensweise.
Ihr Ziel ist die Erleuchtung?
Ja, ich möchte so schnell wie möglich ein Buddha werden.
Im nächsten Leben?
Vielleicht auch, wenn ich neunzig werde. Ich bin bereit.
8 Jun 2012
## AUTOREN
Julia Niemann
## TAGS
Dalai Lama
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