# taz.de -- Kommentar Erbgutuntersuchung: Wo der Mensch zur Norm wird | |
> Es ist nur noch eine Frage der Zeit bis der neue Gentest für Embryonen | |
> einsatzfähig ist. Gibt es ihn erst einmal, werden weitreichende ethische | |
> Fragen aufgeworfen. | |
Noch ist der neue Bluttest zur Erbgutuntersuchung von Embryonen nicht | |
einsatzfähig. Seine Aussagekraft ist noch zu ungenau, und vor allem ist er | |
für den praktischen Einsatz noch viel zu teuer. Es ist jedoch nur ein Frage | |
der Zeit, dass diese beiden Hemmnisse für die klinische Anwendung | |
ausgeräumt sind. | |
Bei den bisherigen vorgeburtlichen Genuntersuchungen, wie etwa bei der | |
Fruchtwasseruntersuchung oder dem Nabelschnurbluttest, muss mit einer Nadel | |
durch die Bauchdecke der Schwangeren gestochen werden. Dieser invasive | |
Eingriff führte dann oftmals zu einem Abbruch. Bei dem neuen Verfahren | |
bestünde diese Gefahr nicht mehr. Für viele Humangenetiker war es schon | |
immer ein Wunschtraum, einen Gentest an Embryonen durchführen zu können, | |
ohne diesen zu gefährden. | |
Die aus Politik und von Humangenetikern zu hörenden Bemerkungen, wie: | |
„Dieser Test hat keinen praktischen Nutzen“, sind daher überhaupt nicht | |
hilfreich. Sie verdecken nur, dass diese oder auch ähnliche in der | |
Erforschung befindliche Verfahren das Potenzial haben, die gesamte | |
vorgeburtliche Gendiagnostik zu revolutionieren und weitreichende ethische | |
Fragen aufzuwerfen: Sollen sich werdende Eltern die genetische Ausstattung | |
ihres Nachwuchses aussuchen dürfen? Darf nur nach krankheitsauslösenden | |
Genen gesucht werden? Darf den Wunsch der Eltern nach einem Supersportler | |
erfüllt werden? | |
Nein, das sind nicht nur Utopien: daran wird geforscht. Heute schon gibt es | |
den Gentestchip, für den ein winziger Blutstropfen ausreicht, um nach mehr | |
als 3.000 krankheitsauslösenden Genen zu suchen. Dabei wird es nicht | |
bleiben. Steht der neue Gentest erst einmal für „jedermann“ zur Verfügung, | |
dann wir er auch nachgefragt. Dann sind der „Eugenik von unten“ keine | |
Grenzen mehr gesetzt. | |
8 Jun 2012 | |
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