# taz.de -- Abstieg der VZ-Gruppe : Die Bildung soll SchülerVZ pushen | |
> Studi- und SchülerVZ steuern in die Bedeutungslosigkeit. Jetzt plant die | |
> VZ-Gruppe einen Kurswechsel und will sich zur Lernplattform umbauen – | |
massive Stellenkürzungen inklusive. | |
Bild: Bald alleine statt zu dritt? VZ-Gruppe mit Studi-, Schüler- und MeinVZ. | |
BERLIN taz | „Hallo, was gibt´s Neues?“, fragt die Online-Plattform StudiVZ | |
ihre Nutzer. Deren Antwort könnte bald lauten: „Für euch nichts mehr.“ De… | |
die VZ-Gruppe, Deutschlands einst so erfolgreiches Internet-Startup, will | |
sich radikal verschlanken und damit verhindern, dass es gänzlich in die | |
Bedeutungslosigkeit abrutscht. | |
Während die Technologieabteilung schon Anfang Mai in die | |
Tochtergesellschaft [1][Devbliss] der VZ-Eigentümerin | |
Holtzbrinck-Verlagsgruppe ausgelagert worden war, will sich das VZ-Netzwerk | |
nun von 25 seiner momentan 70 Mitarbeiter trennen. Den Kern der künftig in | |
Poolworks umbenannten Netzwerkgruppe soll SchülerVZ – ab Herbst dann IdPool | |
genannt – stellen. Es hat andere Zielgruppen als Facebook und muss sich | |
deshalb noch nicht direkt mit dem amerikanischen Netzwerk messen. | |
Allerdings arbeitet Facebook Medienberichten zufolge an neuen | |
Nutzeroberflächen für Jugendliche unter 13 Jahren. | |
Für StudiVZ und MeinVZ prüfe man dagegen „neue Optionen“, schreibt die | |
VZ-Gruppe am Montag in einer Stellungnahme. Insgesamt soll das Unternehmen | |
viel stärker an die Bildungs- und Wissenssparte des Holtzbrinck-Verlages | |
angedockt werden, der die VZ-Gruppe ab 2007 sukzessive übernommen hatte. | |
Seit Facebook Anfang 2008 mit seiner deutschen Version an den Start ging, | |
hat die VZ-Gruppe viele Nutzer an die Konkurrenz verloren. Während die | |
Seiten laut der [2][Informationsgemeinschaft zur Feststellung der | |
Verbreitung von Werbeträgern] (IVW) im Mai 2010 noch 466.176.506 Zugriffe | |
verzeichneten, waren es im Mai diesen Jahres noch 44.668.880 – knapp ein | |
Zehntel. Auch die einzelnen Nutzer haben rapide abgenommen: Laut der | |
[3][Arbeitsgemeinschaft Onlineforschung] (AGOF) verringerte sich die Anzahl | |
der so genannten Unique-User von 13,65 Millionen Nutzern im zweiten Quartal | |
2010 auf unter vier Millionen im Februar 2012. | |
## Radikaler Neustart nötig | |
Die VZ-Gruppe reagierte am Montag auf Nachfrage der taz nicht, die | |
Beschreibung des neuen Konzepts im Pressestatement bleibt vage: Es solle | |
den „Austausch von Jugendlichen zu ihren Interessen und Fähigkeiten“ | |
befördern. „Die Plattform soll perspektivisch über mehrere Stufen zu einem | |
edukativen Angebot ausgebaut werden.“ Möglicherweise könnte SchülerVZ damit | |
einer Strategie folgen, die Holtzbrinck im Mai schon mit Investitionen in | |
das Mathematik-Lernportal [4][bettermarks.de] verfolgte. | |
Ist das die richtige Entscheidung, um das darbende Netzwerk wieder | |
interessant zu machen? Alex Hofmann [5][glaubt] jedenfalls, dass eine bloße | |
Umbenennung und leichte Umstrukturierungen der VZ-Gruppe nicht aus diesem | |
Tief helfen können. Das habe schon der gescheiterte Relaunch im vergangenen | |
September gezeigt, sagt Hofmann, der für das Online-Magazin | |
[6][Gründerszene] deutsche und internationale Startups beobachtet. | |
Statt sich deutlich von Facebook abzuheben und auf lokale Angebote wie etwa | |
auf den Uni-Alltag abgestimmte Veranstaltungshinweise zu setzen, hatte die | |
VZ-Gruppe hauptsächlich ihr Design und das Seiten-Layout leicht verändert. | |
„Die VZ-Gruppe hat sich über Jahre hinweg kaum angepasst und weiter | |
entwickelt, jetzt müsste ein radikaler Neustart her“, sagt Hofmann. | |
Er glaubt, dass der Bereich der Lernplattformen, den das Unternehmen mit | |
Poolworks offenbar anstrebt, durchaus Potenzial hat. Dass man Social Media | |
und Bildung nicht sofort mit einander assoziiere, sei kein Hindernis. „Wenn | |
man dort sinnvoll lernen kann, etwa durch gemeinschaftliche Chaträume und | |
Möglichkeiten, parallel Dokumente auszutauschen, könnte das für Schüler und | |
Studenten interessant sein“, sagt Hofmann. | |
## Unglaubwürdige Strategie | |
Entscheidend sei aber, dass die VZ-Gruppe einen offensichtlichen Mehrwert | |
biete und Schulen und Universitäten dazu bringe, ihre Strukturen auch zu | |
nutzen. „Auch wenn es momentan keine wirkliche Konkurrenz zu Facebook gibt, | |
die Amerikaner sind nicht fehlerlos und werden mit ihrer Datenschutzpolitik | |
langfristig Nutzer vergrätzen“, glaubt Hofmann. Hier könne Holtzbrinck mit | |
einer Lernplattform möglicherweise punkten. | |
Oder selbst Probleme bekommen, meint Simon Schnetzer. Der Experte für | |
digitalen Gesellschaftswandel am Institut für Kommunikation in sozialen | |
Medien verweist auf die ablehnenden Reaktionen, die der Börsengang | |
Facebooks im Mai und die damit verbundenen Analysen der Werbe- und | |
Finanzkraft des Netzwerks bei den Nutzern hervorgerufen habe. Wenn | |
Holtzbrinck nun versuche, ein Netzwerk für den Austausch von Wissen und | |
Lerninhalten zu konzipieren, aber gleichzeitig von Werbung abhängig sei, | |
werde das unglaubwürdig. | |
„Es wird schwierig, gute Nutzbarkeit und ansprechendes Layout zu | |
gewährleisten und gleichzeitig nicht allzu kommerziell zu wirken“, sagt | |
Schnetzer. Dafür gebe es stattdessen öffentliche Räume wie | |
[7][Netz-Checkers], einem Netzwerk-Angebot des Bundesfamilienministeriums, | |
oder die Lernplattform Moodle. | |
„Der springende Punkt ist, dass die Kommunikation auf einer Plattform Spaß | |
macht“, sagt Schnetzer. Dazu sei entweder eine breite Nutzergruppe wie bei | |
Facebook, oder eine sehr spezielle Nutzerausrichtung wie etwa bei der | |
wissenschaftlichen Kommunikationsplattform [8][Research Gate] nötig. | |
## Neustart fordert Investititonen | |
Die VZ-Gruppe habe stattdessen bisher Nutzer nach ihrer Lebensphase | |
unterschieden und dadurch etwa Ältere von Jüngeren, Azubis von Studenten | |
getrennt – eine langfristig wenig erfolgreiche Strategie. Im Bereich Wissen | |
und Wissenstransfer liege dagegen sicherlich eine Kernkompetenz des | |
Holtzbrinck-Verlages, zu dessen Flaggschiffen etwa die Wochenzeitung Zeit | |
gehört. Wenn hier noch mehr Austausch stattfinde, könne das auch für die | |
Nutzer wieder interessanter werde. | |
Schnetzer wie Hofmann sind sich einig, dass der Neustart einige | |
Investitionen erfordern wird. VZ-Netzwerke äußerte sich am Montag auch zu | |
den geplanten Investitionen und den jüngsten Umsätzen mit der VZ-Gruppe | |
nicht. „Wenn sie dort jetzt keine Energie rein geben, war das ein letztes | |
Aufbäumen der VZ-Gruppe vor dem sicheren Tod“, glaubt Hofmann. | |
11 Jun 2012 | |
## LINKS | |
[1] http://www.devbliss.de/en/about-us/ | |
[2] http://ausweisung.ivw-online.de/index.php | |
[3] http://www.agof.de/index.583.html | |
[4] http://de.bettermarks.com/ | |
[5] http://www.gruenderszene.de/news/studivz-entlassungen | |
[6] http://www.gruenderszene.de | |
[7] http://www.netzcheckers.de/ | |
[8] http://www.researchgate.net/ | |
## AUTOREN | |
Karen Grass | |
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