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# taz.de -- Niederländischer Fußball-Intellektueller: „Holland spielt zynis…
> Henk Spaan erklärt holländische Fußballphilosophien. Und er sagt, wen er
> im zweiten Gruppenspiel aufstellen würde und warum er eifersüchtig auf
> die Deutschen ist.
Bild: „Selbst das 74er-Team war wahrscheinlich nicht nur das beste seiner Zei…
taz: Herr Spaan, was ist bei der Niederlage der Holländer gegen Dänemark
schiefgelaufen?
Henk Spaan: Keine Leidenschaft, kein One-touch-Fußball und viele vergebene
Chancen. Und in der holländischen Mannschaft gab es zwei Blöcke, einen
defensiven und einen offensiven, zwischen denen keine Kommunikation
stattfand.
Das Problem war das Mittelfeld?
Ja. Und gegen Dänemark waren es vor allem die defensiven Mittelfeldspieler
Mark van Bommel und Nigel de Jong.
Was hätte der Trainer Bert van Marwijk tun sollen?
Er hätte van Bommel auswechseln sollen und nicht de Jong. Van Bommel ist
einfach zu alt. Über die Frage, wer hätte ausgewechselt werden sollen, gibt
es jetzt auch Diskussionen innerhalb der Mannschaft, und einige Spieler
sind sauer auf den Trainer.
Am Mittwoch spielt Holland gegen Deutschland. Spielt für Sie dabei die
Erinnerung an das verlorene WM-Finale 1974 noch eine Rolle? Es heißt, viele
aus Ihrer Generation hätten diese Niederlage nie überwunden.
Vor einigen Jahren habe ich mir dieses Spiel noch einmal angeschaut und
musste überraschenderweise feststellen, dass Deutschland in der zweiten
Hälfte wirklich besser war als wir. Dann kam es zur Revanche im
EM-Halbfinale von 1988. Es ist zwar immer noch ein wenig bedauerlich, dass
wir 1974 verloren haben, aber für mich ist es kein Drama mehr.
Der niederländische Fußball steht im Ruf, in seiner Idealform ebenso
künstlerisch schön wie spielerisch zwingend zu sein.
Dieser Stil wurde bei der WM 1974 etabliert, Ausländer haben ihn „totalen
Fußball“ genannt.
Das meint was?
Der Gegner wird schon in der eigenen Hälfte unter Druck gesetzt. Wenn er
den Ball hat, wird er sogleich von mehreren Spielern umringt. Und hat man
den Ball erobert, wird sofort auf Angriff umgeschaltet. Dazu gibt es
ständige Positionswechsel, und die ganze Größe des Platzes wird ausgenutzt.
Es gibt die These, dass dies mit der holländischen Konzeption von Raum zu
tun hätte. Weil Holland das am dichtesten besiedelte Land Europas ist, war
man dazu gezwungen, den engen Raum kreativ auszunutzen.
Das hat der britische Autor David Winner in seinem Buch „Brilliant Orange“
formuliert. Es ist eine schöne Theorie, aber ich halte sie für Unsinn. Ich
mag sein Buch sehr, Winner hat eine ironische Betrachtungsweise, und
zugleich tritt er sehr leidenschaftlich für den holländischen Fußball ein.
Aber dass sich etwa das Raumverständnis des Malers Mondrian im
holländischen Fußball widerspiegelt, ist meines Erachtens nichts weiter als
eine intellektuelle Spielerei.
Aber der „totale Fußball“ versucht schon, das Spiel in die Breite zu
ziehen, und läuft darum meistens auch mit zwei Außenstürmern auf.
Ja. Aber dafür gibt es keinen künstlerischen oder intellektuellen Grund.
Das hat allein mit der besonderen Art zu tun, wie hier bei uns seit den
siebziger Jahren Fußball gelehrt wird: Den ganzen Platz zu nutzen und den
Ball die Arbeit verrichten, ihn laufen zu lassen – das ist die Essenz die
holländischen Fußballs.
Und heute spielt Holland nicht mehr so?
Nicht mehr in dieser Reinform. Im holländischen Fußball gibt es heute zwei
Schulen: die Cruyff-Schule, die auf individuellen Fähigkeiten und ständigen
Positionswechseln basiert, und die Van-Gaal-Schule. Die ist viel taktischer
und jedes Spiel wird von der Seitenlinie aus gecoacht. In der
Nationalmannschaft wie bei Ajax Amsterdam hat sich die Van-Gaal-Richtung
durchgesetzt.
Dem FC Barcelona wird nachgesagt, er sei eine Kopie Hollands der siebziger
Jahre.
Das stimmt nicht. Die niederländischen Mannschaften hatten immer auch eine
andere, eine zynische Seite. Selbst das 74er-Team war wahrscheinlich nicht
nur das beste seiner Zeit, sondern auch das härteste. Barcelona benutzt
solche Methoden fast nie. Sie sind zu wendig und zu geschickt am Ball, um
großen Wert auf die körperliche Seite des Fußballs zu legen.
So wie die Holländer im WM-Finale 2010 gegen Spanien?
Da ganz besonders. Aber schon zuvor ging es nur um das Ergebnis. Es war
eine zynische Herangehensweise, eine fast italienische Art.
Das holländische Publikum will schönen Fußball sehen?
Ich denke schon. Ich jedenfalls war sehr enttäuscht darüber, wie die
Niederlande bei der WM 2010 gespielt haben. Ich war sehr eifersüchtig auf
die Deutschen und ihr romantischeres Spiel.
Das müssen Sie ausführen.
Die Deutschen spielen so wie die Holländer spielen sollten. Vor allem Mesut
Özil ist für mich ein holländischer Spielertyp. Er ist eine klassische 10
nach niederländischem Verständnis, hat fantastische Fähigkeiten und ist
taktisch perfekt. Auch Bastian Schweinsteiger ist ein holländischer
Spieler.
Woher kommt das?
Es ist schon lustig: Die Deutschen haben sehr viel von uns gelernt, vor
allem von der holländischen Nachwuchsarbeit. Sie haben Ajax, Feyenoord
Rotterdam und den niederländischen Verband besucht. Mittlerweile haben die
Deutschen eine vielleicht bessere Jugendförderung als wir. Nun sollten wir
uns etwas davon abgucken, wie sie ihre jungen Spieler trainieren.
Und in der Gegenwart? Kann van Marwijk seine Mannschaft richtig einstellen?
Eigentlich mag ich ihn. Aber van Marwijk ist sehr konservativ. Deshalb
befürchte ich, dass es gegen Deutschland kaum Änderungen geben wird.
Was würden Sie ändern?
Ich weiß es auch nicht genau. Klar ist nur: Er sollte van der Vaart statt
van Bommel bringen.
Was ist mit Klaas-Jan Huntelaar, dem Torschützenkönig der Bundesliga?
Sollte er anstatt Robin van Persie spielen?
Auf keinen Fall. Ich verstehe die vielen Holländer nicht, die Huntelaar in
der Startelf sehen wollen. Für die Nationalmannschaft hat er bisher nicht
allzu gut gespielt. Van Persie ist der einzige Weltklassespieler, den wir
haben, auch wenn er gegen Dänemark einige Großchancen ausgelassen hat. Das
Problem ist doch, dass sich einige seiner Mannschaftskollegen weigern, das
Spiel nach ihm auszurichten.
Wer konkret?
Robben. Arjen Robben spielt nur für sich selbst. Er denkt, er allein sei
das holländische Team, er sei Bayern München, hat aber von Mannschaftsspiel
keine Ahnung.
13 Jun 2012
## AUTOREN
Ole Schulz
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