# taz.de -- Deutschland besiegt die Niederlande: „Aufsässig“ kommt weiter | |
> Gomez stark, Schweinsteiger überragend, Löw lässig. Doch der Sieg gegen | |
> die Niederlande ist die Folge eines neuen Stils der Nationalmannschaft. | |
Bild: Mann des Spiels: Bastian Schweinsteiger. | |
CHARKIW taz | Jogi Löw verfügt neuerdings über ganz erstaunliche | |
Fähigkeiten. Nach nur wenigen Besuchen der Ukraine versteht er offenbar | |
schon die Landessprache. „Ich hatte keinen Ton, aber ich glaube, ich weiß, | |
was sie meinen“, entgegnete er einem ukrainischen Fragesteller und streifte | |
den nutzlosen Kopfhörer ab, der ihm eigentlich eine Übersetzung hätte | |
liefern sollen. | |
Löw konnte im Grunde nur den Namen „Schweinsteiger“ verstanden haben, aber | |
das reichte ihm, um zu wissen, dass es um den Mann des Spiels ging. Der | |
defensive Mittelfeldstratege des FC Bayern hatte zwar kein Tor geschossen, | |
doch er hatte jeweils den entscheidenden Pass zu Mario Gomez gespielt und | |
darüber hinaus durch clevere Defensivarbeit überzeugt. | |
Gomez erzielte mit Schweinsteigers Hilfe in der ersten Halbzeit zwei | |
Treffer, woraufhin das Heer der holländischen Fans in der ostukrainischen | |
Stadt jäh verstummte. Oranje war baff. Mit dieser Dominanz hatten sie nicht | |
gerechnet. Der Vizeweltmeister schaffte nur noch den Anschlusstreffer durch | |
eine schöne Einzelleistung von Robin van Persie (73. Minute). Mehr kam | |
nicht. „Denen ist wenig eingefallen“, sagte Löw. | |
Deutschland steht nach dem 2:1 in der Hitzeschlacht von Charkiw vorm Einzug | |
ins Viertelfinale. Im letzten Vorrundenspiel am Sonntag reicht ein | |
Unentschieden gegen Dänemark. „In der Group of Death hammer jetzt mal sechs | |
Punkte, das isch ne gute Leistung“, freute sich Löw. Dann ging er auf die | |
Frage des ukrainischen Journalisten ein: „Seine Präsenz auf dem Platz ist | |
extrem gut“, sagte er über Schweinsteiger. Der habe es geschafft, die | |
Holländer an ihrem wunden Punkt zu treffen. | |
Schweinsteiger, dem noch vor Turnierbeginn die Wade gezwickt hatte und der | |
nach einem Mallorca-Kurztrip in den Fokus der Boulevardpresse geraten war, | |
spielte zwei blitzsaubere Pässe „in die Schnittstelle“ der holländischen | |
Abwehr, „dahin, wo sie besonders verletzlich sind. Wir haben gewusst, dass | |
sie Probleme mit diesen Schnittstellen haben“, sagte Löw. | |
## Alle sichern nach hinten ab | |
Das DFB-Team war nicht nur in den entscheidenden Situationen | |
gedankenschnell und leichtfüßig, sie machten es den Holländern auch durch | |
das „kompakte Spiel“ (Löw) schwer. Hätte nur noch gefehlt, dass der | |
Bundestrainer wieder mal seine neue Lieblingsvokabel an den Mann gebracht | |
hätte. | |
Sie lautet „aufsässig“ und beschreibt den aktuellen Stil der | |
Nationalmannschaft ziemlich gut. Es geht nicht mehr vorrangig um | |
mitreißendes Offensivspiel wie bei der Weltmeisterschaft in Südafrika, | |
jetzt sind vor allem Aggressivität gefragt und extrem hohe | |
Laufbereitschaft. | |
Wichtig ist, dass alle nach hinten absichern. Wenn dann noch ein paar | |
Torchancen herausspringen – umso besser. Auf dieser Defensivbasis ruht das | |
deutsche Spiel. Früher hieß das mal kontrollierte Offensive. Aber das ist | |
ein Begriff aus der Mottenkiste des Fußballs. Jogi Löw würde ihn eher nicht | |
herauskramen. | |
Der Bundestrainer sagt lieber: „Wir haben gewusst, dass die holländischen | |
Defensivspieler im eins gegen eins nicht so gut sind.“ Jedenfalls nicht so | |
gut wie die Deutschen, die nur in den ersten 15 Minuten etwas in die | |
Bredouille kamen nach Chancen von Robin van Persie. | |
## Niderlande glaubt noch an sich | |
„Viele Teams sind bei dieser Europameisterschaft sehr auf die Sicherheit | |
bedacht“, sagte Innenverteidiger Mats Hummels und erkannte damit den Trend | |
dieser Tage. Das traf für die Deutschen ebenso zu wie für die Holländer, | |
die mit einer 4-2-3-1-Formation antraten und nicht mit der früher typischen | |
Oranje-Aufstellung 4-3-3. | |
„Es ist lange her, dass Deutschland so eine gute Mannschaft hatte“, lobte | |
Bert van Marwijk den Gegner. „Die sind sehr stark, die sind sehr kreativ, | |
die können viele Tore schießen.“ Deutschland, so klang das jedenfalls aus | |
dem Mund von van Marwijk, ist das neue Holland: Die Moffen sind es, die | |
jetzt Voetball totaal spielen. | |
„Wir waren nicht stark genug, wir haben zu wenig gezeigt“, räumte der | |
Bondscoach ein. Im Mittelfeld taten sich enorme Lücken auf, Ibrahim Afellay | |
und Arjen Robben spielten auf den offensiven Flügeln unter Normalniveau. | |
„Wir haben ihnen einfach zu viele Räume gelassen“, lautete das Fazit von | |
van Marwijk. Sein Team müsse jetzt „tapfer“ sein im nächsten Spiel gegen | |
Portugal. Sie wollen die Minimalchance auf den Einzug in die K.o.-Runde | |
nutzen. „Wir glauben noch an uns.“ | |
## Überragender Gomez | |
An sich geglaubt hat auch Mario Gomez. Nach dem Presseecho der vergangenen | |
Tage ist ihm das allerdings nicht leicht gefallen. „Es ist nicht so | |
einfach, so etwas abzuschütteln“, sagte Gomez. Dem Profi des FC Bayern war | |
vorgeworfen worden, ihm fehle die Bindung zum Spiel, er solle den Platz für | |
Miroslav Klose oder Marco Reus räumen. | |
ARD-Experte Mehmet Scholl hatte sich gar über die vermeintlich | |
kräfteschonende Spielweise von Gomez lustig gemacht („Ich hatte Angst, dass | |
er sich wund liegt“). In der Hitze von Charkiw hat Gomez einen Beweis | |
seiner Extraklasse erbracht. Für Jogi Löw kam das nicht sonderlich | |
überraschend: „Ihn muss man nicht lange aufrichten, er findet seinen Weg | |
schon immer selber.“ | |
14 Jun 2012 | |
## AUTOREN | |
Markus Völker | |
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