Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kinderfrei im Urlaubshotel: Nur für Erwachsene
> Im Tourismus formiert sich mit „kinderfreien Hotels“ ein neuer Trend.
> Hotelmanager sprechen von einem „Nischenprodukt“, tatsächlich aber ist es
> Ausgrenzung.
Bild: Nicht überall erlaubt: Kinder im Hotelpool.
Mit dem süßen Leben ohne Kinder lockt ein Hotel im Bayerischen Wald. Das
„Dolce Vita“ im Ferienort Bodenmais bietet „Genuss in Ruhe und Harmonie�…
da stört der lästige Nachwuchs. Das Haus ist stolz auf seine „kinderfreie
Philosophie“.
Die verbirgt sich hinter der freundlich klingenden Formulierung
„Jugendliche ab 16 sind herzlich willkommen“. Heißt im Klartext: Alle unter
16 müssen draußen bleiben. Mit dieser „Zielgruppenorientierung“, so die
Betreiber Astrid Stiefel und Andreas Diefenbach, seien sie „der Zeit
voraus“.
Nur wenige Tourismusdienstleister trauen sich bisher, ihr „kinderfreies“
Konzept derart offensiv zu vermarkten. In der Regel wird das Fernhalten der
kleinen Besucher dezent, aber wirkungsvoll über den Preis geregelt – ob in
Edelherbergen oder Luxusthermalbädern, wo der Eintritt extrem teuer und
Kinderermäßigung ein Fremdwort ist.
Doch mit der wachsenden Zahl von Singles und Paaren ohne eigene Familie
entsteht offenbar ein gesellschaftliches Klima, das urlaubende Kinder mit
alkoholisierten Russen oder randalierenden Fußballfans auf eine Stufe
stellt.
Als sich 2007 ein Wirt im bayerischen Kraiburg weigerte, Kinder unter zwölf
in sein Restaurant zu lassen, kam es zum Eklat. Die CSU-Sozialministerin
Christa Stewens sprach von einem Skandal.
Doch nicht nur in Deutschland sind Kinder mancherorts unerwünscht. So nennt
sich das Hotel Amalienburg im österreichischen Saalbach
„erwachsenenfreundlich“, das Cortisen am Wolfgangsee verspricht unter dem
Motto „No Kids“ einen ruhigen Aufenthalt.
Beide Häuser wurden für ihre Marketingstrategie von Politikern und
Tourismusverbänden heftig kritisiert.
Die spanische Kette Iberostar betreibt auf Mallorca, den Kanaren, in
Kroatien sowie in der Dominikanischen Republik und auf Jamaika Hotels, die
keine Buchungen für Personen unter 14 Jahren entgegennehmen.
## Sogar Disneyland
Auch einige US-amerikanische Anbieter haben nach der Devise „Adults only“
(nur für Erwachsene) ein Mindestalter für ihre Gäste festgesetzt. Sogar im
Kinderparadies Disneyland in Florida verweigert das Restaurant „Victoria &
Alberts“ Besuchern unter zehn Jahren den Zutritt.
Kinderfeindlich? Diesen Vorwurf weisen sämtliche Verantwortlichen weit von
sich. Sie sprechen von einer „Marktlücke“, einem „Nischenprodukt“, das
gezielt die Wünsche bestimmter Kunden bediene.
Die entsprechende Klientel gibt es: Bei einer (nicht repräsentativen)
Umfrage der Tourismusplattform [1][HolidayCheck.de] bekundeten 41,6 Prozent
der Befragten: „Ich bin für Erwachsenen-Hotels, weil mich das
Kindergeschrei stört.“
## Ein Schlüsselerlebnis
Die Hoteliers des Dolce Vita berichten von einem „Schlüsselerlebnis“, als
sie selbst auf Reisen waren und sich in einem Whirlpool entspannen wollten.
Obwohl „eine Altersbeschränkung vorgegeben war, spielten Kleinkinder
Fangen, suchten andere Kinder ihre Eltern und wieder andere fanden es
lustig, nackte Menschen zu sehen“.
Es gebe zahlreiche familienfreundliche Angebote in unmittelbare Nähe ihres
Hauses. „Selbstverständlich helfen wir jedem weiter, der eine gute
Empfehlung für ein Kinderhotel benötigt.“
Im Onlineblog [2][reisen-experten.de] stellt sich eine Autorin vor, jemand
würde ein Hotel eröffnen, in dem Menschen über 60 unerwünscht sind. Etwa
weil jüngere Gäste keine Lust haben auf unpassende Shorts, Liegenbesetzung
per Handtuch oder notorisches Vordrängeln am Buffet.
## „Kein Tabubruch“
Ein Aufschrei des Entsetzens wäre die Folge. Was, wenn es um Ältere geht,
skandalös wirkt, ist bei Kindern angeblich die Aufregung nicht wert.
Das Motto „Nur für Erwachsene“ ist kein Tabubruch, wie seine Verfechter
behaupten, sondern wirft eher ein Licht auf das Nichtvorhandensein von
Gemeinschaftswerten in Teilen unserer Gesellschaft.
Die Geschäftsidee „Kinderfreies Hotel“ passt zu einem Zeitgeist, der
öffentliche Räume an Erwachsenen orientiert und für den Nachwuchs
Sanktionen bereithält: Spielen und Toben verboten, und bitte keine
Kindertagesstätte in unserem ruhiges Wohngebiet!
So besehen, handelt es sich weniger um pfiffige Werbung als um Ausgrenzung.
16 Jun 2012
## LINKS
[1] http://www.holidaycheck.de/
[2] http://blog.reisen-experten.de/kinderfreie-zone-urlaub-nur-fur-erwachsene-5…
## AUTOREN
Thomas Gesterkamp
## TAGS
Kinder
Kinder
## ARTIKEL ZUM THEMA
Kinder in Deutschland: Ihr lebt hier im Paradies!
Unsere Autorin kann nicht verstehen, warum die Deutschen sich für
kinderfeindlich halten. Als US-Amerikanerin weiß sie, wie sich das wirklich
anfühlt.
„Kinderfrei“-Lehrerin bekommt Ärger: „Wir müssen weniger werden“
Eine bayerische Lehrerin plädiert für ein kinderfreies Leben. Nun
beschweren sich Eltern. Das Schulministerium prüft ihren Fall.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.