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# taz.de -- Kolumne Aufm Platz: Wenig Wir und ganz viel Ich!
> Portugals Starspieler Cristiano Ronaldo bestreitet pro Spiel immer zwei
> Partien – eine für das Team und auch eine für sich selbst.
„Wir hatten große Probleme. Nach dem 2:0 dachten wir, das Spiel sei schon
gelaufen.“ Oder: „Diesmal hatten wir das Glück, das uns gegen Deutschland
gefehlt hat.“ Das vorweg: Cristiano Ronaldo hat nach dem Sieg Portugals
über die Dänen nicht nur über sich gesprochen. Er kann auch „wir“ sagen.
Sollte er auch können.
Er ist der Kapitän der portugiesischen Nationalmannschaft. Aber hören will
das niemand. Alle wollen, dass er von sich selbst spricht. Ich, ich ich.
Und ja, er spricht auch ganz gerne über sich. Ein bisschen wir und ganz
viel ich – das ist Cristiano Ronaldo.
Wo andere ein ganz normales Fußballmatch spielen, bestreitet er immer zwei
Partien in einer. Eine für seine Mannschaft und die andere für sich. Oft
gewinnt er beide Partien. Nur dann ist er mit sich im Reinen. Mit Real
Madrid ist ihm das in diesem Jahr sehr oft gelungen. Unglaubliche 46 Tore
hat er in der Meisterschaft geschossen und einen ganz großen Teil dazu
beigetragen, dass der Titel endlich wieder nach Madrid gegangen ist. Und
doch hat er auch wieder verloren. Lionel Messi hat für den FC Barcelona
noch unglaublichere 50 Tore geschossen.
Jeder kennt die Geschichte des Wettrennens dieser beiden unglaublichen
Kicker. Sie hätten sich im Fernduell um den Titel als Weltfußballer des
Jahres 2012 gegenseitig zu Höchstleistungen angestachelt. Das ist oft
gesagt und geschrieben worden. „Messi, Messi, Messi!“, schallte es durch
das Lemberger EM-Stadion nach jedem Schuss von Cristiano Ronaldo, der sein
Zeil verfehlt hat.
## Immer wieder Messi
Ob er das zweite Mal, als er allein vor dem dänischen Torwart stand,
danebengeschossen hat, weil er sich gedanklich schon auf die
Journalistenfragen zu den Messi-Sprechchören vorbereitet hat? Spätestens
nach dem merkwürdigen Schüsschen wird, er gewusst haben, was auf ihn
zukommen wird.
Nachdem Portugal das Spiel gewonnen hatte, interessierte sich kaum einer
für die Sieger. Alle warteten auf den großen Verlierer des Tages. Es war
keine Frage, dass dies Cristiano Ronaldo war. Wen interessieren schon
dänische Verlierer? Niemand schaute nach unten. Keiner erwartete, dass ein
geknickter Depriknödel durch die Mixed Zone kriechen würde.
Erhobenen Hauptes und schnellen Schrittes marschierte der 27-Jährige – ja
der Mann ist wirklich noch so jung – an den wartenden Journalisten vorbei.
Er sagte nicht viel, aber am Ende blieb nur ein Satz übrig, der von denen,
die ihn gehört hatten, an die, an denen Ronaldo, vorbeigegangen war,
weitergegeben wurde. Stille Post. Angekommen sind diese Sätze einer
beleidigten Leberwurst: „Sie wissen ja, wo Messi vor einem Jahr war. Er ist
bei der Copa America im eigenen Land ausgeschieden. Das ist ja wohl
schlimmer, oder?“
Eine Steilvorlage für die Laienpsychologen unter den Sportreportern: der
arrogante Ehrgeizling zerbricht an seinem Ziel, endlich an Lionel Messi
vorbeizukommen.
## Ungerecht behandelt
Der Messi-Ronaldo-Vergleich hat sich längst verselbständigt. Niemand weiß,
ob Ronaldo Messi hasst. Vielleicht – Achtung, hier spricht der
Laienpsychologe – möchte er einfach nur so gut ankommen wie Messi.
Vielleicht fühlt er sich ungerecht behandelt. Wahrscheinlich kann er sich -
wie alle Welt – nicht vorstellen, dass ein halbes Stadion „Ronaldo,
Ronaldo!“ schreit, wenn Lionel Messi allein vor dem Torwart stehend
vergibt. Es gibt doch eh bloß zwei wirkliche Superstars im Weltfußball.
Warum nur, mag sich Ronaldo fragen, wird nur einem von ihnen die Zuneigung
zuteil, die beide verdient hätten.
„Meine Tore werden schon noch kommen.“ Auch das hat Ronaldo am Mittwoch in
Lemberg gesagt. Ich, ich, ich. Im Spiel gegen die Niederlande wird er
wieder zwei Partien zu bestreiten haben. In beiden geht es um etwas. Es
geht ums Weiterkommen für Portugal und es geht um seine persönliche Bilanz.
Die könnte besser sein, was Großereignisse betrifft. Ronaldo gilt als EM-
und WM-Versager. In 15 Turnierspielen seit 2004 traf er fünf Mal. Jetzt hat
er gesehen, dass Portugal auch ohne sein Zutun gewinnen kann. Er wird nicht
unbedingt gebraucht. Vielleicht macht ihn das frei.
Noch weniger wir und noch mehr ich. Das könnte der Cristiano Ronaldo sein,
den man am Sonntag in Charkow sehen wird.
17 Jun 2012
## AUTOREN
Andreas Rüttenauer
## TAGS
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